Unantastbar?
“Wir hätten den Inhalt des Gutachtens ja lieber im Landtag präsentiert bekommen”, gestehen einige der Landtagsabgeordneten, die am Montag Vormittag im Damensalon des Bozner Nobelhotel “Laurin” warten. Gekommen sind sie, wie zahlreiche Medienvertreter, um Karl Zeller, Francesco Palermo und Hans Berger anzuhören. Ursprünglich hätten drei Senatoren – und Mitglieder der Autonomiegruppe im römischen Senat – tatsächlich im Landtag den Inhalt des so genannten Falcon-Gutachtens präsentieren sollen. “Leider war es nicht möglich, einen Termin zu finden”, meint Karl Zeller lapidar. Er hat sich mit seinen Kollegen dafür entschieden – wie Anfang August in Aussicht gestellt –, das Gutachten auf einer Pressekonferenz vorzustellen.
Doch worum geht es nun? “Um viel mehr als man denken könnte”, kündigt Zeller an. Doch der Reihe nach: Im so genannte “Monti-Dekret” aus dem Jahr 2011 ist ein Höchstrahmen festgelegt, in dem sich die Gehälter von Landeshauptmann und Landesregierung bewegen müssen. Für Südtirol bedeutet das eine Höchstgrenze von 13.800 Euro brutto monatlich (Landeshauptmann Arno Kompatscher verdient derzeit rund 19.200 Euro). Die Frage, die nun im Raum steht, ist: Müssen die Politiker-Gehälter in Südtirol, wie die anderen italienische Regionen, dem Monti-Dekret entsprechen? Oder bewahrt die Sonderautonomie das Land davor? Der Ball liegt beim Landtag – und die Zeit drängt. Denn Südtirol ist eine der wenigen unter den Provinzen und Regionen Italiens, die bei der Umsetzung hinterher hinkt.
Hans Berger, Karl Zeller und Francesco Palermo, festgehalten von Walter Blaas. Der Fraktionssprecher der Freiheitlichen war einer der zahlreichen Zuhörer am Montag Vormittag.
Geht es nach Giuseppe Caia, lässt die Rechtslage keinen Interpretationsraum zu: “Zwingend” müssten auch Provinzen und Regionen mit Sonderstatut die im Monti-Dekret festgeschriebenen Vorgaben einhalten und die Gehälter der Landesregierung entsprechend kürzen. Zu diesem Schluss kommt der Jurist in einem Rechtsgutachten, das Landtagspräsident Thomas Widmann in Auftrag gegeben hat. Demnach dürfe auch Südtirol die staatlichen Richtlinien “nicht missachten”.
Verpflichtung, aber keine Pflicht
Zu einem ganz anderen Schluss kommt Giandomenico Falcon in seinem eigenen Gutachten, das er auf Bitte von Karl Zeller, Francesco Palermo und Hans Berger angefertigt hat. Darin unterstreicht Falcon, dass Südtirol nichts zu befürchten habe wenn es in Finanzfragen eigenmächtig gesetzgeberisch tätig wird. Grund dafür: Die Umsetzung des Monti-Dekrets sei ein “onere”, eine Verpflichtung, aber kein “obbligo” also keine Pflicht. Dazu die Ausführung von Karl Zeller: “Keine der Regionen mit Sonderstatut muss sich an das Dekret halten. Kommen die darin festgelegten Vorgaben nicht zur Anwendung, sind allerdings Sanktionen vorgesehen. In diesem Fall kürzt der Staat seine direkten Transferzahlungen an die Regionen.” Seit Südtirol aber seit 1. Jänner 2010, dem Tag als das Mailänder Abkommen in Kraft getreten ist, “keinen einzigen Cent aus dem Staatshaushalt, sondern nur mehr die Beteiligung an den Steuern von Rom” erhält, “kann der Staat der Provinz Bozen nichts kürzen”, so Zeller. “Das sagt der Verfassungsgerichtshof selbst in einem Urteil von 2014.” Somit ergebe sich aus dem Monti-Dekret für Südtirol eine “rechtliche Verpflichtung ohne Sanktion”, beschreibt Palermo. Eine weitere Garantie bildet laut Zeller der Stabilitätspakt von 2015, in dem die Verpflichtungen gegenüber Rom klar definiert seien.
Mit dem Monti-Dekret gebe der Staat demnach ausschließlich einen Rahmen vor, “innerhalb dessen die Provinz Bozen dank ihrer Sonderautonomie tun und lassen kann, was sie will”. Auch der Rechnungshof, vor dem auf den Fluren des Landtags die Angst umgeht, habe “keinerlei Befugnis, den Landtag zum Handeln zu zwingen”, beruhigt Zeller die anwesenden Landtagsabgeordneten.
Spielräume ausreizen
Der Landtag ist demnach, folgt man der Interpretation Falcons, frei, über die Höhe der Gehälter der Landesregierung zu entscheiden sie zu senken, oder auch zu erhöhen – falls er will. Geht es nach Karl Zeller, sollte sich der Landtag sehr wohl Gedanken machen, das demokratische Gefüge in Südtirol “auf neue Beine zu stellen” und an die sich nicht zuletzt durch das Monti-Dekret geänderten Rahmenbedingungen anzupassen.
Sein Rat an die Landtagsabgeordneten: Ein Landesgesetz mit einem Gesamtkonzept für die neue Finanzierung der demokratischen Institutionen ausarbeiten – im besten Fall “parteiübergreifend und ohne Populismus”. Somit könnte der Landtag selbst festlegen, wem er mehr oder weniger Gelder zukommen lassen will – seien es nun die Abgeordneten selbst, die Landesregierung, die Fraktionen oder sonstige Ausgabenposten. Und würde es der Landtag in diesem (hypothetischen) Gesamtkonzept schaffen, sich an die Sparziele des Monti-Dekrets zu halten, sprich mit den autonom festgelegten Ausgaben für die Landtagsfraktionen, Personal, Beratungen und so weiter, eine gewisse Summe nicht überschreiten, “dann wird der Staat sicherlich nicht dagegen vorgehen”, zeigen sich die drei Senatoren überzeugt. Falls doch, solle es der Landtag darauf ankommen lassen. Denn: Alles in allem gehe es weniger darum, die Vorgaben aus Rom zu missachten als vielmehr “die Spielräume, die Südtirol als autonome Provinz hat, zu nutzen und sich nicht eine Entscheidung aufdrängen zu lassen”, wie Hans Berger erklärt. Wenn der Landtag die Politiker-Gehälter kürzen will, dann sei das seine Entscheidung, aber sich vom Monti-Dekret “eine eine Entscheidung aufdrängen zu lassen”, davor warnen die Senatoren. Sie appellieren an die Landtagsabgeordneten, “das Risiko einzugehen, eine Anfechtung zu provozieren”. Denn die Sonderautonomie und die Arbeit, die dahinter stecke sei zu wertvoll, um nun vor Rom – Zitat Zeller – “die Hosen runter zu lassen”.
Die Unterschrift von Giandomenico Falcon unter seinem Gutachten vom 13. Juli 2016.
Es geht um mehr
Geht es also nach den drei Senatoren, soll der Südtiroler Landtag, wie bereits in der Vergangenheit geschehen, die autonomen Befugnisse des Landes ausreizen. Ansonsten sehen Zeller, Palermo und Berger ihre eigene Arbeit in Gefahr beziehungsweise in Frage gestellt. “Wir waren überrascht, als wir von der Auslegung hörten, nach der das Monti-Dekret in Südtirol eins zu eins anzuwenden sei”, gesteht Zeller, “denn das würde im Umkehrschluss bedeuten, dass in Zukunft ohne Wenn und Aber staatliche Vorgaben umgesetzt werden und die Schutzklausel, die wir in Rom erwirkt haben, völlig nutzlos wäre”. Francesco Palermo bestätigt: “80 Prozent unserer Arbeit im Senat zielt darauf ab, die Autonomie zu festigen und auszubauen. Daher der große Wille unsererseits, unsere Arbeit zu verteidigen.” Auch Hans Berger bricht eine Lanze für die Arbeit der Autonomiegruppe im Senat: “Wir versuchen in Rom die Basis zu legen, damit Südtirol gesetzgeberisch tätig werden kann. Jetzt sollte das auch genutzt werden!”
Zumindest der am Montag Vormittag anwesende Fraktionssprecher der SVP im Landtag, Dieter Steger, gibt seinen Parteikollegen und Francesco Palermo ein Versprechen: “Es ist mir ein großes Anliegen, dass der Landtag für die eigene Autonomie kämpft.” Wird sich die SVP im Landtag also gegen eine Kürzung der Politiker-Gehälter aussprechen? Und das, obwohl der entsprechende Vorschlag, der seit mehreren Monaten am Tisch liegt, von Thomas Widmann und somit aus den eigenen Reihen kommt? Darüber verrät Steger im Laurin nichts, erinnert jedoch daran, dass der Südtiroler Landtag bereits “einer der günstigsten im gesamten Staat, aber auch im Vergleich zu anderen Bundesländern wie jenenn in Deutschland und Österreich ist”.
Die Senatoren lassen durchblicken, dass es in der aktuellen Debatte für sie um “viel mehr als die Frage der Politiker-Gehälter” geht. Nämlich “um die grundsätzliche Frage, ob es tatsächlich so ist, dass der Landtag sämtliche staatlichen Bedingungen eins zu eins anwenden muss”. Würde der Landtag dem Caia-Gutachten – und somit diesem Prinzip – folgen und “glauben beziehungsweise akzeptieren, dass er nichts zu sagen hat”, schwant Zeller, “Verheerendes”. Eine dynamische Entwicklung der Autonomie würde dann in weite Ferne rücken: “Und wir könnten wir uns in Rom zurücklehnen”.
Ach wie herrlich die drei
Ach wie herrlich die drei honorigen Herren,das Thema Politikergehälter wieder mit dem Autonomiestatut in Verbindung bringen,so kann man auch Themen kaschieren,ZUM SCHÄMEN! Es geht euch einzig und allein ums GELD und nichts anderes,gebt es mindestens zu!!!!! Wer hat übrigens die Studie BEZAHLT???????Herr Dieter Steger,na was ist jetzt,warum sagen sie nichts ob die Politikergehälter in dieser Höhe bleiben,oder ob die armen Politiker trotzdem auf NICHTSverzichten wollen und wieder einmal alles totschweigen und hoffen dass das Volk vergisst,dass nichts gekürzt wird und wurde!!!!!!!!!!!
Schön und gut, dass der
Schön und gut, dass der Landtag die eigenen Gehälter und jene der Landesregierung selbst bestimmen kann. Es muss halt verhältnismäßig sein! Mag sein, dass die Abgeordneten keine Spitzenverdiener mehr sind, die Landesräte und der Landeshauptmann verdienen immer noch mehr, als ihre Kollegen in Trient (selbe Sonderautonomie) und beide verdienen mehr als Governatori und Assessorei in den anderen Regionen. Wie will man das rechtfertigen?
Andererseits: warum soll der LH nur einen Bruchteil des Direktors der Sparkasse verdienen? Aber wahrscheinlich verdient dieser zu viel und müsste sich an das Gehalt des LH anpassen!
Herr Sepp Bacher,ich glaube
Herr Sepp Bacher,ich glaube man spricht nicht mehr vom VERDIENEN,sondern nur mehr von UNVERHÄLTNISMÄSSIGKEIT,wie sie es RICHTIG interpretiert haben. Ich bin schockiert,wie unsere Politiker/innen unsere Steuergelder "VOLL BEWUSST" abkassieren und nichts leisten!!!!!(Ausnahme bestätigt die Regel)SEHR SELTEN!!!!!! Und interessant ist ,wie sie sich um "NUR IHRE GELDER" wehren,und sonst um gar nichts!!!!!Skandalös!!!!!!!
Juristische Spitzfindgkeiten
Juristische Spitzfindgkeiten hin oder her: Das Bild, welches durch dieses Gutachten (und durch die Notwendigkeit eines solchen Gutachtens) bestätigt wird, ist ein ziemlich verkorkstes: Die Bestimmungen zur Autonomie sind dermaßen konfus und schwammig, dass die Senatoren allen Ernstes empfehlen, eine Gesetzesbestimmung zu brechen, nur weil keine Sanktion (oder eine inzwischen zahnlose Sanktion) vorgesehen ist.....
Wieso schaffen wir (bzw. sie....) es nicht, Regeln einzufordern, die nicht nur angemessen sind, sondern zu deren Einhaltung uns die Politiker dann auch animieren können?