Kultur | SALTO Gespräch

„Ich wollte auf die Bühne“

Die Schauspielerin Barbara Romaner übernimmt eine der Hauptrollen im VBB-Stück "Monte Rosa". Ein Gespräch über Bergsteigen, Briefwählen, Zweisprachigkeit und Gipfelerlebnisse.
Barbara Romaner
Foto: Nils Schwarz
  • SALTO: Haben Sie schon gewählt? Sie sind ja seit Jahren im Ausland und haben Anrecht auf eine Briefwahl…

    Barbara Romaner: Ja, für diese Wahl hab ich meine Stimme abgegeben. Früher hab ich die Möglichkeit einer Briefwahl nicht in Anspruch genommen.

    Warum?

    Aus Überforderung? Aus Desinteresse? Keine Ahnung. Dieses Mal hab ich gewählt. 

    Dieses Mal hätten Sie auch in Südtirol wählen können. Sie proben ja gerade für die nächste Produktion der Vereinigten Bühnen Bozen, Monte Rosa…

    Das hängt auch irgendwie damit zusammen. Ich wollte eigentlich nicht wählen, bekam aber im Vorfeld – durch meinen beruflichen Aufenthalt in Bozen – wieder einiges mit, was in Südtirol passiert. So hab ich mich entschieden, was und wen ich wähle, sowie für die Briefwahl vorab. Ich bin auch sehr stolz darauf, dass ich gewählt habe.
     

    Nachrichten schauen entspannt mich nicht, sondern nimmt mich voll mit. 


    Woher nun das Interesse?

    Weil ich eben mehr in Südtirol war und auch Gespräche mitverfolge. Ich fand das früher immer schwierig, meine Stimme abzugeben, in einer Sache, wo ich mich nicht so auskenne. Das war sicher ein Fehler.

    Hat Sie Politik nie interessiert?

    Gar nicht. Überhaupt nicht. Ich war eher darum bemüht, Politik auszuklammern. Auch wenn in meiner Herkunftsfamilie immer sehr politisiert wurde, war Politik nicht das meine. Ich schaue auch keine Nachrichten, bin wirklich ein seltsamer Mensch, der auch um seine Seltsamkeit Bescheid weiß. Ich habe zum Glück Leute um mich herum, die mir die wichtigsten Dinge die passieren, mitteilen. Etwa mein Mann oder meine Mutter…

    Warum das Fernhalten von Nachrichten zum Weltgeschehen?

    Immer wieder wenn ich versucht habe Nachrichten zu verfolgen, da fühlte ich mich so heruntergezogen. Das Mitbekommen vieler Dinge verwirrte mich. Es liegt auch nicht in meinem Naturell, Nachrichten schauen entspannt mich nicht, sondern nimmt mich voll mit. Ich verliere mich dann und hab mich deshalb entschieden auch nicht auf Instagram oder Facebook zu sein. Ich lebe lieber zurückgezogen. Ich bin schon mit mir so sehr beschäftigt.

  • ABC des Monte Rosa: A wird gespielt von Barbara Romaner, B von Margot Mayrhofer, C von Jakob Egger Foto: VBB

    Was interessiert Sie dann wirklich? Welche Wirklichkeiten?

    Ich bin eine projektbezogene Enthusiastin. Als ich vor Jahren im Film zu Gustav Mahler gespielt habe, da habe ich mir während der Vorbereitungszeit viel Biografisches zu Mahler und vor allem auch seine Musik reingezogen. Nach dem Projekt ist dann aber auch alles vorbei. Es ist schon vielleicht auch so, dass wenn ich nicht arbeite, dass mir die Impulse fehlen, mich für Dinge zu begeistern. Jetzt momentan beschäftige ich mich mit dem Bergsteigen, weil das auch mit dem Theaterstück Monte Rose zu tun hat. Wenn ich hingegen auf mich alleine gestellt bin, dann tanze ich seit zwölf Jahren halt sehr um meine drei Kinder. Das ist sicher schön, aber auch manchmal ein bisschen zu wenig. Was ich aber von mir sagen kann: ich bin eine Leseratte. 

  • Sie beschäftigen sich derzeit intensiv mit dem Bergsteigen. Welche Rolle spielten die Berge früher für Sie? 

    Schon eine große Rolle. Ich liebe die Berge. Aber ich musste nach der Matura dennoch fort von Südtirol, denn die Berge haben mich erdrückt, nahmen mir die Luft zum Atmen. Jetzt hat sich das geändert. 

    Wie befreiend war das Leben ohne Berge?

    Das war schon befreiend. Über das Theater näherte ich mich dann wieder den Bergen. Beispielsweise in der Rolle als Geierwally im Stück von Felix Mitterer. Das war 2005. Oder beim Film Luis Trenker – Der schmale Grat der Wahrheit, da beschäftigte ich mich sehr mit den Bergen und bin voll in die Thematik eingetaucht. Ich selbst hab das Wandern aber noch nicht so sehr entdeckt.

    Gipfelerlebnisse in der Südtiroler Bergwelt waren in Ihrer Jugend also nicht so das Ihre?

    Als Kind war ich mit meiner Familie viel in den Bergen, aber als Jugendliche interessierte mich das nicht. Ich fand früher auch Sonntage schwierig.
     

    Nicht jedes Gipfelerlebnis muss öffentlich sein.


    Bleiben wir bei den Bergen, bei Monte Rosa…

    Bei diesem Stück – und das finde ich schon auch übertragbar auf mich –, geht es schon auch auch darum, wo denn deine Berge im Leben sind? Was ist für dich ein Gipfelerlebnis? Warum wollen wir immer höher hinaus? Was kannst du oben am Gipfel erleben, was du unten nicht erleben kannst? 

    Was ist Ihr berufliches Gipfelerlebnis?

    Das war sicher der Film Mahler auf Der Couch, in welchem ich die Alma spielte. Da konnte ich jegliche Sehnsucht, Unterdrückung, Verzweiflung, Liebe, Hingabe, Schwärmerei, Euphorie, alles hineinpacken. 

    Sie lernten beim Dreh zu diesem Film auch Ihren Mann kennen. Also auch ein privates Gipfelerlebnis?

    Wir kannten uns schon vorher. Als wir besetzt wurden, waren wir noch nicht zusammen, als wir gedreht haben, waren wir bereits zusammen. 

    Sie wollten Musikerin werden und haben Klavier am Konservatorium Bozen studiert?

    Dazu hatte ich wohl zu wenig Talent. Habe lediglich brav durchgehalten. Jahre später habe ich aber für mich ein wichtiges Gipfelerlebnis erreicht, weil ich selber für mich ein paar Lieder geschrieben und für mich die Musik wiederentdeckt habe.

    Und veröffentlicht?

    Nein, das würde ich nie machen. Nicht jedes Gipfelerlebnis muss öffentlich sein. Die Lieder spiele ich meinen Kindern vor. Auch wenn sie sie schon gar nicht mehr hören können.

  • Foto: VBB

    Sie spielen in Monte Rosa A?

    Ja A. Auch B wird von einer Frau gespielt, C von einem Mann. Die Regisseurin Susanne Frieling wirft einen sehr weiblichen, klugen und lustigen Blick auf das Stück von Teresa Dopler.

    Sie haben die Bühne gesucht?

    Ich wollte auf die Bühne, ich wollte zum Schauspiel. Mich faszinieren Theatertexte, diese Seelenverwandten die da ihre Sehnsucht, ihren Schmerz, ihre Verzweiflung, ihre Freude zu Papier bringen. 

  • Die Zweisprachigkeit in Südtirol hat in Ihrer Jugend auch eine wesentliche Rolle gespielt. Warum?

    Ja, das stimmt. Und das ist mir auch heute noch ein großes Anliegen. Ich liebe diese Zweisprachigkeit, weil ich damit groß geworden bin und weil ich es liebe zu Wasser Wasser, aber auch Acqua, zu sagen. Ich genieße das zweisprachige Umfeld hier. Bevor ich aus Südtirol weggezogen bin, war ich perfekt zweisprachig, mittlerweile ist mein Italienisch etwas eingerostet. Aber hätte ich damals eine Freundin gehabt, die mir zu einer Schule nach Bologna geraten hätte, wäre ich vielleicht dorthin gegangen. So bin ich eben nach Hamburg, Berlin und dann nach München.
     

    Manchmal sind viele Worte auch zu viel.


    Sie wollten auch mal Regisseurin werden. Was ist von diesem Traum geblieben?

    Das stimmt. Ich hab das einmal verfolgt. Die Erfahrung hat mir dann aber auch gezeigt, dass ich das nicht will und dass mir das zu anstrengend ist. Im Zuge dieser frühen Orientierungsphase hatte ich auch mal hier bei den VBB bei Thomas Seeber was in Richtung Regieassistenz angedacht gehabt.

    Spielt der Regiegedanke noch eine Rolle?

    Nein, nicht mehr. Ich bin geheilt. Ich genieße es und finde es gut, wenn ich von einem Regisseur oder einer Regisseurin gut geführt werde, das ist so, wie wenn mir jemand die Badewanne volllaufen lässt und ich kann dann ins warme Wasser.

    Haben Sie schon mal ein Stück des Norwegers Jon Fosse gespielt, dem Literaturnobelpreisträger 2023? 

    Ich habe einmal eine Inszenierung erlebt, habe aber noch nie bei einem Fosse-Stück mitgewirkt.

    Seine Stücke beeindrucken durch wenig Text und fast quälende Pausen…

    Der Text ist die Spitze des Eisberges, sagte einmal mein Schauspielschullehrer. Manchmal sind viele Worte auch zu viel.

  • Barbara Romaner: „Was ist für dich ein Gipfelerlebnis? Warum wollen wir immer höher hinaus? Was kannst du oben am Gipfel erleben, was du unten nicht erleben kannst?“ Foto: Nils Schwarz
  • Nach dem Stück "Der Tod in Venedig" feiert am 27. Oktober das nächste VBB-Stück der Saison im Stadttheater in Bozen seine Premiere. Die Bergsteiger*innen A, B und C messen sich unter der schneebedeckt–glitzernden Bergspitze des Monte Rosa. Gut gedehnt erjagen sie mit gnadenlosem Optimismus gierig Gipfel um Gipfel. Begegnungen bleiben zufällig, Gesichter sind schnell vergessen. Hier gelten fragwürdige Werte und eigenartige Umgangsformen. Gesundheit, Alter, Fitness sind die ausschlaggebenden Kriterien. 
    Infos und Karten: VBB