Gesellschaft | Integration

Keine Koranschule in Salurn

Eine EU-Parlamentarierin der Lega warnt vor religiöser Radikalisierung in Salurn. Bürgermeister Roland Lazzeri weist das zurück, es handle sich um einen Arabischkurs.
arabisch
Foto: Haydan As-soendawy/Pexels
  • Wird Südtirol islamisiert? Diese Frage beschäftigt nicht nur den Landtagsabgeordneten Jürgen Wirth Anderlan, sondern offenbar auch eine italienische Lega-Abgeordente des EU-Parlaments: Anna Maria Cisint warnt in einer Medienmitteilung vor der Untergrabung der Demokratie durch islamische Radikaliserung. Jüngstes Beispiel sei die Gründung einer Koranschule in Salurn. „Hier wurden falsche Zusammenhänge hergestellt“, berichtigt der Salurner Bürgermeister Roland Lazzeri (SVP).

  • Roland Lazzeri: Er ist der Bürgermeister in Salurn. Foto: privat

    „Es handelt sich um einen Sprachkurs für Arabisch, der unter anderem auch die Lehre des Korans beinhaltet. Natürlich müssen Gefahren ernstgenommen werden, aber hier wurde etwas aus dem Kontext gerissen“, sagt Lazzeri. Der Kurs wird von einem Verein für junge Menschen angeboten, um die Sprache der Herkunftsländer ihrer Familien weiterzugeben. Die Finanzierung des Angebots wird mit Eigenmitteln gedeckt.

    „Diese Kurse finden statt, damit Kinder ihre Wurzeln nicht verlieren. Wir sehen die Mehrsprachigkeit als Vorteil. Denn Vielfalt wird in einer globalisierten Welt weiterhin eine Rolle spielen, auch weil Südtirol wegen des Arbeitskräftemangels auf Zuwanderung angewiesen ist“, erklärt Sibille Bazzanella, die Koordinatorin der Gemeinde für Integrationsprojekte

  • Hoher Anteil an Ausländern

    Salurn hat für eine ländliche Gemeinde einen vergleichsweise hohen Anteil von Bürgerinnen und Bürgern mit Migrationshintergrund. Die Gemeinde liegt zwischen den Ballungszentren Bozen und Trient, dort haben die günstigen Preise auf dem privaten Wohnungsmarkt früh Ausländer angelockt. Die ersten kamen wegen der kriegerischen Konflikte in den 90er Jahren aus den Balkanländern, es folgten Menschen aus Marokko, Tunesien, Indien und Bangladesch. „Wir können nicht den Kopf in den Sand stecken und haben bereits vor zehn Jahren Maßnahmen erarbeitet, um unsere Regeln zu kommunizieren und den Austausch zu fördern“, erklärt Lazzeri. 

    Mittlerweile ist auch in anderen Gemeinden der Anteil ausländischer Familien hoch. Laut ASTAT beträgt der Ausländer-Anteil südtirolweit rund 10,4 Prozent, höher als im Trentino (8,6 %), aber weniger als in anderen norditalienischen Regionen wie der Lombardei (12 %) oder der Emilia-Romagna (12,6 %). „Südtirol ist bunter geworden, und damit ist auch eine neue Vielfalt an Religionen, Kulturen und Weltanschauungen entstanden. Es ist daher davon auszugehen, dass diese Vielfalt in den kommenden Jahren weiter zunehmen wird“, erklärt Landeshauptmann Arno Kompatscher (SVP) in einer Antwort auf eine Landtagsanfrage von Jürgen Wirth Anderlan zum Islam in Südtirol

     

    „Ein Schwerpunkt liegt dabei auf Frauen, weil sie kulturbedingt häufig zuhause bleiben.“

     

    Zwar habe es in den letzten zehn Jahren einzelne Fälle islamischer Radikalisierung gegeben und Polizei und Gerichtsbarkeit mussten eingreifen, extremistische Organisationen seien der Landesregierung aber keine bekannt. „Die mit der Prävention von Straftaten beauftragten Einheiten der Staatspolizei und der Carabinieri führen seit vielen Jahren staatsweit Überwachungsaktionen in der radikalen islamischen Szene durch“, so Kompatscher. In einzelnen Gemeinden gebe es Räume, die von der muslimischen und islamischen Gemeinschaft genützt werden, als Orte für kulturelle, soziale und religiöse Feste und soziale Treffen.

    In Salurn setzt die Gemeindepolitik neben Kontrolle und Überwachung auch auf Angebote für Menschen mit Migrationshintergrund. „Ein Schwerpunkt liegt dabei auf Frauen, weil sie kulturbedingt häufig zuhause bleiben“, sagt Bürgermeister Lazzeri. Während die Integration von Kindern und Jugendlichen durch Schule und Sportvereine leichter gelinge, sei die ältere Generation schwieriger zu erreichen. 

    „Wir organisieren deshalb ein monatliches Frauenfrühstück und kommen durch Spielplatztreffs und Krabbelgruppen in Kontakt“, erklärt Koordinatorin Bazzanella. Immerhin zeige die Integrationsarbeit erste Erfolge und die Frauen würden sich langsam ins Dorfgeschehen einbringen. Kürzlich öffnete etwa der Garten der Begegnung in Salurn zum ersten Mal seine Türen. Auf den Teller am Büfett kamen auch selbst gemachte internationale Speisen.