Kultur | Allerheiligen

Des Lebens heller Schatten

Geschichten aus dem Leben über den Tod. Astrid Kofler hat einen Film über den Tod und ein Buch über das Sterben gemacht. Erhellendes in einer düsteren Angelegenheit. [Inkl. Lesung aus dem Buch]
Allerheiligen
Foto: Edition Raetia
  • Wie leben wir mit dem Tod? Was ist ein guter Tod? Was wird von uns bleiben? In über 30 Gesprächen hat Journalistin Astrid Kofler unheilbar Kranke, Angehörige, Ärzt*innen, Begleiter*innen der Hospizbewegung und der Notfallseelsorge, Theolog*innen, Therapeut*innen sowie Menschen unterschiedlichen Glaubens und Alters befragt. Das „Buch voller Emotionen“, wurde vor ein paar Tagen im Rahmen der Reihe Bücher im Gespräch in der Landesbibliothek Teßmann erstmals präsentiert. Neben der Autorin und dem Verleger Thomas Kager waren auch Notfallmediziner Simon Frings, Trauerbegleiterin Gabriela Mair am Tinkhof, der an Krebs erkrankte Thomas Mohr sowie die Leiterin der Notfallseelsorge & Suizidprävention Marlene Kranebitter anwesend und berichteten über ihre Erfahrungen. 

  • Buchvorstellung: Verleger Thomas Kager und Autorin Astrid Kofler bei der Buchvorstellung in der Landesbibliothek Dr. F. Teßmann Foto: Teßmann

    Astrid Koflers „ergreifendes Buch“, unterstrich Verleger Thomas Kager bei einem einführenden Gespräch mit der Autorin, sei imstande „ein Stück weit eine Welt zu öffnen, mit der man selber nicht so stark konfrontiert“ sei. Und sofern dennoch, so Kager weiter, so könne man „sich in vielem wiederfinden.“ 
    Es gäbe viel über den Tod zu erzählen, auch darüber, dass viele Menschen eigentlich keine Angst vor dem Tod hätten, „höchstens vor dem Sterben, im Sinne dass das Sterben Schmerzen bereiten könnte. Und weil sie Angst haben, der Familie zur Last zu fallen“, meinte die Autorin. Kager brachte während des bibliophilen Plauschs zum ersten Thema, auch die Titelwahl des Buches Sterben. Des Lebens heller Schatten ins Spiel. „Ich wollte einen Titel“, so Kofler, „der das wiedergibt, was ich empfinde“, ohne das aber im Untertitel stehe, das Buch wäre „eine Anleitung zum Sterben“ oder gebe „irgendwelche Ratschläge“.

  • Es ist nicht der erste Gesprächsband von Astrid Kofler. Sie ist eine Meisterin der subtilen Fragestellung und des Zuhörens. Aber auch darin, das Zusammengetragene – in welcher Form auch immer – weiterzuerzählen. Ob im eben kürzlich gezeigten Erzählfilm mit anschließender Nachgeschaut-Diskussion auf Rai Südtirol, oder eben im neuen Buch, in welchem sie viele verschiedene Gespräche und Geschichten zwischen die Buchdeckel packt, über Menschen, wo die einen meinen, es gehe nach dem Tod weiter, andere hingegen davon ausgehen, dass nach dem Tod endgültig Schluss sei. 
     

    Das neue Buch von Astrid Kofler lebt vom Tod und von den Gesprächen über ihn und einem jeweils voran gesetzten Zitat. 


    Die Autorin sprach mitunter von der Sinnhaftigkeit „den Tod ins Leben zu holen“, ihn mit einzubeziehen: „Ich glaube man lebt wirklich bewusster, wenn man die Endlichkeit vor Augen hält.“ Dazu kam in der ebenfalls zur Buchvorstellung anberaumten Gesprächsrunde, Thomas Mohr – seit 2015 Krebspatient – zu Wort, der in diesem Zusammenhang meinte: „Man versucht einfach die Zeit, die man noch hat, mit Sinn zu erfüllen und mit Freude und Genuss zu leben.“ Das würde man, „mit einem ganz anderen Bewusstsein machen, als man das sonst als gesunder Mensch macht.“ Insofern könne Mohr aus dieser, seiner Situation etwas „sehr kostbares abgewinnen“

  • Reden über den Tod: Gäste und Autorin bei der Erstpräsentation des Buches in der Landesbibliothek Dr. F. Teßmann Foto: Teßmann

    Am Podium vertreten war auch Trauerbegleiterin Gabriela Mair am Tinkhof. Sie begleitet vor allem Kinder und Familien, sterbende Kinder, aber auch Kinder, deren Eltern gestorben sind. Der Tod war schon sehr früh in ihr Leben präsent. Als sie 13 Jahre alt war, verstarb ihr 8-jähriger Bruder bei einem Autounfall. Fünf Jahre später verlor sie gleichzeitig zwei Großeltern, ebenfalls bei einem Autounfall. 2008 kam ihre erste Tochter Emma mit Sauerstoffmangel zur Welt und kämpfte sich, trotz langer Reanimation, ins zurück Leben. Außerdem erzählte sie von Paula „die zur Familie als Frühchen gekommen war“, und bei der Geburt gerade einmal 900 Gramm wog. Nach eineinhalb Jahren erfuhr die Mutter und ihre Familie von einem Gendefekt Paulas, der sich zunächst nicht lebensbedrohlich äußerte, aber Paula dennoch zum Verhängnis werden sollte. Mit dreieineinhalb Jahren verstarb Paula an einer Magen-Darm-Grippe.

  • Wir Ärzte haben Grenzen, und die Medizin hat es verpasst, den Menschen das zu vermitteln.
    (Simon Frings) 


    Am Podium war außerdem Notfallmediziner Simon Frings zugegen, der auch im Film Koflers zu sehen und zu hören ist und dessen ausführliches Gespräch mit der Autorin in Sterben. Des Lebens heller Schatten nachgelesen werden kann. Der frühere Philosophiestudent war als junger Mann mehrmals in Situationen geraten, wo er nicht helfen konnte, weil er eben nicht Arzt war. Frings sattelte um und arbeitet nun, seit mittlerweile 20 Jahren, in der Notfallmedizin und der Flugrettung. „Es geht einem, in diesem Beruf immer sehr nahe“, erzählte er, „wenn man nicht mehr helfen kann und wenn man sich dann auch bis zu einem gewissen Grad die Schuld gibt, an dem nicht-mehr-helfen-können.“ Außerdem erinnerte sich Frings eine Episode aus seinem Arbeitsalltag, die sich nachhaltig eingeprägt hat: „Da sind wir, ich glaube irgendwo im hinteren Passeiertal, auf einem Bergbauernhof, auf über 2000 Meter gewesen, also wirklich am sogenannten Ende der Welt. Wir kamen mit dem Hubschrauber an und ich bin neben diesem Bergbauernhof im Schwebeflug ausgestiegen. Und wenn man sich so diese Idylle von einem Bergbauernhof vorstellt, wenn da der Hubschrauber kommt, mit Wind und Lärm und der ganzen Action, da erinnere ich mich, wie wir - wie üblich - schnell zum Einsatzort gelaufen sind und wie ich dann schon gemerkt habe, dass da eine Tochter vor der Tür steht, die uns dann ganz ruhig in Empfang genommen hat. Entgegen der normalen Hektik wurden wir in die Bauernstube hineinbegleitet, wo der bereits verstorbene Altbauer aufgebahrt worden war. Man hatte da auch irgendwie das Gefühl, dass da das Sterben einfach dazugehört, wo dann auch jeder in der Familie seine Aufgabe hat, sowie dann auch die Leute aus dem Dorf.“ 

  • Des Lebens heller Schatten, ein Plädoyer: Lesung von Astrid Kofler im Rahmen der Erstpräsentation ihres Buches.

  • Foto: Edition Raetia

    Das neue Buch von Astrid Kofler lebt vom Tod und von den Gesprächen über ihn und einem jeweils voran gesetzten Zitat. So meint etwa der Theologe Martin P. Lintner: „Das Loslassen von Kindheit an ins eigene Leben zu integrieren, empfinde ich als die sinnvollste Auseinandersetzung mit dem Sterben“, oder die Künstlerin Julia Frank: „Ich hatte mich gedanklich auf den Tod vorbereitet. Dann ist er nicht eingetreten und ich dachte, okay, dann muss ich weitergehen.“ Schön auch das optimistische Zitat von Jens Pfeifer: „Ich möchte so lange wie möglich leben, auch wenn ich nichts mehr tun kann.“ Mit 24 erhielt der 1975 geborene Bozner die Diagnose Multiple Sklerose. Astrid Kofler lässt Menschen wie ihn und viele weitere Protagonist*innen unterschiedlichen Glaubens und Alters zu Wort kommen. Sie teilen ihre Hoffnungen und Ängste mit der Autorin und den Leser*innen. Sie berichten von ihren Erfahrungen. Und sie machen Mut.