„Erst wenn alles scheitert, Sanktionen“

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Eltern, die ihren Anteil an der schulischen Erziehungsarbeit oder dem Bildungsalltag ihrer Kinder nicht leisten oder aktiv verweigern, blüht künftig eine Verwaltungsstrafe. Bildungslandesrat Philipp Achammer, will Eltern, die ihre Kinder in der Schule ‚abladen‘ und sich dann nicht mehr mit ihrem Schulalltag beschäftigen wollen, Kommunikation vermeiden oder etwa Gratisangebote zum Erlernen der Unterrichtssprache nicht wahrnehmen, vermehrt in die Pflicht nehmen. Dazu blickt er über die Grenze zu unseren österreichischen Nachbarn: In Niederösterreich gilt bereits eine Mitwirkungspflicht im Kindergarten, die im Falle konsequenter Verweigerung mit Geldstrafen geahndet werden kann. Erste Sondierungen mit dem italienischen Unterrichtsminister seien positiv verlaufen. Die Vorsitzende des Landeselternbeirats, Silvia Cadamuro, sieht den Zeitpunkt der Debatte kritisch.
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Silvia Cadamuro: Die Vorsitzende des Landesbeirats der Eltern sieht die Situation gefasst und zeigt sich einsichtig: „Zuerst Hilfe, Unterstützung – zehnmal so viel Unterstützung – und erst wenn alles scheitert, Sanktionen.“ Foto: privat
Das Thema sei den Elternvertretern bislang nur knapp vorgestellt worden, erklärt Cadamuro, derzeit lägen die Prioritäten jedoch anders: „ Als Eltern wären uns zurzeit andere Themen prioritär vorgekommen, wie die Sanierung von Schulgebäuden, die Sicherung der Unterrichtsqualität oder die Sprachförderung.“ Auch die wachsenden Verhaltensauffälligkeiten an Schulen seien für viele Eltern akuter.
Dennoch erkennt Cadamuro die Grundidee an: Eltern hätten selbstverständlich die Verantwortung, ihre Kinder zu begleiten und zu unterstützen. „Die meisten nehmen diese Aufgabe ernst“, betont sie. Aber es gebe durchaus Hürden, vor allem in Sachen Kommunikation mit Familien mit Migrationshintergrund. Die Gratisangebote an Sprachkursen zum Erlernen der Unterrichtssprache würden häufig nicht wahrgenommen, und so komme es bei Elternsprechtagen oder beim Miteinbezug in die Koordination schulischer und außerschulischer Aktivitäten zu Verständigungsschwierigkeiten.
Die Gründe sind meist prekäre LebensrealitätenDie Gründe dafür seien laut Cadamuro vielfältig: „Wir erleben, dass in manchen Herkunftsländern eine geringere soziale Wertschätzung von Bildung herrscht – insbesondere von Frauen, aber meist ergeben sich praktische Hürden aus prekären sozioökonomischen Notlagen.“ Ihr seien Realitäten bekannt, in denen sechs Kinder auf 40 Quadratmetern Wohnfläche zusammen mit ihren Eltern leben. Und dies sei kein Einzelfall. Dass dabei die Bildungsqualität zu kurz kommt, sei kein Wunder, so die Beiratsvorsitzende.
„Irgendwann müssen Grenzen zum Wohle und Schutz des Kindes gezogen werden.“
Die Erwartung, Eltern würden allein aus Pflichtgefühl jede Gelegenheit wahrnehmen oder aus Faulheit oder Vorbehalt den Gelegenheiten ausweichen, sei daher laut Cadamuro realitätsfern. Nötig seien niederschwellige Angebote, auch digital, die eine enge Verknüpfung von Spracherwerb und sozialer Teilhabe darstellen, sowie mehr Verständnis für die Lebenswirklichkeit vieler Familien.
Nach dem Hilfe und Unterstützung versagen, Sanktion!Auch wenn das Ausmaß und die Umsetzungsweise einer Mitwirkungspflicht in Südtirol, die gleichsam für alle Eltern gelten würde, bis dato noch unbekannt sind, zeigt sich Cadamuro einsichtig: „Wenn Eltern nach zahlreichen Versuchen der Annäherung und Hilfe nie zum Gespräch erscheinen, sich weigern, die Unterrichtssprache zu verstehen, oder keinerlei Interesse am Bildungsweg des Kindes zeigen, dann müssen irgendwann Grenzen zum Wohle und Schutz des Kindes gezogen werden. Grenzen, die die bestmögliche Kindesentwicklung und das Recht des Kindes auf elterliche Begleitung unterstreichen." Sanktionen müssen dabei aber als „letztes Mittel“ verstanden werden. Cadamuro sieht hier Potenzial im verstärkten Ressourceneinsatz für die Verbindung zwischen Schule und Elternhaus.
Klar ist: Der Handlungsdruck im Bildungssektor wächst auf sämtlichen Ebenen. Sprachliche Defizite, soziale Ungleichheiten und Lehrermangel und die Frage nach Bildungsqualität verschärfen sich. Der Ruf nach klaren Regeln und verbindlicher Verantwortung ist nachvollziehbar, aber auch eine Gratwanderung zwischen Ordnung und Verantwortungsdelegation. Die Position der Elternvertreter: „Zuerst Hilfe, Unterstützung – zehnmal so viel Unterstützung – und erst wenn alles scheitert, Sanktionen.“
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