Kunst | Malerei

Nur geträumt?

Zahlreiche "Traumbilder" sind derzeit in der Stadtgalerie Bozen zu betrachten. Zusammengetragen hat sie Kurator Nicolò Faccenda. Wie sind sie zu deuten?
Laura Pan
Foto: Laura Pan
  • Traum und Wirklichkeit / Sogno e realtà nennt sich die Mitte Juni eröffnete Gruppenausstellung in den Räumen der Stadtgalerie am Dominikanerplatz in Bozen. Gezeigt werden bis zum 23. Juli Arbeiten von Daniela Atzwanger, Paola Bradamante, Markus Kiniger, Lucia Nardelli, Elisabetta Vazzoler und Laura Pan. Sie greifen das Thema Traum und Wirklichkeit auf und versinnbildlichen das jeweilig Traumhafte meist mit kräftigen Farben. Die Herangehensweisen sind dabei so unterschiedlich, wie auch Träume durchaus sein können – auch wenn sie ab und zu wie Ebbe und Flut wiederkehren. Auch darum geht es.

  • In der Stadtgalerie Bozen: Sechs Positionen zu Traum und Wirklichkeit Foto: SALTO
  • Obwohl es sich um eine Gruppenausstellung handelt, behandelt der Kurator der Schau die ausgewählten Positionen singulär. Er lässt die Künstlerinnen und Künstler wie Patientinnen und Patienten eines Sigmund Freud auf der Couch Platz nehmen – zum bildhaften Träumedeuten.
    Was ist wirklich? Was ist traumhaft? Wo verläuft die Grenze zwischen Bewusstsein und Unbewusstem? Freud war der Ansicht, dass Träume von Wünschen genährt werden, die – da sie in der sozialen Realität des Individuums unterdrückt und verdrängt werden – vom Unbewussten in einem spezifischen, durch die Traumtätigkeit produzierten Bild wieder auftauchen. Es sind Reste von Bildern und Eindrücken des Bewussten, der Traum also eine „verkleidete Erfüllung eines unterdrückten, verdrängten Wunsches“.
    Kurator Nicolò Faccenda wühlt für seine Annäherung an das Thema tief in der großen Traumkiste der Kunst- und Geistesgeschichte, holt zahlreiche Maler und Denker hervor, sinniert über die „Welt als Vorstellung“, schlägt philosophische Umwege ein – und landet wieder mitten in künstlerischen Schein- und Traumwelten. 
     

    In der Absicht, die anderen in ihrer Diversität akzeptieren zu wollen, müssen wir versuchen, vor allem uns selbst zu akzeptieren, indem wir auf Zehenspitzen und ohne jegliche Hoffnung den Raum unserer Schwächen betreten.
    [Markus Kiniger]

  • Arbeiten von Elisabetta Vazzoler: Über Schärfe und Unschärfe Foto: SALTO

    Elisabetta Vazzoler widmet sich Räumlichkeiten – einem spannenden Feld der Traumforschung. Ihre Raumszenen – Vazzoler studierte Bühnenbild – wirken fast wie schwebende Visionen, die Umrisse der gemalten Gegenstände verschwinden ins Nichts. Eine beruhigende Traumsequenz? Oder doch nicht?
    Viel Raum für Improvisation lässt Künstlerin Laura Pan. Zu sehen sind bei ihr Fantasielandschaften und undefinierbare Orte, fortlaufende und mehrdeutige Überschreitungen – mal deutlich, mal unklar, mal abtauchend aus dem realen Dasein und im Visionären wieder auftauchend.
    Markus Kiniger zeigt Selbstbildnisse, die seinen vor Jahren auf Leinwand gebannten Gemütszustand widerspiegeln, den er in einem Moment des Erwachens aus einem unheimlichen Albtraum erlebt hatte. In den Worten des Künstlers handelt es sich um den Albtraum, „der dich weckt und in die Wirklichkeit zurückträgt“. Hier werden Beklemmung, Qualen und Seelenschmerz spürbar – auch jener Augenblick, in dem sich „die Nuancen der beiden Welten überschneiden“ und auf verwirrende Weise verschmelzen. „In der Absicht, die anderen in ihrer Diversität akzeptieren zu wollen, müssen wir versuchen, vor allem uns selbst zu akzeptieren, indem wir auf Zehenspitzen und ohne jegliche Hoffnung den Raum unserer Schwächen betreten“, sagt der Künstler.

  • Aus dem Albtraum heraus: Arbeiten von Markus Kiniger im Rahmen der Gruppenschau "Traum und Wirklichkeit / Sogno e realtà" Foto: SALTO
  • Lucia Nardelli berichtet zu ihren Bildern und Traumerfahrungen: „Ich träume häufig, und zwar farbig, nur kurze Augenblicke. Ich führe Buch über diese Traumerfahrungen.“ Rund zweihundert kleine Darstellungen stellt sie in Form eines Rasters in den Raum. An die Wand. Wie in einem Film oder besser einem aufgeschlüsselten Daumenkino werden die einzelnen Traumszenen sezierend hervorgehoben. Man kann sie genau studieren – und am Ende zusammenführen. Auch Daniela Atzwanger ist mit mehreren Arbeiten vertreten. Ihr Zyklus beginnt mit dem Bild Kaleidoskop der Träume. Der Künstlerin zufolge „verflechten sich auf der Oberfläche zahlreiche Figuren wie Puzzleteile, um ein wirres Muster zu bilden“. In diesem Figurenspiel werden „Fragmente von Erfahrungen und Emotionen der Wirklichkeit in Träumen neu zusammengesetzt und verwandelt“. Die weiteren Arbeiten auf Papier zeigen wiederkehrende symbolische Themen – mitunter auch jenes der Mutterschaft oder der Mutter-Kind-Beziehung. Gegenüber hängen die Malereien von Paola Bradamante, die einen speziellen Traumablauf abstrakt und vor allem in Blau und Grün auf die Leinwand bringt. „In diesem Traum erscheinen liebe Menschen“, erzählte sie dem Kurator im Vorfeld der Ausstellung. Es seien Menschen, „die seit Jahrzehnten tot sind. Sie sehen aber absolut wirklich aus und streiten sogar selbst energisch ab, Gespenster zu sein.“ Bradamantes Werke zeigen den Übergang von einer Traumdimension zum Moment kurz vor dem Erwachen – also kurz vor dem Auftauchen aus dem Polsterkissen.

  • Nicht "nur" schlafen! Träumen!: Wer es bis 23. Juli nicht in die Ausstellung schafft, hat's wohl "verschlafen". Foto: SALTO