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Rittner Spontis

In einer Nacht- und Nebelaktion haben Unbekannte bei der Bergstation der Rittner Seilbahn in Oberbozen gegen die Tatsache protestiert, dass die Bahn von Touristen überlaufen wird. Man hat eine Vorzugsschiene für Einheimische auf das Pflaster gezeichnet.
Seilbahn, Tourismus
Foto: SALTO
  • Mann und Frau dürften sich gut vorbereitet haben. An der Seilbahn sind Kameras angebracht. Um dieses auszutricksen, braucht es einiges an Ortskenntnis. Genau das haben die Unbekannten gehabt, die in der Nacht auf Donnerstag am Ritten eine demonstrative Protestaktion gegen den Overtourism in unserem Land durchgeführt haben.
    Die Diskussion ist bekannt: Die Rittner Seilbahn ist vor allem in den Sommermonaten hoffnungslos überlaufen. Weil Heerscharen von Touristen von der Landeshauptstadt auf das Hochplateau und zurückfahren, kommt es sowohl an der Tal- als auch an der Bergstation immer wieder zu langen Schlangen.
    Diese Situation ist vor allem für die unzähligen Pendler inzwischen untragbar. „Teilweise muss man 30 Minuten anstehen“, sagt eine Pendlerin zu SALTO, „bis man endlich in eine Kabine kommt“. Zustände, die mit einem normalen Arbeitsalltag kaum zu verbinden sind.
    Mehrmals hat man dagegen öffentlich protestiert. Dabei wurde auch eine Vorzugsspur für Einheimische angesprochen, doch bisher wurden alle Vorschläge von der Politik mehr oder weniger ignoriert. 

  • Protestaktion in Oberbozen: Ironische Urheberangabe "Bansky". Foto: SALTO
  • Jetzt hat man am Ritten zu einer Sponti Aktion gegriffen, um auf das Problem aufmerksam zu machen. Die Aktion fand in der Nacht an der Bergstation der Seilbahn in Oberbozen statt. Unbekannte haben den Boden des Eingangsareals mit weisser Farbe besprüht und eine symbolische Vorzugsstrasse für Einheimische eingezeichnet. Dazu hat man auf den Boden „Priority“ also Vorzugsschiene geschrieben. Gekennzeichnet ist das Werk mit dem Signum des Londoner Underground-Geistes „Bansky“.
    Die Aktion ist auch gut getimt. Denn am 15. August findet in Oberbozen der traditionelle Kirchtag statt. Tausende fahren dazu mit der Bahn auf den Ritten. 

     

    „Die Gemeinde und Betreiber wollten diese Kritik aber so nicht stehen lassen. Noch am Vormittag wurden die Schriften von der Freiwilligen Feuerwehr Oberbozen entfernt.“
     

    Die Gemeinde und Betreiber wollten diese Kritik aber so nicht stehen lassen. Noch am Vormittag wurden die Schriften von der Freiwilligen Feuerwehr Oberbozen entfernt.
    Nach der Schriften „Tourists go home“ in Gröden ist das bereits die zweite Protestaktion gegen den überbordenden Tourismus in Südtirol. Branchenkenner gehen davon aus, dass dieser Protest in den kommenden Jahren noch deutlich zunehmen wird.

Ich denke das Maß ist voll. Der Unmut in der Bevölkerung steigt von Tag zu Tag. Diese einzelnen Protestaktionen sind nur ein kleiner Ausdruck dessen, was die Bevölkerung wahrnimmt und denkt. Dies ist der Grundtenor in fast jedem Gespräch mit Bürger*innen, wo immer man auch im Lande unterwegs ist. Das Glas zum Überlaufen zu bringen - die Gier nach immer mehr - erachte ich als äußerst gefährlich auch für die Tourismusbetreiber*innen selbst. Leider hat die LR, die den politischen Auftrag hätte, nicht den Mumm dieser Entwicklung des "Overtourism" entgegenzutreten und entsprechende Gegen-Maßnahmen zu setzen.

Do., 15.08.2024 - 11:03 Permalink

Stimme Ihnen voll zu!
Auch hier in Brixen ist das Fass langsam am Überlaufen. Hatte gestern abend in der Altstadt noch was zu erledigen bin aber selbst mit dem Fahrrad in der Albuingasse aufgrund der Menschenmassen nicht mehr weitergekommen!!
Grund: langer Mittwoch mit sehr lauten Musikbands alle 50 Meter welche sich gegenseitig überbieten wollen bzw. sich deren Musik derart untereinander vermischt so dass man am Ende nicht mal mehr ein Lied erkennen kann…..
Und in wenigen Tagen startet ja wieder das Altstadtfest. Freu mich schon sehr auf die ganzen Massen!

Do., 15.08.2024 - 12:37 Permalink
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K V

Weg wischen, so wie von der Feuerwehr in diesem Fall und der LR seit vielen Jahren betrieben, wird irgendwann nicht mehr funktionieren. Der Unmut in der Bevölkerung ist schon zu groß und zu viele Menschen leiden unter dem Overtourismus. Da werden alle Feuerwehren Südtirols nicht reichen, um den Brandherd zu löschen. Jedenfalls eine gute Aktion mit genug Schmalz um zu erkennen, dass es ernst gemeint ist!

Do., 15.08.2024 - 11:42 Permalink

Apropo in Gröden sind ja auch schon Schriften wie „tourists go home“ aufgetaucht! Scheinbar von den Kanaren übergeschwappt wo es kürzlich schon richtige Demos der Einheimischen gegen den Massentourismus gegeben hat!
Wenns so weitergeht wird es nicht mehr lange dauern dass auch unsere Leute auf die Straße gehen werden….

Do., 15.08.2024 - 12:45 Permalink

Noch leben wir in einem Rechtsstaat und auch wenn verstärkt autoritäre Maßnahmen spürbar werden, lassen sich die Bürger nicht so schnell unterkriegen. In einem Land, in welchem die Väter Bomben gelegt haben, um sich vor staatlicher Unterdrückung zu wehren und dabei lange Haftstrafen und Folter riskiert haben, wird es mit Sicherheit Menschen geben, die weiter solche Aktionen machen, ohne die Strafverfolgung wegen Vandalismus oder Sachbeschädigung zu fürchten. Superquästor hin oder her.

Do., 15.08.2024 - 16:19 Permalink

Sie dürfen mir glauben, dass Repressalien oder faschistische Methoden mein Rechtsempfinden aufs Äußerste negativ triggern, aber es ist doch lustig bis befremdlich mitzuerleben, dass auf der einen Seite härteres Durchgreifen gegen alle möglichen Auswüchse, Ruhestörung, Verschmutzung und Verunstaltung öffentlichen Gutes, Kleinkriminalität, gefordert wird (besonders von Ihrer Seite) - also genau das, was der Quästor macht - und man auf der anderen Seite ein Eingreifen strikt ablehnt. Sachbeschädigung ist halt einfach auch ein Delikt. Außer man lebt nach der Maxime Quod licet Iovi non licet bovi.
Wobei mir nicht ganz klar ist, wann der Quästor demokratischen Protesten keinen Platz eingeräumt haben soll. Können Sie sich an den Aufschrei während der "von Protestanten gestörten" Fronleichnamsprozession erinnern? Genau da spielen Jupiter und der Ochse wieder die Hauptrolle.
Übrigens ist das keine Kritik in Richtung der Rittner Aktion, denn bei allen positiven Aspekten des Tourismus, ist das Nie genug kein akzeptabler Lebensstil.

Fr., 16.08.2024 - 08:22 Permalink

Ich bin nicht wirklich ein Freund des Aktionismus des Quästors (weil vielfach die Lösungen keine solchen sind) und durchaus für Umweltschutz, aber bei der Fahrraddemo wollten die Organisatoren, dass die Straße für ihre Demo gesperrt wird, was zu erheblichen Verkehrsproblemen geführt hätte, die dann von den Veranstaltern vielleicht noch als Beweis für ihren Protest herangezogen worden wären. Ich glaube nicht, dass die Bevölkerung von Wolkenstein darüber glücklich gewesen wäre und vermute, dass es diesbezüglich aus Wolkenstein auch eine "Intervention" bei der Quästur gab. Eine Demo kann man schon auch abhalten, wenn der Verkehr rollt.
Weitere Beispiele?

Sa., 17.08.2024 - 07:09 Permalink

Priorität für Pendler ja, Priorität für alle Ansässigen (sog. Einheimische) würde ich nicht befürworten. Wenn ich als Eppaner sonntags auf den Ritten fahre, bin ich auch eine Art Tourist und habe eigentlich kein Recht, mich vor den Urlaubern einzureichen.
Durch den Südtirolpass wäre es ein Leichtes, echte Pendler bzw. Intensivnutzer*innen der Öffis von Freizeitnutzer*innen zu unterscheiden.

Do., 15.08.2024 - 17:58 Permalink

Wenn ich sonntags auf den Ritten fahre, bin ich auch eine Art Tourist, aber ich behindere dabei wohl kaum den Pendler, bezahle den vollen Preis für mein Ticket und finanziere zusätzlich die Bahn mit den Steuergeldern. In meinen Augen doch ein wesentlicher Unterschied zum auswärtigen Tourist, der die Vorzugsspur für alle Ansässigen rechtfertigt.

Do., 15.08.2024 - 18:38 Permalink
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K_A

Bei allem Verständnis für den Unmut mancher Mitbürger, bin ich der festen Überzeugung, dass ohne Tourismus dieses Problem wohl nicht bestehen würde, denn ich bezweifle stark, dass ohne (ausreichend) Tourismus eine moderne Umlaufbahn auf den Ritten führe würde.
Verschiedene berufliche Aufenthalte in tourismusschwachen ländlichen Gegenden (und eine solche wäre Südtirol ohne Tourismus) mit weitaus besseren geografischen Voraussetzungen (sprich keine Berge), haben mir gezeigt, dass ich in so einem Land nicht unbedingt gerne leben möchte - Dörfer mit mehreren 1.000 Einwohnern, die maximal 3 Mal am Tag vom öffentlichen Nahverkehr versorgt werden (wobei da eines von den 3 Malen zumeist ausfällt), usw..
Auch bezweifle ich, dass uns diese Menge an Schutz- und Almhütten mit Bewirtung zur Verfügung stünden, wenn wir keinen oder deutlich weniger Tourismus hätten.
Ein kleiner Schwenker in manche wunderschöne Gegenden des Trentino genügt um zu sehen, wie das wäre.
Etwas gegen "Overtourism" zu unternehmen gestaltet sich außerdem nicht so einfach, da zum Einen die Frage zu klären ist, wann ist genug (sprich wann reicht die Zahl der Nächtigungen aus um die Strukturen erhalten zu können) und zum Anderen jeder Eingriff und dessen Konsequenzen gut abzuwägen ist.
Was ich vermisse, ich eine faktenbasierte Diskussion des Themas, in dem jede Meinung gehört werden soll, aber populistisch/egoistische Äußerungen als solche entlarvt und benannt werden sollen.

Do., 15.08.2024 - 19:06 Permalink

Ich denke kein Kritiker der momentanen Zustände spricht sich generell gegen den Tourismus aus, also muss niemand im Land Angst haben deshalb in die 60er Jahre zuückgeworfen zu werden.
Es wäre schon mal ein guter Anfang, würde die Politik die Sorgen der Menschen ernst nehmen, und die gesetzlichen Möglichkeiten nutzen, die Probleme von zuviel Tourismus anzugehen. Verkauf und Vermietung von Privatwohnungen an Touristen erschweren, IDM auflösen und weniger Steuergeld in Werbung investieren, die Fahrt auf die überfüllten Dolomitenpässe einschränken, Schutzhütten und nicht Hotels auf 3000 Metern bauen, usw., usw.

Do., 15.08.2024 - 20:44 Permalink
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MAYR Karl

Als Folgerung zur Aussage von Herrn Engl müsste sich der Einheimische gegenüber den Touristen entschuldigen, dass er über einen Südtirolpaß verfügt. So weit wird es hoffentlich wohl nicht kommen.

Do., 15.08.2024 - 19:11 Permalink

Aber es bleibt trotzdem ein Unterschied ob ich arbeitstechnisch (also regelmäßiger Pendler von Oberbozen-Ritten > Bozen und umgekehrt bin) oder ob ich als Eppaner in meiner Freizeit einen Ausflug auf den Ritten mache. Da sollte ich zumindest etwas mehr ZEIT haben als der arbeitende Mensch, der für sein Anstehen danach eine Stunde nachsitzen muss. Oder wenn dann gar ich im Landesbüro auf diesen Beamten warten muss, weil der noch bei der Bahn in der Schlange steht.
Aus dieser Sicht wäre der Vorschlag des Herrn Engl gar nicht sooo übel. Also eine Vorzugsspur für Rittner und andere Menschen die beruflich diese Strecke nutzen. Andernfalls bräuchte es irgendwann 3 oder mehr Spuren: Pendler, Rittner & Bozner, Pensionisten und Gehbehinderte, Bozen-Land, andere Einheimische, Rittner Gäste und dann andere Touristen. Hoppla ... wo reihen wir die Landtagsabgeordneten ein? (Ironie Off-ON).

So., 18.08.2024 - 16:19 Permalink
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Salto User
nobody

Es geht um Overtourism. Den gibt es nicht flächendeckend. Die Hotspots müssen reagieren. Ich finde, die Proteste sind angebracht und noch sind sie harmlos. Aber wie es der Kölle Paul richtig erkannt hat: Wo hat AK seine Handschrift hinterlassen?

Do., 15.08.2024 - 21:28 Permalink