Umwelt | Wolf

Die Illusion vom wolfsfreien Tirol

Der Moraltheologe Martin M. Lintner meldet sich in der TT zum Wolf zu Wort. Er verortet in Südtirol eine “hoch emotionalisierte und extrem polarisierte Debatte”.
Martin M. Lintner
Foto: Martin M. Lintner

Wo Martin M. Lintner das Wort ergreift, fallen klare Ansagen. Diese Woche veröffentlichte die Tiroler Tageszeitung (TT) einen Gastkommentar des Südtiroler Moraltheologen, der sich seit Langem intensiv mit der Thematik Tierethik befasst. In der TT kommentiert Lintner die jüngsten Proteste in Tirol und ganz Österreich, wo Bauern gegen den Wolf auf die Straße gehen – mit Unterstützung aus Südtirol und dem Trentino.

“Südlich des Brenners laufen solche Kampagnen seit Jahren programmatisch und mit Hochdruck. Mit dem Ergebnis einer hoch emotionalisierten und extrem polarisierten Debatte, so die Analyse des Professors für theologische Ethik in Brixen.

Ohne statistische Einordnung seien Zahlen von Rissen zu lesen, Demonstrationen mit Traktoren zu hören, Plakate über ein Ende der Almwirtschaft und verstörende Fotos von gerissenen Nutztieren zu sehen. “Gezielt gestreute Falschmeldungen von ausgesetzten Wölfen und eineVerunglimpfung von Tierschützern als Wolfskuschler” seien zu erkennen, so Lintner. Dabei seien 2019 200 Mal mehr Nutztiere Unwetter, Steinschlag und Krankheiten zum Opfer gefallen als Wolfsrissen.

Mit der Maximalforderung eines wolfsfreien Landes wird der politische Druck (…) konstant hoch gehalten, auch wenn es unter den Verantwortlichen in Politik und Bauernbund kaum jemanden gibt, der hinter vorgehaltener Hand nicht eingesteht, dass wir uns auf die bleibende Präsenz von Wölfen einstellen müssen. (Martin M. Lintner im TT-Gastkommentar)

Auch die Katholische Presseagentur Österreich greift Lintners Kommentar auf – und verweist auf das Online-Sommergespräch des Katholischen Bildungswerks Tirol zum Thema “Der Mensch und das liebe Vieh”, bei dem der Südtiroler Moraltheologe vergangene Woche zu Gast war. Im Juni hatte Lintner zu einer sachlichen Diskussion über den Umgang mit Bär und Wolf aufgerufen. Den Konflikt um die Wiederansiedlung großer Raubtiere sieht der Ethiker als “Testfall”: Dafür, “ob wir den Herausforderungen des Klimawandels mit all seinen Folgen auch in unseren Breitengraden gewachsen sein werden”. Er sprach sich für das Bemühen um verantwortungsvolle Koexistenz aus. Klimaschutz, Schutz der Biodiversität und Ökologisierung der Landwirtschaft seien “unterschiedliche Facetten ein und derselben Problematik”.