Politik | Zukunft

Im Schatten von Europa

Für Arno Kompatscher kommt “Europa zuerst”. Aus Brüssel sendet der Landeshauptmann dieses Signal nach Bozen, wo ihm und der SVP keine einfache Entscheidung bevorsteht.
Arno Kompatscher
Foto: Salto.bz

Wie kann man mit einer Partei, von dem einen im Großen Welten trennt, im Kleinen regieren? Indem man die Zusammenarbeit mit der Lega auf ein territoriales Abkommen beschränkt, meint etwa Ex-SVP-Obmann Siegfried Brugger. Andere warnen davor. Gegen Europa zu sein, wie es die Lega ist, bedeute gegen die Autonomie und am Ende gegen Südtirol zu sein, sagt der Politologe Günther Pallaver.

Ohne Europa kein Südtirol. Diesen Standpunkt vertritt auch Arno Komaptscher. Der Landeshauptmann nützt jede Gelegenheit, die sich ihm dieser Tage bietet, um seine pro-europäische Haltung kundzutun. Wohl nicht zufällig: In Bozen entscheidet sich in den kommenden zehn Tagen, mit wem die SVP die nächsten fünf Jahre regiert. Mit seinen Äußerungen zeigt Kompatscher der Lega, die viele bereits auf der Regierungsbank sehen, Grenzen auf.

Am Bekenntnis zu Europa darf nicht gerüttelt werden. Die Zukunft kann nur eine gemeinsame sein”, mahnt Kompatscher Anfang November bei den Gedenkfeiern zum hundertjährigen Ende des Ersten Weltkrieges in Innsbruck. “Südtirols Begeisterung für die europäische Idee” habe er auch im Gespräch mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker am Freitag in Brüssel unterstrichen. Und nach einem spontanen Treffen mit Sebastian Kurz – der österreichische Bundeskanzler und ÖVP-Parteichef war als aktueller EU-Ratsvorsitzender am Freitag ebenfalls bei Juncker – setzt Kompatscher jetzt eine weitere Marke: “Europa zuerst.”

 

In Sorge

Die Sorgen über den Brexit und den Haushaltsstreit zwischen Brüssel und Rom einten ihn und Kurz, betont Kompatscher. “Der Weg, den die Regierung in Rom einschlägt, ist sehr gefährlich und könnte zu einem bösen Erwachen führen.”

Inzwischen ist der Landeshauptmann wieder in Bozen. Nach den Einzelgesprächen mit Lega und Grünen am Donnerstag trifft er sich am heutigen Samstag gemeinsam mit SVP-Obmann Philipp Achammer mit PD und Grünen. Noch keine Vorentscheidung sei gefallen, werden Kompatscher und Achammer auch nach den Treffen vom Donnerstag nicht müde zu betonen. Eine Allianz mit der Lega für die Europawahlen komme allerdings nicht in Frage – “für mich persönlich”, sagt der Landeshauptmann. Ein weiteres Zeichen dafür, wie er und mit ihm die SVP um einen Weg ringt, Südtirol aus den Konfrontationen, die die Lega mit Europa sucht, herauszuhalten.

 

Im Schatten

Lega oder Grüne-PD? To Brexit or not to Brexit?
Zwei Fragen, zwei Dimensionen. Und doch drehen sie sich im Kern um dasselbe: Weniger Europa oder mehr?
Arno Kompatscher weiß das, weiß, dass er mit der Wahl des nächsten Koalitionspartners der SVP auch ein Signal nach außen sendet. Obwohl er physisch nicht anwesend ist, überschattet ein Mann die Verhandlungen in Bozen: Matteo Salvini.

Wer die vier Personen sind, mit der die SVP regieren wird, wird außerhalb von Südtirol wohl kaum jemanden interessieren.
“Salvini regiert in Südtirol” – das wird die Message sein, die in der Minute, in der sich die SVP für die Lega als Regierungspartner entscheidet, in die Welt gesetzt wird. Dafür wird Matteo Salvini selbst sorgen. So, wie er in der Wahlnacht den Wahlerfolg der Lega im Trentino und in Südtirol als seinen Sieg verkauft hat. Auf Twitter, Facebook und Instagram.

Matteo Salvini ist der, der Europa die Stirn bietet, der “prima gli italiani” ruft, der bei Gleichgesinnten in anderen Ländern große Bewunderung und Hoffnung weckt, Europa zu zerschlagen.
In Südtirol würde die SVP nicht mit der Lega von Massimo Bessone, Carlo Vettori, Giuliano Vettorato und Rita Mattei regieren. Sondern mit der Lega von Matteo Salvini, jenem Salvini, der vom frisch gewählten Spitzenkandidaten der rechtspopulistischen AfD in Deutschland für die Europawahlen als “natürlicher Verbündeter” bezeichnet wird.

 

“Prima gli italiani”, sagt Matteo Salvini. “America first”, sagt Donald Trump. “Europa zuerst”, entgegnet Arno Kompatscher. “Europa zum Sündenbock zu stempeln bedeutet, die Zukunft unserer Kinder im internationalen Wettbewerb aufs Spiel zu setzen. Wenn andere ‘first’ sagen, müssen wir ‘zuerst’ gemeinsam handeln” – so seine Botschaft am Freitag aus Brüssel.

Dort, wo das Herz Europas schlägt, als überzeugter Europäer aufzutreten, ist nicht unbequem. Ob es Arno Kompatscher auch in Bozen schafft, seine pro-europäische Linie nicht vom parteiinternen Fleischwolf zerfleddern zu lassen, steht auf einem anderen Blatt Papier.