Ritual, Natur und Aufruhr

-
Mit Ember Days zeigten Elisa Bergmann und Viktor Lundgaard bis Mitte August in der Gefängnisgalerie Kaltern eine gemeinsame Ausstellung, die alte Fast- und Gebetstage in den Mittelpunkt rückte – Tage des Übergangs, des Innehaltens und der Verbindung von Natur und Leben. Die künstlerischen Arbeiten spiegelten diese Zustände wider und verbanden sich zugleich mit Carlo Ginzburgs Figur der Benandanti, die als zentrale Referenz die Auseinandersetzung mit Zwischenräumen, Durchlässigkeit und gemeinsamer Spurensuche leitete.
In diesem Gespräch mit Viktor Lundgaard möchten wir genauer erfahren, wie er diese Themen in seiner Praxis verankert, und was ihn persönlich an der Figur der Benandanti fasziniert.
SALTO Artstore: Die Benandanti bewegen sich zwischen den Welten, zwischen Leben und Tod, Natur und Ritual. Was hat dich an dieser Figur so angezogen, dass du sie in deine Arbeit aufgenommen hast?
Viktor Lundgaard: Hexenwesen hat mich schon immer interessiert. Für die Ausstellung “ember days” in der Galerie Le Carceri in Kaltern, einem ehemaligen mittelalterlichen Gefängnis, lag es aufgrund der römischen Inquisition nahe, die Figur der Benandanti aufzugreifen. Ich halte Hexen für ein passendes Vehikel, um patriarchalische Unterdrückung in unserer Zeit zu reflektieren, wenn man die Entrechtung von Frauen, von Migrant*innen in unseren Städten oder sogar ganzer Völker wie in Palästina, im Sudan oder in der Ukraine betrachtet – in den letzten 400 Jahren hat sich daran wenig geändert.
Deine Arbeit wird von sozialistischem Realismus, Science-Fiction und anarchistischer Literatur geprägt. Kannst du ein konkretes Buch nennen, das für dich besonders wichtig war – und erzählen, was dich daran künstlerisch inspiriert hat?
„Dhalgren“ von Samuel R. Delany ist wahrscheinlich das wichtigste Buch, das ich je gelesen habe. Es lässt sich nicht so einfach zusammenfassen, aber es handelt von einem zusammenbrechendem Erzähler, in einer schnell zerfallenden amerikanischen Einöde und beschäftigt sich mit Queerness, Künstler*innenschaft, Andersartigkeit und Dämmerzustände.
Das Buch hatte einen großen Einfluss auf meine Identität, künstlerisch hat es zu mehr Selbstreflektion angestoßen.
Du arbeitest mit mehreren Medien, aber die Malerei scheint für dich zentral zu sein. Warum ist das so?
Ich denke, dass Malerei ein sehr offener Raum ist, und da sie schon so lange im Zentrum der Kunst steht und so viele verschiedene Phasen durchlaufen hat, ist sie ein sehr reichhaltiges Substrat, aus dem man schöpfen kann. Für mich ist es unmöglich, Malerei vom Markt zu trennen, und sie eignet sich recht gut für antikapitalistisches Denken.
Kannst du mir etwas über die Arbeit erzählen die du auf Salto Art Store verkaufen möchtest?
Die Arbeit war Teil der Einzelausstellung Sea of Seeming bei Matteo Cantarella in Kopenhagen, in der eine Reihe von Arbeiten , die auf dem YouTube-Video Fiat Panda 4x4 1.9 d offroad 10 basierten.
In dem Video versucht ein Fiat Panda in einer scheinbar endlosen, vergeblichen Anstrengung, Schnee zu schaufeln – in einer nebligen Schneelandschaft aus Weiß- und Rosatönen, die gleichzeitig Romantik und Verzweiflung hervorruft.
Für diese Serie habe ich eine eigene Maltechnik entwickelt: Kalziumkarbonat (Kreide) wird mit Zitronensaft vermischt; beide reagieren miteinander und bilden einen schnell trocknenden pigmentierten Schaum. Kalziumkarbonat wird auch als Antazidum gegen stressbedingten Reflux eingesetzt.
-
Werkangaben
Künstler: Viktor Lundgaard
Titel: Untitled #8
Material: Kreide, Kohle und Zitronensaft auf Holz
Maße: 25x22cm
Jahr: 2022
Edition: Unikat
Preis: 760€ -
Weitere Artikel zum Thema
Arts | ArtstoreKreativität und Wirtschaft vereint
Arts | ArtstoreRelazioni Visibili
Arts | ArtstoreVom Laufsteg an die Wand
-
SALTO hat mit dieser digitalen Galerie einen speziellen Raum für Künstler aus dem Euregio-Tirolo-Gebiet geschaffen.
Die Kunstwerke werden exklusiv im Artstore von SALTO präsentiert.Artstore ist ein Projekt, das von der Kulturvereinigung BAU entwickelt wurde. Heuer liegt die Kuratorenschaft in den Händen von Eau&Gaz, ein Residenzprogramm für KünstlerInnen, KuratorInnenund andere im Kulturbereich tätige Personen. Seit 2022 organisiert es auch das Kultur- und Bildungsprogramm auf Schloss Gandegg in Eppan. Für den Artstore hat sich das Team von Eau&Gaz entschieden, künstlerische Positionen vorzustellen, die sie dieses Jahr in Südtiroler Ausstellungen anzutreffen sind. Eau&Gaz wird von Kathrin und Sarah Oberrauch sowie Johannes Nowak kuratiert.
Interessiert?
Kontaktieren uns jetzt, um ein Kunstwerk zu erwerben!
E-Mail: [email protected]
Stimme zu, um die Kommentare zu lesen - oder auch selbst zu kommentieren. Du kannst Deine Zustimmung jederzeit wieder zurücknehmen.