Politik | Pustertal

Die SS49 bleibt Brennpunkt

Während die Bezirksgemeinschaft den Ausbau der Pustertaler Staatsstraße fordert, fahren Opposition und Mobilität sanftere Schienen.
SS 49 Ende
Foto: Aciarium - Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=123132953
  • Die Pustertaler Staatsstraße (SS 49) ist zum Dauerbrenner geworden: Staus, Baustellen und Sperren belasten Pendler, Touristen und Transporteure gleichermaßen. Landesrat Daniel Alfreider, die Bezirksgemeinschaft Pustertal und zuletzt auch der Südtiroler Wirtschaftsring fordern deshalb einen abschnittsweisen dreispurigen Ausbau, ergänzt durch neue Umfahrungen. Der Grundsatzbeschluss zur Mobilität in Pustertal, der am 26. Juli vom Bezirksrat bestätigt wurde, schließt sich dieser Linie mit klarer Mehrheit an. Kritisch sieht dies Hanspeter Niederkofler, Mitbegründer der Mobilitätsberatung und -planung Qnex und Gemeinderat der Grünen Fraktion in Bruneck. Der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs sei das Pferd auf das man setzen muss. Martin Valazza, Direktor des Landesressorts für Mobilität und Infrastruktur, schließt sich dem an.

  • Brennpunkt SS49

    Das Pustertal leidet unter seiner immer wieder verstopften Verkehrsader - der Pustertaler Staatsstraße SS49. Laute Stimmen fordern den Ausbau, um Engpässe zu öffnen. Kritiker wie das Team K oder der Heimatpflegeverband sprachen hingegen bereits zum Monatsbeginn ihre Warnung vor einem Bruch mit Klimaplan und Mobilitätszielen aus: Mehr Straßenkapazität bedeute letztlich mehr Verkehr. Auch Verkehrsexperten verweisen auf internationale Erfahrungen, die genau diesen Effekt bestätigen. Zwischen dem Ruf nach „leistungsfähiger Infrastruktur“ und der Mahnung zu nachhaltiger Mobilität spitzt sich der Konflikt zu – und die Frage, wie das Pustertal künftig erreichbar und lebenswert bleiben soll, steht im Zentrum eines hitzigen Diskurses.

  • Robert Alexander Steger: Der Präsident der Bezirksgemeinschaft fährt eine klare Schiene - oder auch nicht, denn der öffentliche Nahverkehr sei zentral, aber dabei darf der Individualverkehr nicht verloren gehen. Foto: privat

    Bei der Sitzung des Bezirksrates am 26. Juli wurde im Zuge des Beschlusses Nr. 13 ein umfassendes Maßnahmenpaket gefordert, das sowohl Straße als auch Schiene in den Blick nimmt. Zentral sind laut dem Präsidenten der Bezirksgemeinschaft Robert Alexander Steger der konsequente Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs, die dringende Fertigstellung der noch fehlenden Dorfumfahrungen, die abschnittsweise Straßen-Verbreiterung, um bestehende Engstellen, wie in Kiens, St. Sigmund, Mühlbach zu verbessern, und ein teilweise zweigleisiger Ausbau der Pustertaler Bahnlinie samt Anbindung an den Brennerbasistunnel. Ergänzt werden soll das Paket durch Sensibilisierungskampagnen für die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel, um dem wachsenden Individualverkehr entgegenzuwirken, sowie durch eine Aufstockung der Kapazitäten an der Autobahneinfahrt Vahrn.

     

    Vor allem Stimmen aus dem unteren Pustertal fordern eine normale Staatsstraße und das bedeutet an diversen Abschnitten auch die Schaffung von Überholmöglichkeiten, um den Verkehr flüssiger zu gestalten.“ 

  • Entgegen der kritischen Stimmen gegenüber dem Straßenausbau, meint Steger: „Der moderate Ausbau der Pustertaler Staatsstraße entspricht den Bedürfnissen der einheimischen Bevölkerung. Vor allem Stimmen aus dem unteren Pustertal fordern eine normale Staatsstraße, und das bedeutet an diversen Abschnitten auch die Schaffung von Überholmöglichkeiten, um den Verkehr flüssiger zu gestalten.“ Gleichermaßen gelte jedoch der öffentliche Nahverkehr als zentrales Standbein der Mobilität im Pustertal, aber das Konzept der Pustertaler Bahnlinie befinde sich erst am Anschlag. Der Bau der Riggertalschleife sei ein wichtiger Schritt, so Steger, aber nötig wären auch konkrete Pläne der Kapazitätserhöhung für den Bahnverkehr, wie etwa Bahnsteigverlängerungen für zusätzliche Zugwaggons, eine Verlängerung der Kreuzungsbereiche und der zweigleisige Ausbau der Bahnlinie.

    Dabei ist Stegers Position klar: „Die Dinge, die derzeit laufen sind wichtig, aber das reicht für die interne Mobilität des Pustertales nicht aus!“ Gewerbe und Handwerk seien auf eine funktionierende Straßeninfrastruktur angewiesen. „Das Argument der Verkehrserhöhung durch Straßenausbau hält das Pustertal bereits seit zehn Jahren in Geiselhaft“, so Steger. 

     

    dass man zwanghaft zugunsten des öffentlichen Nahverkehrs den Individualverkehr schon beinahe verbieten will, ist für mich fraglich.

     

    Der Beschluss sei Ausdruck, sich aus dieser Geiselhaft befreien zu wollen. „Wir wollen keine Schnellstraße, wir wollen nur eine vernünftige Straßensituation“, so Steger, wobei er betont, dass der Ausbau der Infrastruktur nicht im Widerspruch zur Schaffung attraktiver Angebote im öffentlichen Nahverkehr stehe. Und darüber hinaus: „Warum ist denn ein Individualverkehr per se schlecht? Im Gegenteil. Individualverkehr ist auch Ausdruck von individueller Freiheit eines Menschen. Natürlich müssen wir es schaffen, diesen in Zukunft nachhaltig und CO2-neutral gestalten. Aber, dass man zwanghaft zugunsten des öffentlichen Nahverkehrs den Individualverkehr schon beinahe verbieten will, ist für mich fraglich.

  • Kritik: Individualverkehr muss reduziert werden

    Hanspeter Niederkofler: für den Mobilitätsexperten und Grünen Gemeinderat ist der Beschluss des Bezirksrats befremdlich. Foto: Gemeinde Bruneck

    Hans Peter Niederkofler, Qnex-Verkehrsexperte und Gemeinderat der Grünen Fraktion in Bruneck, bezeichnet den Beschluss als befremdlich, da er dem Landesplan für nachhaltige Mobilität und dem Klimaplan widerspreche. „Das Ausschlusskriterium für den Beschluss des Bezirksrats ist, dass laut Landesplan für nachhaltige Mobilität keine Projekte angestrebt werden sollen, die die Straßenkapazität erhöhen. Ein dreispuriger Ausbau ist damit inkompatibel. Ein klares Ziel ist auch die Reduzierung des motorisierten Individualverkehrs“, erklärt Niederkofler. Die Forderungen des Bezirksrats würden laut Niederkofler nicht den Planungsabsichten des Landes entsprechen.

  • Der Mensch wählt für sich stets das niederschwelligste Verkehrsmittel

     

    Zudem sei klar: Der touristische Individualverkehr sei ein schwergewichtiger Treiber. „Eine steigende Gästezahl bedeutet zusätzliche Autofahrten, auch wenn Angebote öffentlichen Nahverkehrs für Touristen existieren. Probleme resultieren auch aus Mengenwachstum, nicht nur aus fehlender Infrastruktur“, meint Niederkofler. Die Lösung der Verkehrsproblematik verortet er eindeutig im öffentlichen Nahverkehr. Dabei gelte abzuwarten, welche fundamentalen Veränderungen der pusterer Mobilität durch die Riggertalschleife erzielt werden können. „Der Mensch wählt für sich stets das niederschwelligste Verkehrsmittel und die Riggertalschleife markiert meines Erachtens mit den erwarteten Zeitgewinnen die erste echte Gleichstellung der Bahn mit der Straße“, betont Niederkofler. Fest stehe, dass langfristig vor allem zweigleisiger Ausbau und Kapazitätssteigerung der Bahn die Lösung seien.

  • Land eher auf Kurs als auf Schiene

    Martin Valazza: „Wir haben Investitionen in die Schiene getätigt, wie wir sie seit 150 Jahren nicht hatten." Foto: Martin Vallazza/Autonome Provinz Bozen

    Auch das Land setzt laut dem Direktor des Landesressorts für Infrastruktur und Mobilität, Martin Valazza, primär auf „die Schiene als Rückgrat der Mobilitätsentwicklung im Pustertal“ und „Vision Zero“ – also auf das Ziel von Null Verkehrstoten. Valazza erklärt sich daraus auch den Unmut, der sich besonders in diesem Jahr aufgrund der Sperre der Pustertaler Bahn zuzuspitzen scheint: „Heuer haben wir ein außergewöhnliches Jahr, in dem wir jedoch Investitionen in die Schiene getätigt haben, wie wir sie seit 150 Jahren nicht hatten, wie die Riggertalschleife, die Weichen eines teilweise zweigleisigen Ausbaus, die Anbindung an den Brenner-Basistunnel”. 

    Was den Straßenausbau angeht, sollen zugunsten von „Vision Zero“ Verkehrskonfliktpunkte im Sinne der Sicherheit und Lebensqualität angegangen werden, so Valazza. Dies bedeute jedoch auch, dass man den Ausbau dreispuriger Abschnitte langsam angehe. Investitionen in den Straßenausbau beschränken sich zurzeit vor allem auf die Ortsumfahrungen Kiens und Percha sowie auf die Kriechspur am Kniepass in Richtung Bruneck. Eine weitere Planung für einen dreispurigen Straßenausbau, bestünde derzeit noch nicht.