Solderer und der geistige Aufbruch
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Vor vier Jahren ist der Publizist, Journalist und Verleger Gottfried Solderer verstorben. Die Landesbibliothek Teßmann organisiert am heutigen 6. November eine Gesprächsrunde zu „Gottfried Solderer oder eine Zeit des geistigen Aufbruchs“. Dabei wird Gottfried Solderer als Ausgangspunkt genommen für eine vielschichtige Zeitreise. Im Fokus stehen das gesellschaftliche Klima, die kulturelle Vielfalt und die politischen Rahmenbedingungen, die sein Wirken ermöglichte und prägte. 1980 gründete Gottfried Solderer das Wochenmagazin FF, dessen Chefredakteur er bis zur Gründung der Edition Reatia im Jahr 1991 war. Zeit seines Lebens trat Solderer für Meinungsvielfalt in Südtirol ein. „Vielfalt statt Einfalt“ war sein Lebensmotto. Er war ein Ermöglicher, der Kultur und Medieninitiativen umsetzte und der vielen Autorinnen und Autoren sowie Journalisten in Südtirol erste Veröffentlichungsmöglichkeiten bot. Die Kulturpublizistin und Buchautorin Adina Guarnieri hat im Auftrag der Edition Reatia ein Buch über Solderer geschrieben mit dem Titel: „Gottfried Solderer. Ein Leben für die Vielfalt“
SALTO hat mit Adina Guarnieri über ihr Buch gesprochen.
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SALTO: Frau Guarnieri, welche Quellen und Erfahrungen haben Sie bei der Recherche und beim Schreiben des Buches über Gottfried Solderer besonders inspiriert?
Adina Guarnieri: Die bedeutendste Quelle war Gottfried Solderer selbst, denn bereits als Schüler war er ein notorischer Sammler und hat Zeitungsartikel zur Option oder zum Autonomie-Paket aufbewahrt. Dazu abertausende Dokumente zu seinem Engagement bei der Südtiroler Hochschülerschaft oder dem „Forum für Bildung und Wissenschaft“. Sich da durchzuarbeiten war eine Herausforderung, aber es hat sich mir dadurch auch Gottfrieds Charakter erschlossen, wie zielstrebig und zuversichtlich er war, dass sein Tun irgendwann von Bedeutung sein würde.
Eingebettet wird das Ganze in den historischen, politischen und kulturellen Kontext seiner Zeit.
Wie haben Sie seine Persönlichkeit und sein Wirken in Ihrem Buch porträtiert?
Primär über die Erinnerungen von Familienangehörigen, Weggefährtinnen und Weggefährten. Auch persönliche Briefe gewähren einen tiefen Einblick und er selbst hat im Laufe seines Lebens zahlreiche Interviews gegeben. Da ich Gottfried Solderer nicht kennenlernen durfte, war dies die einzige Möglichkeit. Eingebettet wird das Ganze in den historischen, politischen und kulturellen Kontext seiner Zeit. Die Biografie will keine Heldenerzählung sein, denn das hätte Gottfried nicht gewollt. Es geht um einen Menschen, und Menschen haben nun mal Stärken und Schwächen.
Zur Autorin
Adina Guarnieri hat Kunstgeschichte, Denkmalpflege und Slawistik in Innsbruck und Trient studiert. 2015 hat sie ihr Magisterstudium mit Auszeichnung abgeschlossen. Sie ist freischaffend im Kulturbereich tätig (Journalismus, Öffentlichkeitsarbeit, Ausstellungskonzepte). Seit 2018 ist sie Vorstandsmitglied von Geschichte und Region / Storia e regione. Seit Anfang des Jahres ist sie die Leiterin des Kunstforums Unterland.
Welche Dynamiken bestimmten die Jahre, in denen Gottfried Solderer aktiv war, und wie beeinflussten sie seine Arbeit?
Gottfried Solderer wurde 1949 in eine Bergbauernfamilie hineingeboren. 20 Jahre später ging er nach Salzburg, als an den großen Unis die Studentenunruhen tobten.
Die Dynamiken sind vielseitig – sie würden ganze Bücher füllen.
In Südtirol erlebte er Magnago, Zelger, ein Medienmonopol, aber auch Claus Gatterer und Alexander Langer. Die Dynamiken sind vielseitig – sie würden ganze Bücher füllen. Er war ein Kind der Utopien und hat eine Zeit erlebt, in der alles möglich schien, sofern man nur dafür einstand. Diese Grundeinstellung hat ihn bis zum Schluss begleitet.
Wer waren die wichtigsten Mitstreiter, Impulsgeber und Visionäre, die Solderer bei seiner Arbeit unterstützten?
Es waren die „Freigeister“ jener Jahre: Claus Gatterer und Alexander Langer, die Gottfried Solderer als Student kennengelernt hat. Als er die „FF“ mitbegründete, traf er auf Klaus Dubis und Christoph Amonn. Nicht zu unterschätzen ist Bruno Hosp, der zwar eine konservative Linie fuhr, die Edition Raetia aber mit Beiträgen unterstützte (nicht üppig, aber immerhin). Und Viktoria Stadlmayer hat Gottfried Solderer bei seiner Dissertation geholfen. Nicht zu vergessen seine Freunde Markus Vallazza, Hanspeter Demetz, Jul Bruno Laner und Joseph Zoderer.
Die Gesprächsrunde findet am 6.November um 20 Uhr in der Landesbibliothek Teßmann in der A.-Diaz-Str.8 in Bozen statt.Teilnehmer der Runde sind Adina Guarnieri, Christoph Franceschini (Journalist) und Hans Heiss (Historiker). Moderiert wird der Abend von Georg Mair (Journalist und Chefredakteur der FF).
Was war für Sie wichtig bei der Arbeit an dem Buch über Gottfried Solderer und was hoffen Sie, dass die Leser aus dem Buch mitnehmen?
Ich wollte einen Zugang zu dieser Person finden, die ich leider nicht kennenlernen durfte. Dafür musste ich hinter die Fassade blicken, denn als Person des öffentlichen Lebens gab es sozusagen „einen“ Gottfried Solderer, den alle zu kennen glaubten: gutmütig, etwas larmoyant, sanft. Dass ihm die ständigen Herausforderungen an die Substanz gingen, das hat er charmant überspielt. Aber er hat gelitten für seine Überzeugungen. Ich hoffe, dass die Leserinnen und Leser Gottfried durch das Buch in seiner Komplexität kennenlernen und sein Wirken dadurch noch mehr zu schätzen wissen.
Wie bewerten Sie Solderers Rolle in der heutigen Zeit und welche Lehren oder Impulse kann man aus seinem Leben und Werk ziehen?
Als Bergbauernbub, der Maurer werden wollte, hat er das Unmögliche geschafft. Dank ihm haben wir in Südtirol einen gewissen - leider ist ein Rückgang spürbar - Medienpluralismus und es wurden Bücher veröffentlicht, mit denen historische Tabuthemen aufgearbeitet wurden.
Du kannst es erreichen, wenn du daran glaubst.
Auch wenn es kitschig klingen mag, der wichtigste Impuls ist: Du kannst es erreichen, wenn du daran glaubst. Sein Sohn Moritz hat ihn einmal gefragt, was er getan hätte, wenn er sich das Studium nicht finanzieren hätte können. Die Antwort von Gottfried Solderer: „Das gab es nicht. Ich musste“.
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