Politik | Partizipation

Lebenszeichen aus dem Landtag

Direkte Demokratie und Bürgerbeteiligung sorgen vor der Sommerpause für hitzige und intensive Debatten, wachsame Beobachter und ein mehr oder weniger gestutztes Gesetz.
Landtag Baustelle
Foto: Salto.bz

Eine voll besetzte Zuschauertribüne, aufmerksame Landesräte und eine Debatte, die hitzig und kontrovers, aber intensiv geführt wird: Wer gemeint hatte, im Hochsommer und gegen Ende der Legislaturperiode einen verwaisten Landtag samt lustloser Abgeordneter vorzufinden, der wird diese Woche eines Besseren belehrt. Seit Montag läuft die Diskussion über ein neues Gesetz für Direkte Demokratie. Ganze sechs Entwürfe liegen dazu auf. Den Vorzug gibt man dem mit der Nr. 134/17.
Bis zuletzt ließ sich die SVP nicht in die Karten schauen: Würde sie die Debatte verhindern? Und den Gesetzentwurf abwürgen? Einen Vorschlag, der gemeinsam mit den Bürgern in einem dreijährigen Prozess ausgearbeitet wurde? Der mit Magdalena Amhof und Sepp Noggler von zwei eigenen Abgeordneten vorangebracht wurde? Und für den 11.515 Unterschriften gesammelt wurden, um ihn noch vor Ablauf der Legislatur in den Landtag zu bringen?

Am Montag Abend stand fest: Nein, das wagt die Volkspartei nicht. “Wir werden das Gesetz verabschieden”, versprach SVP-Fraktionssprecher Oswald Schiefer. Denn man will das Signal aussenden: “Wir sind für mehr Bürgerbeteiligung!”
Aber bitte Schritt für Schritt.

 

Mit(einander)sprechen

Zustimmen will man, ja – doch nicht, ohne selbst noch einmal Hand anzulegen. So die Haltung unterm Edelweiß. Dass die nicht alle Mandatare teilen, zeigte sich am Dienstag. Aber auch, dass sich die Kräfteordnung im Landtag bei einem Thema wie der Bürgerbeteiligung plötzlich verschieben kann. Etwa als die Freiheitliche Ulli Mair den Oppositionskollegen Alessandro Urzì zurechtweist, weil dieser der SVP vorwirft, den Gesetzentwurf und die Landtagsdebatte für den Wahlkampf zu instrumentalisieren. “Es liegt mir fern, die SVP zu verteidigen, aber es ist nicht richtig, dass das ‘ein Gesetz der Mehrheit’ ist. Die Inhalte sind von den Bürgern gekommen”, meint Mair zu Urzì gewandt und erinnert ihn daran, dass er als Mitglied des zuständigen Gesetzgebungsausschusses selbst die Möglichkeit gehabt hätte, daran mitzuarbeiten. “Es ist nicht fair, das Gesetz jetzt jenen um die Ohren zu hauen, die bis zum Schluss dabei geblieben sind”, so Mair.

Einige Fragen werden eingehend und ausführlich diskutiert. Etwa, ob das Alter für die Teilnahme an Volksabstimmungen auf 16 Jahre gesenkt werden soll (ein entsprechender Antrag von Myriam Atz Tammerle, Süd-Tiroler Freiheit, wurde abgelehnt) oder ob gewisse Themen wie der Minderheitenschutz von Abstimmungen ausgenommen werden sollen (werden sie – auch wenn sich die Süd-Tiroler Freiheit vehement gegen die Ausklammerung von ethnischen Themen wehrte, unter anderem mit der Begründung: “Man kann nicht ein Menschenrechte wie das Selbstbestimmungsrecht verbieten”).
An Schlagabtauschen fehlt es nicht. Irgendwann kommt es so weit, dass Landeshauptmann Arno Kompatscher Sven Knoll für seine “ungehobelte Wortwahl” kritisiert. Doch am Ende des Tages stellt Brigitte Foppa – die Grüne hat den Gesetzentwurf gemeinsam mit Amhof und Noggler unterzeichnet – fest: “Das war ein Tag des gelebten Parlamentarismus, ein Highlight am Ende der Legislatur!

Unterm Strich war es dann aber auch eines: Ein Abwehrkampf gegen abänderungswütigen Kräfte in der SVP.

 

Vorstellung...

Zur Erinnerung: Der Gesetzentwurf “Direkte Demokratie, Partizipation und politische Bildung” sieht folgende wesentliche Neuerungen vor:

  • Senkung der Zahl der Unterschriften zur Einleitung von Volksbegehren, beratenden Volksbefragungen, einführenden, bestätigenden und aufhebenden Volksabstimmungen von bisher maximal 13.000 auf 8.000
  • auch Landtagsabgeordnete (ein Drittel plus 1) können diese direktdemokratischen Instrumente auf Antrag beim Landtagspräsidium in die Wege leiten
  • Senkung des Beteiligungsquorums, das für ein gültiges Ergebnis erreicht werden muss, von 40 auf 25 Prozent – mit Ausnahme von beratenden Volksbefragungen, für die ein Nullquorum gilt
  • auch Beschlüsse der Landesregierung können unter gewissen Umständen einer Volksbefragung unterzogen werden
  • ein Bürgerrat kann zu aktuellen Themen eingesetzt werden und Empfehlungen an die Politik abgeben
  • ein Büro für politische Bildung und Bürgerbeteiligung dient als Informations- und Beratungsstelle für Promotoren von Volksabstimmungen und für Schulen

 

...und Realität

Am Ende der Sitzung vom Dienstag hat der Landtag 19 der 33 Artikel abgehandelt. Die Bilanz? Der Artikel, mit dem die Unterschriftenzahl auf 8.000 festgelegt werden sollte (Art.3), wurde mit den Stimmen der SVP gestrichen. Dafür wurde über einen Abänderungsantrag (zu Art. 9) von Otto von Dellemann – der Nachfolger von Dieter Steger hat, ebenso wie Paul Köllensperger, Anträge zuhauf eingereicht, für die er die Erklärung während der Debatte bisher allerdings schuldig blieb – die Unterschriftenhürde auf 13.000 erhöht. Was nicht nur bei Brigitte Foppa für offene Kritik sorgte, sondern auch Magdalena Amhof einen Seufzer entlockte: “Ich hätte eigentlich auch lieber die 8.000er-Hürde gesehen.” Aber in der SVP-Fraktion ist die Zustimmung zur Anhebung auf 13.000 wohl “die einzige Möglichkeit gewesen, um dieses Gesetz durchzubekommen”.
Der Artikel über die Befragung zu Beschlüssen der Landesregierung (Art. 14) wurde auf Antrag von von Dellemann gestrichen.
Der Artikel zum Beteiligungsquorum hingegen wurde ohne Debatte angenommen. Volksabstimmungen sind somit künftig gültig, wenn mindestens 25 Prozent der Abstimmungsberechtigten am Wahlgang teilnehmen. Ausgenommen beratende Volksbefragungen, die in jedem Fall gültig sind.
Als letzten Artikel stimmte die Mehrheit im Landtag am Abend der Einsetzung des Bürgerrates zu.

Am heutigen Mittwoch wird die Debatte ab 10 Uhr im Landtag fortgesetzt. Wohl wieder unter den wachsamen Augen der Bürger, die nicht zuletzt wegen des Aufrufs der Initiative für mehr Demokratie an den vergangenen beiden Tagen zahlreich in den Landtag strömten oder den Live-Stream verfolgten.