Gesellschaft | Gutmenschen

Motive, und ihre Motivation/en

Ein „Gutmensch“, das war für mich bis vor kurzem nichts beredens- und nicht einmal groß bedenkenswertes. Erst kürzlich ließ der Begriff mich aufhorchen.
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Zwar war ich hin und wieder darüber gestolpert, über den Begriff also, aber es gab da nichts, was mich hätte anhalten lassen. Die Verschmelzung von „gut“ und „Mensch“ zu einer Einheit verband ich - leidlich intuitiv - mit Menschen, die sich dem Irrtum des „Denk Positiv“-Syndroms hin- und ergeben hatten. Ganz falsch lag ich damit nicht, aber auch nicht wirklich richtig. Denn die Sache um den Gutmenschen ist weitaus gröber und sehr viel weniger harmlos.

Tatsächlich erschlossen mir meine Recherchen, dass der Begriff in der politischen Rhetorik als Kampfbegriff genutzt wird, und zwar – da schau her -, „vorwiegend im konservativen, rechtspopulistischen und rechtsextremen Bereich.“ Überraschend finde ich das nicht, beruhigend ist die Gewissheit aber auch nicht wirklich. Dass diese Phalanx der mehr oder minder politischen Menschheit und ihre Verunglimpfungen meist betont sachlich daher kommt – und auf Sachlichkeit besonders betont Wert legt -, stimmt mit auch ein wenig bedenklich,  denn das scheint durchaus ebenfalls System zu haben. Sehr viele Menschen verbinden ja leider mit „sachlich“ auch gleich „korrekt“, und hinterfragen in Folge weder Motivation noch Inhalt, während im Gegenzug „Emotion“ und „emotional“ ja auch schon alleweil negativ konnotiert sind. Ja, ich erkenne durchaus Zusammenhänge, denn „indem sie „linke“ Ideale als „Gutmenschentum“ abwertet, unterstreicht sie den Anspruch, selbst realistisch und auf der Sachebene zu argumentieren, während den als Gutmenschen Bezeichneten damit Realitätsverlust, mangelndes Reflexionsvermögen, ein unrealistisch hoher moralischer Anspruch oder utopische Vorstellungen unterstellt werden.“

1. Fazit: Es ist keineswegs alles gut, nur weil’s sachlich daher kommt. Und umgekehrt ist keineswegs alles schlecht, was emotional ist. Vielleicht rührt das Problem mit der Emotionalität bzw. der omnipräsente Ruf nach "Sachlichkeit!" ja aber auch bloß daher, dass die mehrheitlichen Männer mehrheitlich mit Emotionen nicht so gut können. Für diese – spontane – These könnte vielleicht sprechen, dass Eva Klotz, Chefin ihrer Partei und anerkanntermaßen kompetent in ihrer Sache, sich ihre Leidenschaft und Emotionalität nicht abtrainieren ließ (lassen musste?).

Und damit zurück zu den Gutmenschen, in welchem Zusammenhang mir auch das hier erwähnenswert schien: „Der Deutsche Journalisten-Verband vermutet dagegen in Zusammenarbeit mit Sprachforschern des Duisburger Instituts für Sprach- und Sozialforschung die Herkunft des Begriffes in der Zeit des Nationalsozialismus.[4] Demnach soll die Bezeichnung „Gutmensch“ bereits für die Anhänger von Kardinal Graf von Galen verwendet worden sein, die gegen die Ermordung Behinderter durch die Nationalsozialisten auftraten. „Gutmensch“ sei eine Ableitung vom jiddischen „a gutt Mensch“. Der DJV verweist auf Adolf Hitler, der in seinen Reden und seinem Buch „Mein Kampf“ die Vorsilbe gut wiederholt in abwertendem Zusammenhang verwendet hatte. So waren für ihn gutmeinende und gutmütige Menschen diejenigen, die den Feinden des deutschen Volkes in die Hände spielten.“ (wikipedia). Dem widerspricht die Gesellschaft für Deutsche Sprache, und „gibt als erste ihr bekannte Fundstelle des Begriffes eine Ausgabe des englischsprachigen Forbes Magazine aus dem Jahr 1985 an, in der Franz Steinkühler, damals zweiter Vorsitzender der IG Metall, so bezeichnet wurde.

Nichtsdestotrotz oder vielleicht gerade wegen seiner strittigen Herkunft, mit Sicherheit aber wegen seines unangenehmen Geruches, wurde „Gutmensch“ zum zweitplatzierten „Unwort des Jahres“ (Deutschland, 2011) gewählt, und diese Wahl so begründet: „Mit dem Un-Wort werde „insbesondere in Internet-Foren das ethische Ideal des ‚guten Menschen‘ in hämischer Weise aufgegriffen, um Andersdenkende pauschal und ohne Ansehung ihrer Argumente zu diffamieren und als naiv abzuqualifizieren“. Kritisiert wurde im Urteil auch  die aus Sicht der JURY 2011 einflussreich gewordene Funktion des Wortes als „Kampfbegriff gegen Andersdenkende“. Dass nicht zuletzt und mit auffallender Vorliebe jene Frauen als GutmenschInnen bezeichnet werden, die nicht in das eher biedere weibliche Rollen- und Musterschema der konservativ-rechts-rechtspopulistischen Szene passen, spricht auch eine recht deutliche Sprache, meine ich.

Fazit 2, oder auch: Die Moral von der Geschicht‘: Wo Gutes als böse und Böses als gut wahrgenommen werden soll, Recht als Unrecht und Unrecht als Recht, ja, da fröstelt mich.

PS. Die Redaktion von "Die Zeit" (online) hatte vorgeschlagen, das Schimpfwort "Gutmensch" aus dem Wortschatz der Forums-User zu streichen.