Wenn alte Klingeltöne klingeln
-
Als ich mein Smartphone am Montag vor eiiner Woche ausgeschaltet habe, wollte ich es ehrlich gesagt nicht ganz wahrhaben. In den ersten Stunden habe ich immer wieder in meine Hosentasche gegriffen und wollte das Handy herausholen, um zum Beispiel auf die Uhr zu schauen. Nachdem mir das ein paar Mal passiert ist, habe ich mich gefragt, warum ich das eigentlich mache, denn eine Uhr hing direkt gegenüber an der Wand. Da ist mit klar geworden, dass ich das jedes Mal mache, wenn mir langweilig ist. Das hat mich ehrlich gesagt ein bisschen erschreckt.
Wir hatten Nachmittagsunterricht. Erst nach der Schule habe ich wirklich gespürt, dass mein Gerät fehlt – und auf der Heimfahrt wurde es mir erst richtig bewusst. Ich musste einmal schnell quer durch die Stadt zum Bahnhof, damit ich nach Hause kam. Dabei habe ich mich bislang immer auf die suedtirolmobil-App verlassen. Die hatte ich heute ja nicht als Hilfestellung. Und so musste ich einfach darauf vertrauen, dass kein Bus ausfiel und ich pünktlich zum Zug kam.
-
Die nächste Herausforderung
Die nächste Herausforderung war die Zugfahrt selbst. Normalerweise steige ich in den Zug ein, schalte meine Kopfhörer ein, höre Musik oder scrolle durch Social-Media. Doch nichts davon konnte ich jett ohne Handy tun. Ich stieg ein, wollte schon meine Schultasche nach meinen Kopfhörern durchsuchen und erinnerte mich erst dann, dass das Smartphone ja ausgeschaltet war. Also keine Musik, kein Social-Media. Das war für mich schon schwierig.
Der zweite Tag fing nicht weniger herausfordernd an. In der Früh muss ich mich immer etwas beeilen und eine meiner Mitschülerinnen schreibt mir normalerweise auf WhatsApp, in welchem Bus sie sitzt. Das ging an diesem Tag natürlich nicht. Also waren wir gezwungen zu telefonieren. Auch wenn das im ersten Moment nicht nach einer großen Umstellung klingt, für mich, die normalerweise immer Nachrichten oder Sprachnachrichten versendet, war das vollkommen neu. Wir telefonierten also mit alten Tastenhandys, die wir zuhause gefunden hatten. Das ist dann für mich immer etwas peinlich und man bekommt viele verwunderte Blicke, wenn die alten Klingeltöne plötzlich erklingen.
An diesem Nachmittag war ich alleine zu Hause und ich muss sagen...
An diesem Nachmittag war ich alleine zu Hause und ich muss sagen, die Versuchung war groß. Sich einfach kurz hinsetzen, ein bisschen scrollen, einfach mal „nichts“ tun – das war für mich sehr anziehend. Stattdessen habe ich einfach das Radio eingeschaltet. Als ich dann zum Training musste, war ich kurz verunsichert: „Hoffentlich hat sich nichts geändert!“, „Kommt der Bus auch pünktlich?“ – All das hätte ich sonst einfach im Smartphone nachgeschaut.
-
Unsere Autorin
Sophie Seehauser, 16 Jahre alt, besucht die 3C des Sozialwissenschaftliche Gymnasiums „Josef Gasser“ in Brixen, Schwerpunkt Journalismus und Medienerziehung. Sie nimmt mit etwa 90 MItschülern an einem Experiment teil: Smartphone-Verzicht vom 1. bis 23. Dezember. Es fällt ihr nicht leicht. Am meisten vermisst sie die Musik beim Busfahren.
-
So ganz ohne geht es nicht
In den nächsten Tagen hat sich so etwas wie eine Routine entwickelt. Mit meinen Mitschülerinnen und Mitschülern und Freunden habe ich mehr mit dem alten Handy telefoniert und zu Hause schaltete ich einfach das Radio ein.
Allgemein finde ich mehr Ruhe und ich beobachte meine Außenwelt viel mehr. Zum Beispiel lausche ich im Bus andere Gespräche oder beobachte einfach Menschen. Mir ist aufgefallen, wie viele Menschen eigentlich durchgehend am Smartphone sind. Von zwölf Personen, die an einer Bushaltestelle auf den Bus gewartet haben, schauten elf auf ihr Gerät. Die einzige, die das nicht tat, war eine alte Frau!
-
Weitere Artikel zum Thema
Gesellschaft | Handy-VerzichtBis Weihnachten ohne Handy und Socials
Gesellschaft | Klassenkämpfe 4Schüler stehen am Ende der Nahrungskette
Gesellschaft | Klassenkämpfe 1Ausflüge? Vorläufig verzichtbar!
Super Experiment!…
Super Experiment! Hoffentlich findet es auch anderswo viele Nachahmer.
Nicht mit gesenkten Augen, sondern nur mit offenen Augen kann man die Welt entdecken. Bin schon gespannt auf die weiteren Berichte deiner Mitschüler:innen.
Davon kann ich mir ein gutes…
Davon kann ich mir ein gutes Stück abschneiden, auch wenn ich kein digital native bin.
Meine Überzeugung, das Smartphone (und andere Medien) im Griff zu haben, muss ich ständig anzweifeln, denn es gilt eben genau das Gegenteil: mein Gehirn ist nunmehr darauf programmiert (ich habe zugelassen, dass sich schleichend dieses VErhaltensmuster etabliert), nach Neuigkeiten auf dem Teil nachzusehen: entweder, ob jemand mir etwas mitzuteilen hat, oder einem Argument, das mich beschäftigt fällt mir kurzerhand ein und ich hole mir sofort Informationen darüber.
Dieses Wissen ist aber (in meinem Fall) eher flüchtig und somit wenig profitabel, eher wie ein doping, auch weil es in jedem Inhalt so viele Verknüpfungen und Ablenkungen gibt, die mein Hirn dazu verführen, meine Zeit vor dem Bildschirm zu verlängern.
Eigentlich sind wir ohne ständige Begleitung dieser Technologien glücklicher, denn dann sind wir im Moment und an jenem Ort, in dem wir uns physisch befinden. Und das, glaube ich, ist für die echte Phantasie das Beste.