Schulamtsleiterin außen vor gelassen

-
Im vergangenen Herbst hat die Südtiroler Volkspartei (SVP) einen parteiinternen Arbeitstisch zum Thema Muttersprachenunterricht eingerichtet. Seitdem wurden Elternvertreter und Schuldirektoren angehört – nicht jedoch die Schulamtsleiterin der deutschen Schulen in Südtirol, Sigrun Falkensteiner. Das bestätigte sie gegenüber SALTO und zeigte sich überrascht über ihre Nichtbeteiligung. „Ich habe in meiner Funktion als Schulamtsleiterin immer versucht, partei- und politisch unabhängig zu bleiben – das gehört zu meinem Amt“, so Falkensteiner. Sie habe die Arbeitsgruppe als parteiintern wahrgenommen und habe daher darauf geschlossen, dass eine unabhängige Einbindung nicht vorgesehen sei. „Ich kenne weder ein Abschlussdokument noch einen Zwischenbericht – nur das, was in den Medien darüber berichtet wurde.“ Auch auf ihre Rückfragen hin habe sie keine Informationen zur Zusammensetzung der Arbeitsgruppe oder zu den hinzugezogenen Experten erhalten. „Wir in der deutschen Bildungsdirektion arbeiten ständig mit Fachleuten und Studien. Ein Abgleich wäre wichtig gewesen“, hält Falkensteiner fest.
-
Harald Stauder, Fraktionssprecher der SVP: Vor Kurzem hat der SVP-Arbeitstisch einen ersten Zwischenbericht vorgelegt, in dem der Vorschlag lanciert wurde, Vorschulklassen einzurichten, in denen gezielter Sprachunterricht stattfinden sollte. Foto: SVP
Zum Vorschlag der Arbeitsgruppe, Vorschulklassen mit gezieltem Sprachunterricht einzuführen, äußerte sich Falkensteiner skeptisch: „Solche Klassen, die nur für bestimmte Kinder vorgesehen sind oder nach Sprachkenntnissen zusammengestellt werden, sind mit der aktuellen Gesetzeslage nicht vereinbar.“ Der gesetzliche Rahmen sehe ein für alle Kinder definiertes Alter für den Schuleintritt vor, ebenso gebe es geregelte Klassenstufen und keine vorbereitenden oder rückstufenden Klassen. „Die Idee, dass Kinder erst eine Vorschulklasse durchlaufen müssen, bevor sie in die erste Klasse dürfen, ist rechtlich nicht haltbar.“
Was die Qualität des Muttersprachenunterrichts in Südtirol betrifft, warnt Falkensteiner vor einseitigen Darstellungen. „Vieles ist subjektive Wahrnehmung. Ich verstehe die Sorge der Eltern – jeder will das Beste für sein Kind. Aber es ist nicht hilfreich, Ängste zu schüren.“ Kinder hätten unterschiedliche Zugänge zum Lernen – unabhängig davon, ob sie in Bozen oder in einem Bergdorf aufwachsen.
„Vieles ist subjektive Wahrnehmung. Ich verstehe die Sorge der Eltern – jeder will das Beste für sein Kind. Aber es ist nicht hilfreich, Ängste zu schüren.“
„Viele Kinder wachsen in Südtirol mit Dialekt auf – für sie ist Hochdeutsch oft die erste Fremdsprache.“ Manche hätten einen schnelleren Zugang zu mehreren Sprachen, andere bräuchten mehr Zeit. Deshalb sei es wichtig, wissenschaftliche Erkenntnisse und praktische Erfahrungen aus anderen Ländern ernst zu nehmen. „Sprachforschung zeigt: Man lernt Sprachen am besten, wenn man täglich mit ihnen in Kontakt ist und wenn eine grundsätzlich inklusive, nicht wertende Haltung allen Sprachen gegenüber da ist. Klassen nur nach Sprachkenntnissen zu bilden, ist kein sinnvolles Konzept.“ Ein Beispiel dafür sei die Grundschule in Franzensfeste, die erfolgreich mit einem mehrsprachigen Ansatz arbeite.
Sigrun Falkensteiner, Schulamtsleiterin der deutschen Schulen: „Ich hoffe, dass die vorhandene Expertise im Land genutzt wird – etwa durch die EURAC oder die Fakultät für Bildungswissenschaften. Wenn Maßnahmen ausgearbeitet werden, sollten auch die Stimmen derjenigen gehört werden, die sich wissenschaftlich mit Sprache befassen.“ Foto: Sigrun Falkensteiner„Dort wird Deutsch klar als Unterrichtssprache vermittelt, aber andere Sprachen der Kinder werden nicht abgewertet, sondern bewusst aufgezeigt, gewürdigt und als Ressource genutzt.“ Es gebe keine Hinweise darauf, dass deutschsprachige Kinder in Bozen schlechter Deutsch lernen als Kinder auf dem Land. „Tatsächlich lernen sie vergleichsweise meist besser Italienisch als Kinder in peripheren Ortschaften – weil sie mehr damit in Kontakt kommen. Das bedeutet aber nicht, dass sie deshalb schlechter Deutsch sprechen“, stellt Falkensteiner klar. Auch in den deutschsprachigen Oberschulen in Bozen würden keine Unterschiede festgestellt, die etwa Jugendliche vom Land den Städterinnen und Städtern sprachlich deutlich überlegen zeigen würden.
Falkensteiner hofft, dass bei konkreten Maßnahmen aus dem Arbeitskreis auch die deutsche Bildungsdirektion einbezogen wird. „Und ich hoffe, dass die vorhandene Expertise im Land genutzt wird – etwa durch die EURAC oder die Fakultät für Bildungswissenschaften. Wenn Maßnahmen ausgearbeitet werden, sollten auch die Stimmen derjenigen gehört werden, die sich wissenschaftlich mit Sprache befassen.“
Das beinhaltet auch, dass man nicht jeden Fehler, den andere Länder gemacht haben, wiederholen müsse, sondern von guten Ansätzen aus dem Ausland lernen könne. Und Falkensteiner unterstreicht: „Es kommen Delegationen zu uns, um sich unser Sprachmodell anzusehen: Sprachenzentren, Sprachlehrpersonen, ein Fortbildungsangebot für verschiedene Zielgruppen – das zeigt, dass wir vieles richtig machen. Vielleicht reden wir zu wenig darüber und überlassen das Feld den Ängsten.“
Weitere Artikel zum Thema
Society | BildungMehr Deutsch vor dem Schuleintritt
Politics | Bildung„Es frustriert mich sogar“
Society | BildungDie Schlüsselfrage
ACHTUNG!
Meinungsvielfalt in Gefahr!
Wenn wir die Anforderungen der Medienförderung akzeptieren würden, könntest du die Kommentare ohne
Registrierung nicht sehen.
Wen wunderts. Das Schulamt…
Wen wunderts. Das Schulamt ist in dieser Angelegenheit nicht besonders aktiv gewesen, sondern eher als braver Empfehlsempfänger von oben aufgefallen. So wird weiterhin versucht, alles schön unter den Teppich zu kehren. Ah ja, und der AK kündigt noch dazu an, auch bei der Schule zu sparen. Na bravo.
Muttersprache wäre ja…
Muttersprache wäre ja Dialekt. Somit ist die Bezeichnung „Muttersprachenunterricht“ obsolet.
Antwort auf Muttersprache wäre ja… von Arne Saknussemm
Als Muttersprache sind in…
Als Muttersprache sind in Südtirol in den meisten, aber nicht in allen Fällen verschiedene Varianten der südbairischen Dialektvarietäten üblich, mit Einflüssen aus dem Alemannischen (Vinschgau) und dem Rätoromanischen (Lüsen, Villnöß, Kastelruth, Pustertal). Im städtischen Bürgertum und in der adligen Bevölkerung (letztere macht immerhin sechs Prozent der Südtiroler aus) war immer eine deutsche Standardsprache, natürlich mit Tiroler Akzent, üblich. Da gilt auch für den kirchlichen Bereich. Auch der kirchliche Volksgesang war seit Jahrhunderten immer in der jeweiligen Standardsprache. Es ist daher vollkommen falsch, den Dialekt (welchen ?) als die Muttersprache aller Südtiroler zu bezeichnen.
Antwort auf Als Muttersprache sind in… von Hartmuth Staffler
Die Einflüsse aus dem…
Die Einflüsse aus dem Rätoromanischen sind wohl als marginal zu bezeichnen.
Das beweist wieder einmal…
Das beweist wieder einmal wie Schwach die SVP Landesregierung und der für das Schulwesen zuständig Landesrat Lachhammer sind. Aber der Schullandesrat hat ja momentan andere Probleme.