Wirtschaft | Landwirtschaft

Anbindehaltung bleibt – vorerst

Werden Subventionen für die Bauern künftig an höhere Tierwohl-Standards geknüpft? Landesrat Arnold Schuler beruhigt und verweist auf gute Verhandlungsergebnisse.
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Foto: Francesca Faccini
  • Derzeit wird auf EU-Ebene das Tierschutzgesetz überarbeitet. Dieses beinhaltet auch Verordnungen, welche die Nutztierhaltung betreffen bzw. soll, wie im Gutachten der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) vorgeschlagen wird, die ganzjährige Anbindehaltung von Milchkühen verboten werden. Diese Neuerung, die nicht nur von Tierschutzverbänden erhoben wird, sondern auch zunehmend von Verbrauchern und dem Lebensmitteleinzelhandel, wird als wichtiger Schritt in Sachen Tierwohl gewertet. Vorerst soll sich das Verbot auf die ganzjährige Anbindehaltung beschränken, diese Form der Haltung, mit der das Tier mit einer Kette oder einem Gurt fixiert wird, steht seit einiger Zeit jedoch grundsätzlich zur Diskussion. 

     

    „Wir werden uns aber auf alle Fälle dahingehend einsetzen, dass es nicht zu einem generellen Verbot der Anbindehaltung über das Tierschutzgesetz kommen wird.“

     

    Auch deshalb hat die Südtiroler Landesregierung beschlossen, künftig nur mehr Laufställe finanziell zu fördern, erklärt Landwirtschaftslandesrat Arnold Schuler auf Nachfrage und betont, dass dies im Nachhinein die richtige Entscheidung gewesen sei. „Wir werden uns aber auf alle Fälle dahingehend einsetzen, dass es nicht zu einem generellen Verbot der Anbindehaltung über das Tierschutzgesetz kommen wird“, ergänzt der Landwirtschaftslandesrat. Auf die Unsicherheit bzw. die Gerüchte, die derzeit unter einigen Bauern kursieren, wonach Förderungen an die Haltungsweise gekoppelt bzw. gestrichen würden, erklärt Schuler, dass man grundsätzlich beide Bereiche – Tierschutzgesetz und Beiträge – auseinander halten müsse. Die in Brüssel derzeit diskutierte Novelle zum Tierschutz sei noch nicht in Stein gemeißelt, ebensowenig, wie die Mitgliedsstaaten diese neuen Regelungen schließlich umsetzen werden. Diese Diskussion habe auch keinen Einfluss auf die Agrar-Subventionen wie beispielsweise die Betriebsprämie. 

  • Landwirtschaftslandesrat Arnold Schuler: „Es ist das Hauptverdienst der Provinz Bozen, dass die Kombinations-Haltung, sprich Anbindehaltung und Minimum 60 Tage Weidehaltung, Eingang in die Regelungen gefunden hat.“ Foto: Asp

    Korrekt hingegen sei, dass in der neuen Förderperiode 2023-2027 im Rahmen der neu eingeführten Öko-Richtlinien bzw. Eco Schemes Tierwohl-Aspekte eine wesentliche Rolle spielen werden. Derzeit werden im Comitato Tecnico Scientifico Benessere Animale, kurz CTSBA, die letzten Details dazu ausgearbeitet. Mit am Verhandlungstisch sitzt auf Südtiroler Seite Christian Plitzner, Geschäftsführer des Beratungsringes Berglandwirtschaft (BRING). Sobald dieser Prozess abgeschlossen ist, wird das Ergebnis in der Staat-Regionenkonferenz verhandelt. Was den Stand der Dinge betrifft, zeigt sich Landesrat Schuler sehr zuversichtlich und erklärt, dass zwischen dem, was ursprünglich auf dem Tisch gelegen habe und dem, was in gemeinsamen Verhandlungen erreicht worden sei, es einen großen Schritt nach vorne gegeben habe. „Es ist das Hauptverdienst der Provinz Bozen, dass die Kombinations-Haltung, sprich Anbindehaltung und Minimum 60 Tage Weidehaltung, Eingang in die Regelungen gefunden hat“, so Schuler. Zudem soll es im Rahmen der Classyfarm-Regelung Erleichterungen für Betriebe mit weniger als 50 Rindern geben. Die Verhandlungen auf technischer wie auf politischer Ebene würden sich zwar als sehr mühsam gestalten, mittlerweile sei man jedoch an einen guten Punkt angelangt. Eine Schwierigkeit bestehe nämlich darin, glaubhaft zu vermitteln, dass eine kombinierte Haltung mit einer vorgeschriebenen Anzahl von Weidehaltungstagen nicht automatisch schlechter sei als die Laufstall-Haltung.

  • Wie in den meisten anderen Bereichen sei man auch hier mit Schwarz-Weiß-Denkmustern bzw. mit Pauschalaussagen konfrontiert, die jedoch an der Realität vorbeigehen. „Beide Haltungsformen haben ihre Berechtigung. So wie es vorbildhafte Laufställe gibt, gibt es auch vorbildhafte Anbinde-Betriebe – dies trifft genauso auf Negativ-Beispiele zu“, so Landesrat Schuler, der berichtet, dass von den großen staatlichen Bauernverbänden, die in erster Linie die Großbetriebe vertreten, in dieser Hinsicht kaum Unterstützung gekommen sei. „Man könnte manchmal fast den Eindruck gewinnen, dass man die Kleinen loswerden will, damit mehr Geld für die Großbauern übrig bleibt“, beschreibt der Landwirtschaftslandesrat das Problem auf Verhandlungsebene. Ganzjährige Stallhaltung sei mit den Zielen der Öko- und Tierwohlrichtlinien verständlicherweise nicht vereinbar, eine Ablehnung der Kombi-Haltung wäre für Südtirol jedoch unannehmbar gewesen, da aufgrund der Kleinstrukturiertheit 70 Prozent der Betriebe nach wie vor Anbindeställe sind.

  • Wer entscheidet: Politik, Handelsketten oder der Konsument?

    Immer häufiger stellen Lebensmittelkonzerne, Handelsketten und Lebensmittel verarbeitende Betriebe wie beispielsweise Sennereien das Tierwohl in den Mittelpunkt. Mit dem Argument „Der Konsument will es so“ und man müsse auf den Markt reagieren, werden höhere Tierwohl-Standards verlangt und höhere Anforderungen an den Produzenten sprich an die Bauern gestellt. In der Realität sieht die Sache jedoch vollkommen anders aus, sagt der Vinschger Markus Hafner, Mitglied des European Milk Board, der über einen tiefen Einblick in die Materie verfügt. 

     

    „Meiner Erfahrung nach kaufen die meisten jener Konsumenten, die am lautesten nach Bio rufen, am liebsten im Discounter ein – das gilt nicht für alle, aber doch die meisten.“

     

    „Wenn vom ‚Konsumenten‘ gesprochen bzw. geschrieben wird, dann stehen bestimmte Journalisten dahinter, die Stimmung machen wollen. Meiner Erfahrung nach kaufen die meisten jener Konsumenten, die am lautesten nach Bio rufen, am liebsten im Discounter ein – das gilt nicht für alle, aber doch die meisten“, redet Hafner Tacheles. Insofern interessiere es den Großteil der Konsumenten gar nicht, wie das Produkt hergestellt wird, Hauptsache es ist billig. Was die Handelsketten betrifft, so gehe es ihnen in erster Linie um den Profit und um die Möglichkeit, Druck auf die Milch-Erzeuger auszuüben bzw. die Preise zu diktieren. Die höheren Auflagen würden in der Regel mit 2 Cent pro Liter mehr vergütet – mehr nicht. Das Thema Tierwohl sei dabei für die Handelsketten von keinerlei Interesse, so Hafner. Wer den Preis diktieren kann, entscheidet somit auch über die Produktionsbedingungen – und das ist nicht der Bauer.