Politik | Sterzing

Kein Geld für den Jöchlsthurn?

Der Sterzinger Gemeinderat befasste sich gestern mit dem „Jöchlsthurn“. Bereits seit Jahren will man den Ansitz erwerben. Allerdings fehlt das nötige Kleingeld dafür.
jochlsthurn.jpg
Foto: Martin Schaller
  • Die Kurzfassung zur gestrigen (16. November) Diskussion lautet: Die Gemeinde will den historischen Ansitz, ein Juwel der mittelalterlichen Stadtarchitektur, zwar erwerben, hat aber nicht die notwendigen Finanzmittel dafür – und das Land Südtirol zeigt sich nicht gerade in Geberlaune. 

    Bereits im Februar 2020 hat der Gemeinderat einen Grundsatzbeschluss gefasst, in dem man sich für den Ankauf des historischen Ansitzes Jöchlsthurn ausgesprochen hat. Der Besitzer, des historischen Ensembles, welches das Haupthaus mit dem markanten Turm, die Peter-und-Pauls-Kirche sowie den Enzenberggarten umfasst, ist Michael Graf Goëss-Enzenberg, Inhaber des Weingutes Manincor in Kaltern, mit dem sich die Gemeindeverwaltung seinerzeit bereits über einen Verkauf ausgetauscht hat. Der Schätzpreis, der bei rund 4,6 Millionen Euro liegt, sprengt die finanziellen Möglichkeiten der Stadt-Gemeinde damals wie heute. Eine Chance hatte sich im vergangenen Jahr aufgetan, als die Südtiroler Gemeinden aufgerufen waren, Projekte im Rahmen des gesamtstaatlichen Wiederaufbaufonds Piano Nazionale di Ripresa e Resilienza – kurz PNRR – einzureichen. Mit insgesamt 420 Millionen Euro sollten staatsweit 21 Projekte – je eines für jede Region und autonome Provinz – zur Aufwertung von abwanderungsgefährdeten Ortschaften oder Ortsteilen finanziert werden. Für jedes dieser Projekte stellt der Staat über das Kulturministerium bis zu 20 Millionen Euro zur Verfügung. Auch Sterzing beteiligte sich mit einem ehrgeizigen Projekt, das nicht nur den Erwerb des historischen Ansitzes Jöchlsthurn samt Enzenberggarten vorsah, sondern auch dessen Umgestaltung zu einem „Biodiversitätszentrum“ sowie die Schaffung von leistbarem Wohnraum für junge Familien am historischen Stadtplatz, die Errichtung eines „Mehrgenerationen-Cafès“, einer Kunstgalerie und diverser Räumlichkeiten für die verschiedenen Vereine der Gemeinde Sterzing. Den Sieg davon getragen hatte schließlich die Gemeinde Stilfs, Sterzing landete auf dem undankbaren 4. Platz. 

  • Siegfried Delueg: „Es war ein phantastisches Projekt in all seinen Inhalten.“ Foto: SALTO

    Der renommierte Architekt Siegfried Delueg, der im Rahmen der gestrigen Gemeinderatssitzung des Projekt präsentierte, hielt mit seiner Enttäuschung nicht hinterm Berg. „Es war ein phantastisches Projekt in all seinen Inhalten“, so Delueg. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb die Jury dieses Projekt derart unterbewertet habe. Delueg, gehörte zu jener Arbeitsgruppe, die unter dem Vorsitz von Stadtrat Markus Larch, innerhalb weniger Wochen den Entwurf ausgearbeitet hatte. Die Bedeutung dieses neben dem historischen Rathaus wertvollsten Profan-Bau Sterzings könne man nicht hoch genug einschätzen, wie der Architekt betonte. Was die Nutzung betraf, so sah das Projekt die Einrichtung eines Forschungsstelle in Zusammenarbeit mit dem Versuchszentrums Laimburg vor. In den historischen Räumen hätten Büros und Labors für 20 wissenschaftliche Mitarbeiter eingerichtet werden sollen, deren primäre Aufgabe die Biodiversitätsforschung im alpinen Raum sein sollte. 

  • Die Prunkräume mit den spätgotischen Holzdecken und Wandfresken aus dem 15. und 16. Jh. dagegen sollten von der Gemeinde Sterzing für verschiedene Anlässe genutzt und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Nachdem das Gebäude erst vor wenigen Jahren einer Generalsanierung unterzogen worden war, wären keine allzu großen Instandhaltungsmaßnahmen – ausgenommen der Einbau eines Aufzuges – vorzunehmen. „Vielleicht gibt es doch noch einen kleinen Hoffnungsschimmer, dieses wertvolle Gebäude zu erwerben oder zumindest mitzunutzen, sollte ein Privat-Investor auftreten. Jedenfalls sollte man den Jöchlsthurn nicht so ohne weiteres aus den Händen geben“, so Delueg zum Abschluss seiner Präsentation. 

  • „Vielleicht gibt es doch noch einen kleinen Hoffnungsschimmer, dieses wertvolle Gebäude zu erwerben oder zumindest mitzunutzen, sollte ein Privat-Investor auftreten.“ 

  • Bürgermeister Peter Volgger: „Wir haben bereits bei mehreren Stellen angeklopft, aber überall nur eine Abfuhr kassiert.“ Foto: SALTO

    Evi Frick von der SVP-Fraktion brachte in der anschließenden Diskussion weitere Vorschläge für Nutzungsmöglichkeiten ein, sollte eine Zusammenarbeit mit dem Versuchszentrums Laimburg scheitern, wie etwa eine Ämterverlegung, die Errichtung einer Außenstelle eines Kompetenzzentrums wie der Eurac oder des NOI-Tech-Parks sowie als weitere Möglichkeit die Einrichtung eines Stadtarchivs. Das Ziel könne man jedoch nur in Kooperation erreichen, „alleine geht es nicht“, so Frick. „Wir haben bereits bei mehreren Stellen angeklopft, aber überall nur eine Abfuhr kassiert“, erklärte Bürgermeister Peter Volgger von der regierenden Liste „Für Sterzing Wipptal“. Zwar sei jeder angetan gewesen, als es konkret um die Sache ging, haben sowohl Landesrat Philipp Achammer, die Laimburg wie auch die Eurac abgewunken. Auch Landeshauptmann Arno Kompatscher habe auf die Anfrage nach einem Beitrag, mit einem Nein geantwortet. Offenbar versuche man alle wichtigen Stellen in Bozen zu konzentrieren und für die Peripherie bleibe nichts übrig, so Volgger. 

  • Nachdem noch weitere Projekte wie der Neubau der eingestürzten Eishalle anstehen, sei es um die Finanzierung eng bestellt. Vonseiten der Buchhaltung lautete die Antwort: „Das schaffen wir nicht.“ Stadtrat Markus Larch plädierte dafür, die verschiedenen Projekte – Eishalle und Jöchlsthurn – nicht gegeneinander auszuspielen. Für beide gebe es einen übergreifenden Konsens. „Ich bin guter Hoffnung, dass wir dieses Juwel für unsere Stadt doch noch sichern können“, so Larch, der auch von Gerüchten berichtete, wonach es bereits einen Kaufvertrag zwischen dem Besitzer und einem privaten Investor geben soll, doch „nichts genaues wissen wir nicht“.

    Das Angebot von SVP-Gemeinderat Daniel Seidner, „Partei-Kanäle“ zu aktivieren, um eine mögliche Nutzung bzw. Finanzierung auszuloten, nahm Volgger dankend an. Bereits in den kommenden Tagen will man sich treffen, um die nächsten Schritte zu besprechen.