Die Würde des Menschen ist antastbar

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Die Würde des Menschen ist unantastbar – dieser Verfassungsgrundsatz prägt die Arbeit der Antidiskriminierungsstelle, die dort aktiv wird, wo Menschen aufgrund ihrer Identität benachteiligt werden, erklärt Priska Garbin. Die Juristin und Verantwortliche der Antidiskriminierungsstelle berichtete in der heutigen Landtagssitzung, dass die Stelle im vergangenen Jahr 260 Mal im Einsatz war: In 139 Fällen ging es um Beratung, rechtliche Unterstützung oder Informationen zur Gleichbehandlung. 48 Personen meldeten konkrete Diskriminierungsfälle.
Wenn Disklriminierungsfälle gemeldet werden, geht es meistens, so Garbin, um ethnische Zugehörigkeit und Rassismus. Gruppen, die als „fremd“ wahrgenommen werden, seien oft pauschalen Vorurteilen ausgesetzt. Dicht dahinter folgten Anfragen von Menschen mit Behinderung, denn obwohl ihre gesellschaftliche Zugehörigkeit kaum bestritten werde, sei Gleichbehandlung im Alltag nicht selbstverständlich, so Garbin.
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Interventionen beim Thema ethnischer Zugehörigkeit und Rassismus
In Bezug auf ethnische Zugehörigkeit und Rassismus erklärt sie die Interventionen der Antidiskriminierungsstelle anhand eines Falls: „Es werden Familien auseinandergerissen. Konkret beraten wir eine Familie, bei der die Eltern seit neun Jahren hier in Südtirol sind. Beide sind berufstätig. Nachdem der Mietvertrag für ihre Wohnung gekündigt wurde, wohnt der Vater im Arbeiterwohnheim und die Mutter mit den Kindern bei Verwandten. Sie finden keine Wohnung und das liegt nicht am Einkommen.“
Das Neugeborene lebte offiziell an einem anderen Ort als seine Eltern.
Ein Blick auf die Schwerpunkte der Arbeit verdeutlicht, wie vielfältig Diskriminierung sein kann. In einem besonders gravierenden Fall institutioneller Diskriminierung wurde, laut Bericht der Antidiskriminierungsvorsitzenden, einem Neugeborenen, das in Bozen zur Welt kam, durch das Meldeamt die Wohnsitzänderung verweigert. Monatelang blieb es daher offiziell im Arbeiterwohnheim gemeldet. Das Neugeborene lebte also offiziell an einem anderen Ort als seine mittlerweile umgezogenen Eltern. Erst durch den Rekurs der Antidiskriminierungsstelle beim Regierungskommissariat konnte für diese groteske Situation eine Lösung gefunden werden.
Gleichzeitig gebe es auch Fortschritte: Sozial- und Pflegekräfte aus Nicht-EU-Staaten mit einem Fachschulabschluss können inzwischen in Südtirols Stellenplan aufgenommen werden, nachdem eine bisherige Hürde im Kollektivvertrag auf Intervention der Antidiskriminierungsstelle gestrichen wurde.
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Vielfältige Problemherde...
Immer wieder werden auch Menschen mit Behinderungen Opfer von Diskriminierungen. Hier seien es häufig unverhältnismäßige Diskussionen über Sicherheitsbedenken, die einer funktionierenden Inklusion – neben architektonischen und audiovisuellen Barrieren – im Weg stehen. Auch seien die Diskriminierung von Menschen mit Beeinträchtigung beziehungsweise die Reduzierung von Menschen auf ihr Handicap immer wieder in der medialen Berichterstattung präsent.
Diskriminierungen aufgrund sexueller Orientierung oder Geschlechtsidentität beschäftigen ebenfalls die Diskriminierungsstelle. Ein homosexueller Angestellter im öffentlichen Dienst sei wiederholt Belästigungen durch Kollegen ausgesetzt gewesen. Die Rechtfertigung lautete, es herrsche schlicht ein „rauer Umgangston“ im Büro. Nach Einschreiten der Stelle konnten die Anfeindungen beendet werden.
Daneben treten immer häufiger Probleme im Zusammenhang mit dem Alter auf. Vor allem die Digitalisierung schließt viele ältere Menschen aus. Hinzu kommt, dass Benachteiligungen im Alter oft mit sozialer Lage, Gesundheit oder Herkunft zusammenwirken und sich gegenseitig verstärken. Auch die Religion ist ein Bereich, in dem Benachteiligungen sichtbar werden. So berichtete eine muslimische Busfahrerin, sie sei aufgrund ihres Kopftuchs beschimpft worden – ein Fall, der verdeutliche, so betont Garbin, wie wichtig Gleichbehandlung am Arbeitsplatz ist.
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... erfordern vielseitige Intervention!
Neben der Bearbeitung konkreter Fälle widme sich die Antidiskriminierungsstelle verstärkt der Prävention. Sie schaffe Räume, in denen Menschen, die von Diskriminierung bedroht sind, ihre Rechte kennenlernen, Vorurteile reflektieren und sich über Chancen und Herausforderungen von Vielfalt austauschen können. Stolz blickt die Vorsitzende auf die Erfolge des vergangenen Jahres zurück: Es wurden 61 Informations- und Bildungsveranstaltungen in Schulen, mit Lehrkräften und Schulleitungen sowie in Zusammenarbeit mit zivilgesellschaftlichen Organisationen organisiert.
Darüber hinaus ist die Stelle in zahlreiche Netzwerke eingebunden und an Projekten beteiligt, die das Ziel verfolgen, Vorurteile abzubauen, Gewalt zu verhindern und gesellschaftliche Vielfalt sichtbar zu machen. Dazu zählen etwa „Mein Leben ist bunt wie deins“ von People First, der Fotowettbewerb Breaking stereotypes, die Videoaktion „Urteile nicht auf den ersten Blick“ oder Zerodiscriminationday. Weitere Kollaborationen bestünden mit dem Netzwerk Gewaltprävention, Minderheitenmagazin Minet, Rai Sender Bozen, Frauen helfen Frauen, der Katholische Frauenbewegung zum Thema Sprache sowie Projekt Restart: Savera.
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