Der Strippenzieher hinter Trump

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Es gibt spannenderes zu tun, als ein Zimmer zu streichen. Es sei denn, man hört dabei einen genial gemachten, packenden und toprelevanten Podcast. So ist es mir vor kurzem ergangen und nach drei Stunden war mir vieles klarer und das Zimmer um drei Schichten Farbe weißer.
Was mich so begeistert hat, war der Deutschlandfunk-Podcast „Die Peter Thiel Story“ von Fritz Espenlaub und seinem Team. In sechs Folgen zu je 30 Minuten fächert der renommierte Tech-Journalist, der unter anderem das wöchentliche ARD-Format „KI-Podcast“ gestaltet, eine Reihe von Facetten einer äußerst einflussreichen Persönlichkeit auf, die bevorzugt aus dem Hintergrund heraus agiert und immer wieder spektakuläre Coups landet: Peter Thiel.
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Pläne für ein postdemokratisches Herrschaftssystem
Nicht umsonst wählt Espenlaub das Bild des genialen Schachspielers, um die Rolle des deutsch-amerikanischen Milliardärs und Musk-Weggefährten zu beschreiben. Episode für Episode arbeitet Espenlaub heraus, warum er Peter Thiel für den zentralen Strippenzieher hinter Donald Trump hält und wie systematisch und beharrlich der Paypal-Mitgründer und mächtige Kopf hinter der hochkomplexen Datenkrake Palantir seine Pläne für ein postdemokratisches Herrschaftssystem vorantreibt.
Das Hauptmotiv dahinter, scheint ein schnödes zu sein: Thiel hasst es, Steuern zu zahlen und hängt einem libertären Weltbild an, das ihn schon 2019 zur Aussage verleitete, Freiheit und Demokratie seien auf die Dauer nicht kompatibel. Die Leser mögen raten, welches Gut für den finanzkräftigen Gestalter das höhere ist.
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Apokalyptischen Endschlacht zwischen Gut und Bös
Der ideologische Überbau über Thiels Heilslehre ist indes monströs und reicht von der Überzeugung des herannahenden neutestamentarischen Armageddon – der apokalyptischen Endschlacht zwischen Gut und Böse aus der Offenbarung des Johannes – bis zur Heldenrolle des Katechon, der das Böse aufhalten und die Endschlacht hinauszögern kann. Thiel scheint im Katechon seine persönliche Bestimmung gefunden zu haben. An dieser Stelle zeichnen sich erstaunliche Parallelen zur Gedankenwelt von Alexander Dugin ab, der als Chefideologe des Neo-Eurasianismus prägenden Einfluss auf Wladimir Putin ausübt.
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„start.klar. im UFO Bruneck“
Am 22.10. findet „start.klar. im UFO Bruneck“ statt. Das Thema lautet „Demokratie in Gefahr | Was macht den Rechtsextremismus so verführerisch?“. Zu Gast bei Moderator Markus Lobis sind die Wiener Politologin und Extremismusexpertin Natascha Strobl und der Sozialpädagoge und OstWestClub-Macher Thomas Kobler aus Meran. Der Livestream des start.klar.-Abends wird auf SALTO übertragen.
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„Orchestrierter rechter Hass"
In Episode 3 („Dunkle Propheten“) geht Espenlaub vertiefend auf diese Aspekte ein und legt über einen Innsbrucker Theologieprofessor sogar eine Spur nach Tirol. Wolfgang Palaver lernte Peter Thiel kennen, als er als junger Dozent in Stanford tätig war und Thiel begann daraufhin, die theologischen Aspekte seines Gedankengebäudes zu vertiefen und sie immer wieder mit Professor Palaver zu diskutieren. Vor kurzem – im Sommer 2025 – war Thiel sogar nach Innsbruck gekommen, um vor wenigen geladenen Zuhörenden seine Vorträge zu halten und zu debattieren, zu denen er letzthin in den USA einflussreiche und handverlesene Gleichgesinnte einlädt. Palaver – der fallweise auch an der Philosophisch-Theologischen Hochschule in Brixen lehrt, kommt in Espenlaubs Podcast immer wieder vor und geht auch recht differenziert und kritisch mit Thiels Thesen um.
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Macht entsteht durch Software, nicht durch Wahlen.
Der Podcast „Die Peter Thiel Story“ von Fritz Espenlaub zeichnet das Porträt eines Mannes, der im Verborgenen Einfluss ausübt. In sechs Episoden zeigt Espenlaub Peter Thiel als Tech-Investor, Milliardär, politischen Netzwerker und Ideologen – und legt offen, wie sehr Thiels Denken ein geschlossenes ideologisches System bildet.
Schon die erste Folge macht klar, dass Thiel kein gewöhnlicher Gründer ist. In „Willkommen im Thielverse“ entwirft Espenlaub das Bild eines Mannes, der Macht über Ideen organisiert: In Stanford gründet Thiel die Stanford Review, ein libertäres Gegenöffentlichkeitsprojekt, das den kulturellen Mainstream angreift. Nerdkultur, Fantasy, Schach – sie werden zu Bausteinen einer Ästhetik des Außenseiters, der seine Isolation in Macht verwandelt.
In „Der Tod und die Steuern“ wird Geld zur Waffe. Thiel betrachtet Steuervermeidung als politisches Programm gegen den Staat, den er als Fessel für das Genie begreift. Espenlaub verknüpft diese Haltung mit Thiels Investments in Lebensverlängerung – der Versuch, Tod und Staat gleichermaßen zu überwinden.
„Dunkle Propheten“ zeigt Thiels intellektuelle Ahnen: Ayn Rand mit ihrem radikalen Individualismus und Carl Schmitt, der Politik als Entscheidung zwischen Freund und Feind verstand und die Nationalsozialisten inspirierte. Thiel übernimmt ihre Denkfiguren – Demokratie gilt ihm als Hindernis, Freiheit als etwas, das gegen sie verteidigt werden muss. Mit dieser ideologischen Rüstung tritt er 2016 beim republikanischen Parteitag an der Seite Donald Trumps auf.
Eine Schlüsselfolge ist „Der Rächer“. Espenlaub erzählt, wie Thiel im Geheimen den Prozess des Wrestlers Hulk Hogan gegen Gawker finanzierte – Vergeltung für eine alte Kränkung. Das ruinöse Urteil über 140 Millionen Dollar wird zur Machtdemonstration: Thiel nutzt Recht, Geld und Schweigen als Waffen. Rache wird zum Muster seiner Politik.
In „Im Zentrum der Macht“ rückt Washington in den Blick. Thiel will den „administrative state“ zerschlagen, scheitert zwar an der Bürokratie, gewinnt aber Einfluss über seine Firma Palantir – ein Datenkonzern, der staatliche Infrastruktur beliefert und zugleich kontrolliert. Politik und Technologie verschmelzen: Macht entsteht durch Software, nicht durch Wahlen.
Die finale Episode „Antichrist“ führt Thiels Denken ins Religiöse. Espenlaub verbindet seine Politik mit dem theologischen Konzept des Katechon – der Macht, die den Antichristen aufhält. Thiel erscheint als moderner Aufhalter des Verfalls, als Prophet einer apokalyptischen Zukunft. An seiner Seite steht J. D. Vance, der aus Thiels Ideen eine politische Religion formt.
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Geheimhaltung, Netzwerke, Racheakte
Espenlaub zeigt Peter Thiel als Antitypus zum demokratischen Bürger. Während Demokratien auf Öffentlichkeit, Diskussion und Mehrheitsbildung setzen, bevorzugt Thiel Geheimhaltung, Netzwerke, strategische Racheakte.
Während Demokratien das Unvollkommene akzeptieren, strebt Thiel nach der Überwindung des Todes. Während Demokratien Kompromisse suchen, liest Thiel Carl Schmitt und sieht Politik als Entscheidung über Feind und Freund. In diesem Gegensatz liegt die Brisanz des Podcasts. Er ist keine Biografie, sondern ein Warnsignal: Wenn Thiel Recht behält, könnte unsere Zukunft nicht mehr liberal und offen sein, sondern technologisch kontrolliert, religiös aufgeladen und autoritär strukturiert.
Damit ist „Die Peter Thiel Story“ ein Stück Aufklärung im besten Sinne. Es bringt Licht in eine Sphäre, die lieber im Schatten bleibt, und es zwingt den Hörer, die beunruhigende Möglichkeit zu denken, dass die Demokratie nicht nur von lauten Populisten bedroht wird, sondern von stillen Strategen, die längst damit begonnen haben, an ihren alternativen Weltordnungen und Herrschaftsformen zu bauen.
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SALTO change im Oktober
„Die Demokratie und die Gefahr von rechts“ lautet das Thema von SALTO change im Oktober:
Alle Artikel der Reihe SALTO change findet ihr unter www.salto.bz/change
Wenn ihr Ideen für weitere SALTO-change-Themen habt, schickt uns eure Vorschläge und Anregungen an [email protected].
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Hat nicht ein gewisser HITLER 1933, das von Rüstungs-Industrie gut vor-bereitete Vacuum leider zu gut genutzt, um mit seinem Jubel-Knecht GOEBBELS, das "Groß-Deutsch-Land" in nur 10 Jahren in die finale Katastrophe zu reiten ...?
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Wer bis jetzt nicht verstanden hat, was Trump in den USA anrichtet, der wird‘s
auch mit Herrn Espenlaub nicht verstehen!
Peter Thiel ist für mich ein…
Peter Thiel ist für mich ein Vertreter des sogenannten "Dark Enlightenment" - einer von Curtis Yarvin mit verbreiteten Sichtweise auf die Geschichte. Anhänger des Dark Enlightenment sehen im auf der Aufklärung basierenden Hyperrationalismus und der daraus resultierenden Überhöhung des Menschen große Gefahren. Aufklärung und Demokratie haben nicht nur gutes gebracht, aber eben auch nicht nur Schlechtes.
Fareed Zakaria hat ein Buch geschrieben, das "The Future of Freeedom - Illiberal Democrazy" heißt. Darin beschreibt er, dass historisch gesehen Liberalismus und Bürgerrechte eher in von liberal eingestellten Monarchen prosperierten. Als Beispiel dafür nennt er auch die k.u.k.-Monarchie, die als Vielvölkerstaat ein für damalige (und auch heutige Verhältnisse) freies Gemeinwesen hervorgebracht hat. Er schreibt darin auch über Sigmund Freud, der als Zeitzeuge live miterlebte, dass es nach Einführung der Kommunalwahlen in Wien nicht lange dauerte, bis bekennende Antisemiten (Lueger) an die Macht kamen.
Vertreter des Dark Enlightenment warnen vor der Überhöhung der Demokratie, die letztlich nichts anderes als eine Regierungsform neben vielen weiteren ist. Es ist natürlich klar, dass die Demokratie gegenüber anderen Regierungsformen viele Vorteile hat, sie hat aber auch Nachteile und ist kein Allheilmittel.
Die Amerikaner waren nach dem 1. WK erpicht darauf, in Österreich und im deutschen Reich die Demokratie einzuführen. Vertreter des Dark Enlightenment stellen die Frage, ob vielleicht eine Reform der Monarchie (z.B. zu einer konstitutionellen Monarchie) das dritte Reich hätte verhindern können. Die Vertreter des Dark Enlightenment weisen auch darauf hin, dass demokratische Regierungsformen vor allem in kleinen Systemen gut funktionieren und nennen dafür als Beispiele die Schweiz, aber auch die italienischen republikanisch organisierten Stadtstaaten Italiens. Große Massendemokratien hingegen weisen gerne illiberale Tendenzen auf.
Peter Thiel greift Elemente dieses Dark Enlightenments auf, wie z.B. die Demokratiekritik auf. Er sieht im Christentum einen Schutzmechanismus gegen Gefahr, die aus der aufklärerischen Überhöhung des Menschen über Gott resultiert. Hier sehe ich die stärkste Trennlinie zu Ayn Rands Objektivismus, da Ayn Rand und der Objektivismus kategorisch atheistisch geprägt sind. Auch Ayn Rand kritisiert die den Hyperrationalismus der Aufklärung und sieht in der daraus abgeleiteten Philosophie über Kant und Hegel eine wesentliche Grundlage für die todbringenden kollektivistischen Ideologien des 20. Jahrhunderts. Ihr Schüler Peikoff bricht den Holocaust überspitzt auf eine pervertierte Variante des kategorischen Imperativs herunter, in der es die erste Bürgerpflicht ist, sich den höheren Zielen des Staatsvolkes unterzuordnen, selbst wenn das den eigenen Tod oder den Tod Anderer bedeutet. Hier schließt sich der Bogen zu illiberalen Demokratie, die uns in den letzten Jahrzehnten auch immer wieder "alternativlose" Entscheidungen präsentiert hat. Wenn eine Demokratie keine Alternativen zulässt und illiberal wird, wenn Intellektuelle offen über andere Regierungsformen nachdenken wie Privatstädte, oÄ. Demokratie macht definitiv Sinn, aber eben nicht bei allen Themen und auch nicht in jedem Rahmen. Wie bei jedem Werkzeug, ist es wichtig, sich mit den Limitationen auseinanderzusetzen.
Markus hat hier ein sehr wichtiges Thema aufgegriffen, das man in vielen Aspekten vertiefen könnte und sollte. Mir ist Peter Thiel jedenfalls auch suspekt, denn die Kombination aus so fanatischer Auseinandersetzung mit dem "Antichristen" und die gleichzeitige Schaffung eines derart fragwürdigen Unternehmens passt für mich nicht wirklich zusammen.