Chronik | Der Wolf ist tot

Symbolhafte Handlung

Auch zwei tote Wölfe - oder 10 oder 20 - ändern nichts daran, dass die Almwirtschaft professionalisiert werden muss. Wo dies geschieht, gibt es durchwegs Erfolge.
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Im Obervinschgau getöteter Wolf
Foto: LPA Landespresseamt
  • Schulers Nachfolger hat mit Sicherheit dessen Wissensstand, aber nicht dessen Klarheit.

    Der erste Wolf ist tot, der zweite wird in Kürze folgen. Dann haben die vielen Wölfe in ganz Italien für dieses Jahr wieder ihre Ruhe und werden sich weiterhin dort mit Futter bedienen, wo es ihm am leichtesten fällt – bei ungeschützten Nutztierherden. Was von Abschuss-Fanaten als Durchbruch gefeiert wird, ist und bleibt eine symbolische Handlung mit sehr zweifelhafter Wirkung, die nur dazu dient, die lautesten Schreier ein wenig zu beruhigen und einer in der Provinz großen Zeitung zu vermitteln, dass die Kirche im Dorf bleibt und alles so ist wie immer. 

    Inzwischen habe ich mich ein wenig umgehört und freue mich, dass es in Südtirol eine Reihe guter Beispiele für praktizierten Herdenschutz gibt. Patentlösungen gibt es keine, wohl aber hohe Lernfähigkeit und dort, wo Profis nicht von fanatischen Bauersleuten an ihrer Arbeit gehindert werden, funktioniert der Herdenschutz gut. 

    Auf der Kofelalm in Villnöss genießen grad rund 300 Schafe den Almsommer. Sie werden nachts in einen Nachtpferch getrieben und sind dort geschützt, während in zwei Kilometern Abstand auch heuer wieder unzureichend geschützte Nutztiere gerissen wurden. Auch auf der Kofelalm wurde schon ein Wolf gesichtet, der außerhalb der Umzäunung herumstreifte. Seit fünf Jahren gibt es dort keine Risse, während sich der weitflächige Elektrozaun in der Zeit davor nicht bewährt hatte und es zu 90 Rissen gekommen war.  

    Auf der Gadertaler Seite der Puezalm wird eine fast 400 Stück umfassende Kleintierherde tagsüber von Hirten begleitet und nachts neben der Hütte eingezäunt, mit gutem Erfolg: Schon den zweiten Sommer gibt es dort keine Risse, während dies auf Nachbaralmen sehr wohl der Fall war. 

    Fünf Herdenschutzhunde – pastori della Sila – begleiten auf der Porstalm am Jaufenpass 100 Ziegen, aktuell noch im freien Weidegang. Sobald es Hinweise auf Raubtierdruck gibt, werden sie nachts eingestallt, immer bewacht von den Schutzhunden.  

    Auf der Hofalp in Terenten tummelt sich gerade jede Menge Vieh. Die 74 Kühe werden in der Regel vom Wolf nicht behelligt, die 13 Kälber kommen nachts in den Stall, genauso wie die 30 Ziegen, die vormittags im geführten Weidegang unterwegs sind und am Nachmittag in den Pferch kommen. 100 Schafe und 10 Pferde werden in Koppeln gehalten und von 2 Herdenschutzhunden bewacht. Ein Hirte, der von einem Praktikanten und zwei Hütehunden unterstützt wird, sorgt dafür, dass heuer keine Risse zu beklagen waren. 

    Dies sind nur ein paar Beispiele, dass professioneller Herdenschutz auch bei uns funktioniert und seit ich 2019 auf der Avinga-Alm unterhalb des Arundakopfes war und einen Hirten bei der Betreuung von 500 Schafen beobachtet habe, weiß ich, dass Herdenschutz in ganz Südtirol funktionieren kann. 

    Honigschlecken ist das keines und es gibt auch keine Standardlösungen. Alm für Alm müssen Hirtinnen und Hirten die beste Lösung erarbeiten und ihren Erfahrungsschatz erweitern. Gleichzeitig wehren sich zahlreiche Viehhalter und Alminteressentschaften nachgerade gegen die Professionalisierung der Almwirtschaft, weil sie die Kosten scheuen und in der trügerischen Hoffnung gehalten werden, es könnte irgendwann wieder einmal ein wolfsfreies Südtirol geben. Dass dies ein Märchen ist und bleiben wird, sagte schon Landesrat Schuler in aller Klarheit. Heute macht er einen anderen Job und sein Nachfolger hat mit Sicherheit denselben Wissensstand, nicht aber dieselbe Klarheit.

    Weil die Debatte zu diesem Thema völlig irrational und hochemotional geführt wird und es sehr schnell zu persönlichen Anfeindungen kommt, habe ich die Namen der Hirtinnen und Hirten nicht genannt, die ihre Arbeit so vorbildlich erledigen und freue mich, wenn die LeserInnen dieser Zeilen in den Kommentaren Informationen über weitere gute Beispiele für Herdenschutz hinterlassen.