Politik | Migration

Sozialer Sprengstoff in freiheitlicher Hand

Mit ihrem Landesparteitag am Samstag stellen die Freiheitlichen auch Weichen für den kommenden Landtagswahlkampf. Bereits jetzt steht fest: die Einwanderungspolitik wird ein Thema sein.

Wohngeld, Sozialbeihilfe, Deutschkurse für Migranten:  Die Pressearbeit  der Freiheitlichen in der vergangenen Woche deutet klar darauf hin, dass der Wahlkampf begonnen hat. Angesichts der dynamischen Entwicklung, die die Migration in Südtirol in den vergangenen fünf Jahren genommen hat, wird das Thema bei diesen Landtagwahlen eine stärkere Rolle spielen als je zuvor.  Wer dabei den Ton angeben wird, ist nicht schwer zu erraten. Denn ähnlich wie ihre Schwesterparteien im deutschsprachigen  Ausland beherrschen Ulli Mair  und ihre Parteikollegen die Kunst, das komplexe Thema in einfache und vermeintlich volksgerechte Häppchen aufzubereiten. 

Eine Strategie, die sich in einem Wahlkampf noch stärker zuspitzen lässt. Ist in den kommenden Monaten von den Freiheitlichen also eine ähnlich populistische Kampagne zu erwarten, wie sie in Österreich zuletzt ein Heinz-Christian Strache vorgemacht hat? „Wir werden im Wahlkampf zu allen Themen Stellung nehmen, die den Leuten unter den Nägeln brennen“, antwortet Parteivorsitzende Ulli Mair. „Und es ist zu einfach, immer gleich von Populismus zu sprechen, wenn es um unbequeme Themen geht.“

Doch, wie die Parteivorsitzende beteuert: Es  gehe den Freiheitlichen nicht darum, die Ausländer anzuprangern, sondern die Einwanderungspolitik der Landesregierung. „Wir haben seit zwei Jahren ein Integrationsgesetz, doch passiert ist seitdem nichts“, sagt sie. Statt aus den Fehlern anderer Länder zu lernen, würden die Menschen mit allen Problemen, die aus der Einwanderung entstehen, allein gelassen: von sprachlichen Problemen in der Schule und im Kindergarten über Fragen der kulturellen Integration bis hin zu den Auswirkungen der Migration auf den Proporz.

Vermeintliche Entschärfung 

Dass hier jede Menge sozialer Sprengstoff enthalten ist, liegt auf der Hand, meint Mair. Allerdings stellt sich die Frage, ob die freiheitlichen Antworten geeignet sind, ihn zu entschärfen. Denn wer wie Mair argumentiert, dass „Ausländer, die ins Land kommen, sofort ein Dach über dem Kopf haben, während Südtiroler jahrelang für ihr Eigenheim sparen müssen“, trägt zweifelsohne zum Hochkochen des Themas bei – und verkennt die Realität. Immerhin müssen Migranten in Südtirol fünf Jahre ansässig sein, um überhaupt Anrecht auf Wohngeld oder eine Sozialwohnung zu haben. Doch solche Gegenargumente lässt die Freiheitlichenchefin ungern gelten und fordert vielmehr „die Ansässigkeitsklausel auf mindestens zehn Jahre anzuheben – unter der Voraussetzung, dass sie sich nichts zuschulden haben kommen lassen.“

Es ist diese Mischung aus unterschwelligen Angriffen und dem Aufzeigen tatsächlicher Probleme, die die freiheitliche Rhetorik in der Migrationsfrage dominiert. Das gilt auch für das geschickte Herausfiltern von Sozialdaten zu Wohngeld oder Sozialbeihilfe, bei denen Migranten aufgrund ihrer schwierigen Situation naturgemäß am stärksten vertreten sind. Ein zweifelsohne populistischer Zug , der aber auch reale soziale Probleme der Einwanderer aufzeigt. Ein Einwand, den selbst Mair gelten lässt, wenn auch auf ihre Art. „Wenn es Ausländern, die als Arbeitskräfte ins Land geholt wurden, tatsächlich am schlechtesten geht, frage ich mich, ob wir hier in Südtirol eine moderne Sklaverei haben“,  sagt sie. Hier müsse die Wirtschaft viel stärker zur Verantwortung gezogen werden: „Denn es kann nicht sein, dass billige Arbeitskräfte angeworben werden, und dann die Allgemeinheit die Kosten übernehmen muss“. 

Sicher ist, dass die längst fällige politische Diskussion über das komplexe Thema Migration in Wahlkampfzeiten nicht sachlich geführt werden kann. Vor allem wenn die Themenführerschaft bei einer Partei wie den Freiheitlichen bliebt.  Das lässt Ulli Mair klarerweise nicht gelten. „Wir könnten genauso kritisieren, dass sich keine andere Partei um diese Thema kümmert.“