Kultur | Bibliophile Fragen

„Blumen auf dem Kopf“

Die Verlagsleiterin Birgit Holzner aus Innsbruck liest viel und gern. Und sie hat "die immer gleichen Fragen" von SALTO beantwortet.
Birgit Holzner
Foto: Privat
  • SALTO: Welches Buch hat Sie in Ihrer Kindheit nachhaltiger geprägt, als Sie damals je geglaubt hätten?

    Birgit Holzner: Da gibt es mehrere: Wolf Biermanns „Das Märchen vom kleinen Herrn Moritz“, dem Blumen auf dem Kopf wachsen: Es spiegelt meine Erfahrungen, die ich als 5-jähriges Kind im damals noch kommunistischen Polen gemacht habe. Dann Christine Bustas „Die Sternenmühle“, signiert von der Sternenmüllerin, das mich an meine Volksschulzeit erinnert. Im Gedicht „Was der Morgenwind erzählt“ spitzt früh schon der Lehrer die Kreide und malt auf die Tafel die ganze Welt, so lustig und bunt, dass sie jedem gefällt. Und Felix Mitterers „Superhenne Hanna“, ein Geschenk des Autors, der vieles vorhergesagt hat.

    Welcher letzte Satz eines Werkes ist und bleibt für Sie ganz großes Kopfkino?

    „Als ob ich es geahnt hätte“ aus Thomas Bernhards „Der Theatermacher“. Ich habe das Stück mit Gert Voss im Wiener Burgtheater gesehen – ein grandioser Monolog über die österreichische Provinz, unterbrochen nur vom gelegentlichen Husten der ebenfalls großartigen Schauspielerin Kirsten Dene.

     

    Ich verbringe meinen Sommerurlaub seit 30 Jahren auf Sylt und liebe französische Überseeinseln – aber ein Buch habe ich noch nie zurückgelassen.

  • Im Verlagsbüro in Innsbruck: Birgit Holzner studierte Romanistik und Germanistik an der Universität Innsbruck. Von 1995–1996 EU-Fremdsprachenassistentin am Lycée franco-finlandais d´Helsinki, 2000–2003 Lektorin des Helbling Verlages, 2003–2006 ÖK-Lektorin an der Université de Caen und an der Sciences Po Paris. Seit 2008 Verlagsleiterin der "innsbruck university press" und der "edition laurin" an der Universität Innsbruck. Foto: Edition Laurin

    Reimen ist doof, Schleimen ist noch doofer… Auf welches – anscheinend gute – Buch konnten Sie sich nie wirklich einen Reim machen?

    Den Hype um Uwe Tellkamps „Der Turm“ auf der Frankfurter Buchmesse 2008 konnte ich mir nicht erklären.

    Ein Fall für Commissario Vernatschio. Wie erklären Sie einem Außerirdischen die geheimnisvolle Banalität von Lokalkrimis?

    Ich mag Krimis. Es ist leichte Unterhaltungslektüre, die Urlaubserinnerungen weckt, z.B. von Martin Walker, dessen Kommissar Bruno im Périgord ermittelt und französisches Lebensgefühl vermittelt.

    Gewichtig! Welchen Buch-Tipps schenken Sie noch uneingeschränkt Vertrauen?

    Den Empfehlungen der Teilnehmenden der Innsbrucker Wochenendgespräche. Hier führen Autorinnen und Autoren drei Tage lang Diskussionen rund um ein literarisches Thema und sprechen über Bücher, die man auf keiner Bestseller-Liste findet.
     

    Siegfried Höllrigls Drucke sind bibliophile Meisterwerke


    Was für ein Fehlschlag! Welches Buch würden Sie auf einer einsamen Insel zurücklassen?

    Ich verbringe meinen Sommerurlaub seit 30 Jahren auf Sylt und liebe französische Überseeinseln – aber ein Buch habe ich noch nie zurückgelassen.

    Das Rauschen des Blätterns. Welches Buch würden Sie auf keinen Fall am E-Book-Reader lesen?

    Die Bücher aus der Meraner Handpresse Offizin S., Siegfried Höllrigls Drucke sind bibliophile Meisterwerke – unersetzlich.

    Welches Buch zu Südtirol oder eines/einer Autors/Autorin aus Südtirol würden Sie unbedingt weiterempfehlen?

    Sabine Grubers „Daldossi oder Das Leben des Augenblicks“: Das Bild einer Syrerin, die sich in einem Flüchtlingsboot entscheiden musste, welche ihrer vier Töchter sie als Erstes loslassen würde, ist mir nicht mehr aus dem Kopf gegangen.