Ausflug | umgang mit der natur

Ist der Salten noch zu retten?

Wie langsam einer der schönsten Plätze Südtirols kaputtgeht.
So schauen geschnaitelte Lärchen aus, wie übergroße Pinsel
Foto: Oswald Stimpfl

Herrliche Herbsttage, golden gefärbte Lärchen und grüne Wiesen vor blauem Himmel, als Kulisse im Osten die vom ersten Schnee angezuckerten Dolomiten, im Westen Adamello, Brenta und Ortler: ein Traumbild, die Welt scheint in Ordnung zu sein! Ich bin auf dem Salten unterwegs, im Herzen Südtirols, einem Stück Landschaft der Superlative. Aber bei genauerem Hinschauen zeigen sich Widersprüche. Die Grundbesitzer, also die Bauern, reizen die Möglichketen zur Nutzung der Flächen bis zum Exzess aus, ihnen kann man keinen Vorwurf machen, sie bewegen sich im Rahmen der Vorschriften. Es ist die Politik, die Landesverwaltung gefragt, die Gesetze bzw. Vorschriften erlässt, die solche Spielräume ermöglicht. Die Lärchen werden gestutzt, „geschnaitelt“ heißt der Fachausdruck, bis zu 50% der Stammhöhe soll das anscheinend erlaubt sein. Ein Großteil der Lärchenwiesen ist mit solch verstümmelten Bäumen bestanden, wie Pinsel ragen sie auf den glatt gebügelten, „meliorierten“ Wiesen, wo jeder Stein und Buckel abgebaggert wurde, auf.

 

Hohe Bretterzäune grenzen die Wiesen ab, alte Steige, wie der vom Gasthaus Edelweiß zu den ersten Saltenwiesen werden oft abgesperrt und mit Stangen und Draht abgeriegelt, Schilder angebracht mit: Durchgang verboten, Privat usw., Wegweiser der Wanderwege absichtlich abmontiert.

 

Alte Scheunen werden durch neue ersetzt. Früher standen diese wettergeschützt in Mulden, jetzt werden sie in aussichtsreicher Position neu errichtet, das Heu (das darin mit Sicherheit nicht gelagert wird, es wird ja mit den Heuladern sofort abtransportiert) braucht scheinbar Dolomitenblick. Früher stand die Kochhütte etwas von der Scheune entfernt, plötzlich haben die neuen Hütten alle einen Kamin, muss das Heu im Backofen getrocknet werden? Im Sommer sind die Wanderer dem Autoverkehr ausgesetzt  – ja, die Grundbesitzer rollen dann mit ihren Autos zu den Freizeithütten, den Scheunen –, an, Wanderer haben da einen schweren Stand. Jetzt im Herbst herrscht große Betriebsamkeit, LKW für Fertigbeton wirbeln Staubfontänen auf, es wird fleißig gebaggert, gegraben, gestreut und gespritzt. Fotos können den Geruch nicht einfangen, es wird auf Teufel komm raus gedüngt (Gülle und Mist ausgebracht). Um die Bäume wird in solchen Mengen Mist aufgeschüttet, dass die Lärchen mit Sicherheit absterben. Auf den früher blumenreichen Wiesen wächst artenarmes Grünfutter, die einzigen Blumen sind im Frühjahr der Löwenzahn, Ausdruck einseitiger Überdüngung. Abgestorbene Bäume werden nicht mehr ersetzt, sonst wäre es nicht möglich, dass es fast keine jungen Bäume gibt und wie durch ein Wunder nach etlichen Jahren große Wiesenflächen baumfrei sind.

 

Das alles geschieht, damit ein paar Ladungen Grünfutter mehr geerntet werden können. Wie gesagt, die Bauern nutzen nur die Spielräume aus, die ihnen die Regeln geben. Aber dass die hoch subventionierte Berglandwirtschaft zu einer fragwürdigen Umgestaltung eines der schönsten Plätze Südtirols beiträgt wäre schon zu hinterfragen. Anstatt Beiträge für Meliorierung, Zufahrtswege, Scheunen auf dem Salten (die erwiesenermaßen mehr als Freizeiteinrichtungen genutzt werden) auszuschütten, sollte es, wenn es das braucht, doch andere Möglichkeiten der Subventionierung mit den Steuergeldern Aller geben. Müssen die Bauern, die sich gern als Schützer und Behüter der Landschaft ausgeben, durch wirtschaftliche Überlegungen gezwungen werden, diese kaputt zu kultivieren? Wo bleiben die Umweltschützer, warum schauen die weg, sieht das Niemand? Dass die Gemeindeverwalter in einem Dorf, wo die Bauern alles bestimmen, einen schweren Stand haben, ist zu verstehen. Gesetzte und Verordnungen sind schließlich nicht in Stein gemeißelt, so wie sie geschaffen wurden, könne sie auch geändert und angepasst werden, ohne dass man den Bauern etwas wegnehmen muss. Oder bin ich einfach zu altmodisch mit meinen Ansichten?