Absichtliche Fotografie
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Die Fotografie als Kunsthandwerk ist - dank Digitalfotografie und dem Smartphone im Schlepptau -, seit über zwei Jahrzehnten wieder da wo sie hingehört. Auch wenn die ungeheuren Bilderfluten mittlerweile in einer immensen Geschwindigkeit daherkommen, dass sie Betrachter*innen beinahe erdrückend überfordern, etablierten sich in diesem wirren Zeitabschnitt seit den 2000er Jahren auch fotografische Positionen, die sich wie Gedichte lesen und als dokumentarische Verse, Menschen zum leisen Betrachten bildhaften Stillstands einladen. Eine die das Handwerk der Fotografie zweifels- und einwandfrei beherrscht ist die Mitte der 1980er Jahre in Bozen geborene Franziska Gilli. Ihr bisher zusammengetragenes Œuvre umspannt gesellschaftliche, kulturelle und wirtschaftliche Themen, denen sie sich in freien journalistischen Projekten genauso wie in Auftragsarbeiten widmet. Vergangenen Woche wurde ihr der mit 4.000 Euro dotierte Förderpreis der Walter-von-der-Vogelweide-Preis-Stiftung überreicht. Die Laudatio dazu verfasste die Designerin und Lungomare-Kulturarbeiterin Angelika Burtscher.
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„Ich denke, wir sind uns einig“, meinte Burtscher bildstark und einleitend, „dass wir zuerst sehen und dann erst sprechen können. Zuallererst erschließen sich uns die Wunder und auch Tragödien der Welt durch unsere Augen. Eine weitere Gewissheit besteht darin, dass Bilder unseren Alltag dominieren. Wir begegnen ihnen überall: im öffentlichen Raum, in den sozialen Medien, im Internet, in Zeitungen, im Fernsehen und in Filmen.“ Allerdings würden Bilder es vermögen, lediglich „bruchstückhaft Realitäten wiederzugeben und nur einen spezifischen Ausschnitt der Gesamtheit zu erzählen“, so die Laudatorin.
Franziska betrachtet die Fotografie als ein Werkzeug, das ihr Zugang zu Welten verschafft, die ihr sonst verborgen bleiben würden.
Bilder würden aus einer Vielzahl von Welten „eine Momentaufnahme schaffen“, würden uns „lediglich einen Blick durch das Schlüsselloch" gewähren, das „große Ganze“, so Angelika Burtscher, bleibe „außerhalb unseres Blickfeldes“, und Zusammenhänge könnten „dabei nur schwer erfasst werden.“ Wenn jedoch Bilder „Teil eines narrativen Rahmens und Kontextes werden“, so Burtscher weiter, verändere sich ihre Bedeutung: „Sie nähern sich unserer Realität aus unterschiedlichen Blickwinkeln, wodurch die Vereinfachung der Realität vermieden wird. Es werden keine schnellen Schlussfolgerungen gezogen, sondern vielmehr werden Widersprüche und Komplexitäten zugelassen.“
Die diesjährige Förderpreisträgerin sei eine, „die keine Angst davor hat, die Komplexität der Welt darzustellen“. Im Gegenzug setze Franziska Gilli sich für „eine vielfältige und kritische Sichtweise der Welt“ ein und stelle Fragen. Die Fotografie sei ein „Werkzeug, das ihr Zugang zu Welten“ verschaffe, die ihr (und uns) sonst „verborgen bleiben“ würden. Außerdem ermutige Franziska Gilli die Betrachter und Betrachterinnen dazu, „sich zu positionieren und ihre eigenen Ideen, Muster und Gewohnheiten zu hinterfragen.“Abschließend zitierte Angelika Burtscher in ihrer Laudatio den Satz Eine Fotografie ist nicht Zufall – sie ist Absicht des amerikanischen Fotografen und Autors Ansel Adams. Dessen Worte würden nämlich „die Zugangsweise“ von Franziska Gilli genau widerspiegeln. Über „Fotografie, Themen und Menschen Bedeutung zu verleihen“, bedeute Franziska Gilli sehr viel und so würde sie dies mit ihrer Arbeit „zu einem integralen Bestandteil einer erweiterten Welt“ machen.
Die renommierte Fotografin erlangte erstmals mit der Ausstellung Passengers to nowhere (2014) in der Galerie Foto Forum und dann vor allem mit dem gemeinsam mit der Journalistin Barbara Bachmann herausgegebenen Buch (und einer dazu realisierten Ausstellung) Hure oder Heilige – Frau sein in Italien lokale und internationale Bekanntheit. Dieses große Projekt zeigt das Porträt eines Landes, in welchem starre Geschlechterrollen und Klischees zementiert sind oder zementiert zu sein scheinen.
Wie starr solche Rollenbilder und Stereotype in einer fast durchwegs von alten weißen Männern dominierten Welt festgefahren sind und welche Auswirkungen sie seit Jahrhunderten auf gegenwärtige patriarchal zermürbende Gesellschaftsstrukturen (auch im kleinen Südtirol) haben, dazu kann man sich tagtäglich und immer wieder aufs Neue ein "Bild" machen. Und warum nicht auch mal ein Foto mit dem Smartphone...
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