Gesellschaft | Bildung

Beschränkte Bozner Betten

Erneut scheitert die Errichtung eines Studentenwohnheims. Wie kritisch ist die Bettensituation für Studierende der Universität Bozen und was bringt die Zukunft?
Unibz
Foto: unibz
  • Die Wohnsituation für Studierende in Südtirol könnte die Achillesferse der universitären Entwicklung in Bozen werden. Ein Mangel an Heimplätzen gefährde die Wettbewerbsfähigkeit der unibz und damit auch Südtirol an sich. Als wäre das nicht schon prekär genug, gesellen sich auch noch Brain-Drain und der ungünstige demographische Wandel hinzu. 

    Günther Mathà, Direktor der Freien Universität Bozen stellt klar, dass seit über einem Jahrzehnt, aufgrund des großen Bedarfes an künftigen qualifizierten Arbeitskräften in Südtirol, eine Steigerung der Studentenschaft angestrebt werde. Im gleichen Atemzug weise man seit Jahren darauf hin, dass die Landeshauptstadt einen zusätzlichen Bedarf von 600 Schlafplätzen benötige – mittel- beziehungsweise langfristig. Dem gegenüber stünden in Bozen aktuell rund 600 Heimplätze – eine Zahl, die sich seit Jahren kaum verändert habe.

  • Günther Mathà: Universitätsdirektor der Universität Bozen Foto: Unibz
  • Grüne Kritik an Privatwohnheimen

    Die Grüne Fraktion kritisierte gestern – 6. August– in einer Presseaussendung die Wohnsituation der Studierenden scharf: Betten für Studierende seien in der Provinz sowieso schon Mangelware und die Strategie des privaten Markts sei nicht in der Lage einer wachsenden und strukturellen Nachfrage gerecht zu werden. 

    Der Rückzug des Unternehmens Demeter, Teil der Dalle Nogare-Gruppe, bedeute den Verlust von 380 Betten für Studierende.  Das Projekt für ein Studierendenwohnheim in der Siemensstraße wird nicht umgesetzt. Ähnliche, frühere Projekte seien ebenfalls gescheitert, die mangelnde, wirtschaftliche Rentabilität sei das Problem. Dies schreie nach einem sofortigen Kurswechsel. Das Land möge in neue öffentliche Studierendenwohnheime mit „leistbaren Zimmerpreisen“ investieren. Der angedachte Mietdeckelpreis von 600 Euro sei, angesichts der wirtschaftlichen Situation vieler Studierender und ihrer Familien, realitätsfremd.

    Die vor kurzem im Industriegebiet eröffnete neue Fakultät für Ingenieurwissenschaften biete eine Gelegenheit, ein solches Wohnheim in einem erschlossenen und angebundenen Gebiet zu errichten. Dieses Vorhaben soll in Zusammenarbeit zwischen Land, Gemeinde und Universität realisiert werden.

    Es sei kurzsichtig, neue Fakultäten zu eröffnen, ohne gesicherte Schlafplätze für Studierende garantieren zu können. Das Recht auf universitäre Bildung soll nicht länger von Marktmechanismen abhängig sein. Es brauche kostengünstige, gedeckelte Zimmerpreise, sonst würde Südtirol als Studienort nicht attraktiv bleiben.

    Wie aus einer Anfrage der Grünen aus dem vergangenen Jahr hervorgeht, liegt der durchschnittliche Preis für ein Zimmer in den Heimen, mit denen Verträge bestehen, bei etwa 470 Euro monatlich. In der gleichen Anfrage beantwortete die Landesregierung auch, warum der Bau von Wohnheimen privaten Investoren und nicht dem WOBI überlassen wird: „Die Landesregierung hat 2018 eine Grundsatzentscheidung getroffen, nämlich sich an den freien Markt zu wenden, um bereits bestehende und geeignete Immobilien ausfindig zu machen und um somit die öffentliche Unterstützung für die Führungskosten geringer zu halten.“

  • Der Bettenbedarf wird durch die neue Fakultät für Ingenieurwissenschaften am NOI-Techpark noch verschärft. Der Bau eines geplanten Studentenheims in der Siemensstraße aber wurde kürzlich abgesagt. Mathà betont dennoch, dass dank des Engagements von Vizebürgermeister Stephan Konder zumindest das „Projekt Tosolini“ gerettet werden konnte. Das neue Wohnheim am Hadriansplatz mit rund 210 Betten soll Anfang 2026 in Betrieb gehen. Tosolini plane zudem eine Erweiterung um weitere 100 Plätze – falls die Nachfrage dies rechtfertigt. Damit wäre man immerhin bei rund 300 zusätzlichen Betten. Die Universität werde sich bemühen, genügend Studierende ins Boot zu holen, um die Plätze voll aufzufüllen.

     

    Studentenheime zu errichten, ist eine Initiative öffentlichen Interesses und nicht eine rein privatwirtschaftliche Initiative.

     

    Kritisch sieht der Universitätsdirektor die bisherige Strategie des Landes, bei Wohnheimen vor allem auf den privaten Markt zu setzen. Das Land zeige zwar volle Unterstützung gegenüber der Universität, aber „Studentenheime zu errichten, ist eine Initiative öffentlichen Interesses und nicht eine rein privatwirtschaftliche Initiative. Man kann nicht einen Privatunternehmer verpflichten, das öffentliche Interesse zu erfüllen, was letztendlich der öffentlichen Hand zustehen würde.“ 

    Beispiele gescheiterter Projekte – wie jenes von Demeter – zeigten, dass sich Neubauten mit gedeckelten Mieten von 600 Euro wirtschaftlich kaum umsetzen lassen und Gefahr laufen für Privatunternehmer letztlich ein Verlustgeschäft zu sein. Tosolini habe nur deshalb eine Chance, weil dort ein bestehendes Gebäude umgenutzt werden könne.

  • Kein Studentenwohnheim in der Siemensstraße: Der Bau wurde abgesagt. Foto: Salto.bz Fabio Gobbato
  • 600 neue Plätze als Ziel

    Für Mathà ist klar: „Ein realistischer, sozial verträglicher Mietpreis liegt bei etwa 300 bis 350 Euro im Monat.“ Die Grenze des Verkraftbaren liege bei diesen 600 Euro, die oft als Mietdeckel vorgeschlagen werden. Angesichts des allgemeinen Preisniveaus in Universitätsstädten wie Innsbruck, Wien oder München seien hohe Preise nicht ungewöhnlich – aber für viele junge Menschen dennoch kaum leistbar. 

    Eine neue Perspektive sieht der Direktor aber im NOI Techpark. In einem jüngsten Treffen mit dem Unternehmerverband habe dieser erstmals signalisiert, Wohnheime für Studierende im NOI-Campus – auch je nach Wachstum der Fakultäten am NOI – generell zu unterstützen – ein Kurswechsel, nachdem man Wohnnutzungen im Industriegebiet bisher abgelehnt hatte aus Angst vor Beeinflussung der Industrietätigkeiten. Das wäre laut Mathà ideal: Dabei hätte man einen Campus mit Wohnen, Lehre und Leben an einem Ort.

    Langfristig bleibe das Ziel: 600 zusätzliche Plätze. Realistisch sei das über zwei bis drei neue Heime zu schaffen. Es gehe um ein graduelles Wachstum, erklärt Mathà. Der Bedarf sei da, auch wenn die Bewerbungszahlen demographiebedingt rückläufig sein würden. Etwa ein Viertel, derjenigen, die einen Studienplatz ergattern, würden dennoch ausfallen, da die Wohnungssuche erfolglos verliefe. Der Druck sei hoch. Mathà warnt, kann man Studierenden nicht rechtzeitig einen Wohnplatz garantieren, dann bestehe schlicht und ergreifend die Gefahr, dass die Studierenden wegbleiben (müssen). Die Wohnsituation sei ein Schlüsselfaktor. Dass rund 40 Prozent der auswärtigen Studierenden nach dem Abschluss in Südtirol bleiben, biete einen enormen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Mehrwert. „Bei den einheimischen Studierenden liegt die Quote sogar bei 80 Prozent“, so Mathà.