„Kill local!“
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SALTO: Welches Buch hat Sie in Ihrer Kindheit nachhaltiger geprägt, als Sie damals je geglaubt hätten?
Matthias Dusini: Asterix schlägt Winnetou und Enid Blytons “Fünf Freunde”. Rachsüchtige Korsen und sture, “Olé” rufende Spanier haben sich tief in meinen Speicher nationaler Klischees eingebrannt. Das Misstrauen gegenüber besserwisserischen Asterix-Typen wirkt ebenfalls nach.
Welcher letzte Satz eines Romans bleibt für Sie ganz großes Kopfkino?
Journalisten kennen deren handwerkliche Bedeutung. Letzte Sätze hallen nach und sind entscheidend dafür, wie eine Geschichte in Erinnerung bleibt – hell oder dunkel, freudig oder aussichtslos. Der berühmte Schluss von F. Scott Fitzgeralds “Der große Gatsby” (1925) hat auch mich berührt. Der Erzähler besucht noch einmal den Ort des Geschehens, eine Millionärsvilla in Long Island nördlich von New York. Der Mond geht auf und er sieht die Umrisse einer kleinen Insel, auf der die europäischen Siedler einst landeten. Ein melancholischer Schleier legt sich über die Landschaft und ihren Besucher, der über Aufstieg und Fall des Selfmade-Millionärs Jay Gatsby nachdenkt: „Und so kämpfen wir weiter, wie Boote gegen den Strom, unaufhörlich zurückgetragen in die Vergangenheit.“
Schwierig. Empfehlungen erzeugen eine große Erwartung, die dann oft enttäuscht wird.
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Reimen ist doof, Schleimen ist noch doofer… Auf welches – anscheinend gute – Buch konnten Sie sich nie wirklich einen Reim machen?
Trotz mehrerer Anläufe rutschte ich in den literarischen Steilhängen von Thomas Manns “Zauberberg” aus. Das dicke Buch ist mir oft aus der Hand gefallen, bevor das Auge in den gewundenen Schachtelsätzen das Verb erreichte.
Ein Fall für Commissario Vernatschio. Wie erklären Sie einem Außerirdischen die geheimnisvolle Banalität von Lokalkrimis?
Warum banal? Verbrechen in der Provinz geben einem Schriftsteller die Möglichkeit, die Konflikte eines Landstrichs zu erzählen. Und die Leserschaft bekommt einen Einblick in historische Zusammenhänge, die sich in Reiseführern mitunter spröde lesen. Großmeister George Simenon begann nicht umsonst seine Laufbahn als Lokalreporter. Kill local!
Gewichtig! Welchen Buch-Tipps schenken Sie noch uneingeschränkt Vertrauen?
Schwierig. Empfehlungen erzeugen eine große Erwartung, die dann oft enttäuscht wird. Die besten Erfahrungen habe ich mit Büchern gemacht, die in Hotels liegen blieben. Zuletzt etwa Miroslav Krležas Kriegsnovellen “Der kroatische Gott Mars”. (Wieser Verlag, Klagenfurt 2009)
Was für ein Fehlschlag! Welches Buch würden Sie auf einer einsamen Insel zurücklassen?
Ein Buch, über das ich mich zuletzt geärgert habe, war Mithu Melanie Sanyals von der Kritik gelobter Roman “Antichristie”. Erzählerisch unbeholfen, didaktisch unergiebig.
Das Rauschen des Blätterns. Welches Buch würden Sie auf keinen Fall am E-Book-Reader lesen?
Etwa die Hälfte der Bücher lese ich auf dem Schirm, oft sind es Sachbücher. In letzter Zeit versuche ich, mich auf Lyrik einzulassen. Unlängst habe ich um 20 Euro “Die Gedichte: Rilkes lyrisches Werk in einem Band” (Insel Verlag) gekauft. Für so viel Geduld braucht es Papier.
Welches Buch zu Südtirol oder eines/einer Autors/Autorin aus Südtirol würden Sie unbedingt weiterempfehlen?
Jedenfalls den Roman “Gischt” (Raetia) meines 2017 verstorbenen Freundes Peter Oberdörfer, ein großer Literaturkenner und organischer Intellektueller. Piet schildert in "Gischt", dessen Entstehen ich über Jahre hinweg verfolgt habe, die gottlose Jugend der 1980er-Jahre zwischen Melancholie und The Cure.
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