Die Notlösung
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Der Bauer soll zukünftig in den Natura-2000-Gebieten in erster Linie die Landschaft pflegen und nicht mehr als Lebensmittelproduzent tätig sein. Auf dieses Ziel scheint der neue Fachplan für die Natura-2000-Gebiete hinauszulaufen. Wie berichtet, hat die Landesregierung Ende November ein Genehmigungsverfahren zu den umfangreichen Zielen und Maßnahmen für die „Besonderen Schutzgebiete“ (Natura-2000-Gebiete) in Südtirol eingeleitet. Wie Leo Hilpold, Direktor des Amtes für Natur, SALTO gegenüber vor Kurzem erklärte, mussten aufgrund eines EU-Vertragsverletzungsverfahrens für jedes der 44 Natura-2000-Gebiete separat und spezifische Richtlinien erarbeitet werden. In Zusammenarbeit mit dem Forstdienst, der Landwirtschaft, weiteren zuständigen Landesämtern und beauftragten Experten habe man begonnen, ab 2022 die Ziele und Maßnahmen zu überarbeiten.
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Nach Genehmigung durch die Landesregierung wurde das 791 Seiten lange Dokument den betroffenen Gemeinden vorgestellt, die in der Folge 60 Tage Zeit hatten, ein Gutachten dazu abzugeben. Diese fielen, wie berichtet, überwiegend negativ aus. Kritisiert wurde dabei nicht nur die mangelnde Transparenz, „Bürger-Unfreundlichkeit“ und dass die daraus resultierenden Konsequenzen nicht aufgezeigt worden sind, sondern auch inhaltliche Punkte wurden bemängelt. Bereits im Rahmen der Präsentation ist einigen Bürgermeistern klar geworden, was das für die Landwirte in ihren Gebieten bedeutet, wie Michael Epp, Bürgermeister der Gemeinde Truden, kürzlich SALTO gegenüber erklärte. Nämlich, dass mit den Richtlinien auch die Gülle-Ausbringung eingeschränkt werden sollte und damit der Viehbesatz. Für viele Bauern, deren Flächen großteils bzw. zu überwiegendem Teil in Natura-2000-Gebieten liegen, würde das schlichtweg das Ende bedeuten oder wie Epp es bezeichnete: „Es brennt, und zwar ordentlich.“ Doch wie das Problem lösen?
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Die Notlösung
Der SVP-Landtagsabgeordnete und Bauernvertreter Franz Locher hat vor Kurzem eine Landtagsanfrage zu diesem Thema eingebracht, in der er dieselbe Frage stellt bzw. wie es nun weitergehen soll. Locher ist dabei der Meinung, dass Nutzungsinteressen und Naturschutzanliegen aufeinander abgestimmt werden sollten, sich aber genau an diesem Punkt die Geister offenbar scheiden. Denn mit den geplanten neuen Maßnahmen würden die Bauern in den betroffenen Gebieten in ihrer Arbeit stark eingeschränkt, sprich würde ihnen damit teilweise die Lebensgrundlage entzogen werden.
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Franz Locher, SVP-Landtagsabgeordneter und Bauernvertreter: „Der Bauer wird in diesen Gebieten damit zum Landschaftspfleger.“ Foto: Ivo Corrà
So lautet eines der Ziele die Erhaltung und Förderung artenreicher Blumenwiesen. Erreicht werden soll dies nicht nur durch den Verzicht auf Gülle-Ausbringung, sondern auch durch späteres Mähen der Wiesen. Wird beispielsweise der Zeitpunkt des ersten Schnitts nach hinten verschoben, ändert sich die Zusammensetzung der Gräser. Was die Umweltschützer freut, nämlich artenreiche Blumenwiesen, hat als Futter für Milchkühe jedoch einen verhältnismäßig geringen Wert. „Der Bauer wird in diesen Gebieten damit zum Landschaftspfleger“, betont der SVP-Abgeordnete, der nicht nur wissen will, welchen Einfluss die negativen Gutachten der Gemeinden zu den geplanten Maßnahmen haben werden und welche Arten von Reduzierungen des Viehbestands und damit einhergehenden wirtschaftlichen Einbußen künftig geplant sind, sondern auch wie die Landesregierung zur Möglichkeit steht, die Kulturflächen der Landwirtschaft aus den Natura-2000-Gebieten auszuklammern. Locher geht davon aus, dass dies durchaus möglich ist, denn in der Vergangenheit sind in einigen Fällen, wenn es um Skigebiete oder Wasserkraftwerke ging, die Gebietsgrenzen verschoben worden. Als Kompensation mussten dafür andere Flächen, beispielsweise Wald, in das Natura-2000-Gebiet integriert werden. „Das Ziel sollte sein, die landwirtschaftlichen Flächen aus den Natura-2000-Gebieten herauszunehmen, und was für den Tourismus möglich ist, sollte auch für die Berglandwirtschaft gehen“, ist Locher überzeugt – als Notlösung sozusagen.
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Wenn man die Bauern zu…
Wenn man die Bauern zu Landschaftspflegern degradiert, dann muss man sie für diese mühevolle Arbeit auch entsprechend entlohnen. Und die Lebensmittel kaufen wir halt in anderen Gebieten, wo es diese Probleme nicht gibt.