Matt(l)es Feigenblatt(le)
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Vom Gauhaus zum Landhaus
In einer vor wenigen Tagen eröffneten Ausstellung, die der Vergangenheitsbewältigung und dem Erinnern gewidmet ist, werden die dunklen Kapitel der NS-Zeit in Tirol beleuchtet. Vom Gauhaus zum Landhaus, nennt sich das Ausstellungsprojekt und es hat nicht nur einen besonderen historischen Bezug, sondern wirft gleichzeitig auch kritische Schlaglichter auf politische Entscheidungen und den Umgang mit der eigenen Geschichte. Allerdings nicht auf die jüngste Geschichte, die fragwürdige Entscheidung des Landes Tirol, nämlich das zunächst von einer hochkarätigen Jury erkorene Siegerprojekt des Künstlers Franz Wassermann „auszugrenzen“ und stattdessen (SALTO hat berichtet) für eine Umsetzung des zweitplatzierten Projektes zu stimmen. Auch dazu kam es nicht. Es kam am Ende zu einer rasch aus dem Boden gestampften Ausstellung in den ehemaligen Räumen der Gauleitung, kuratiert von der Architekturhistorikerin Hilde Strobl und ihrem Kollegen Christian Mathies. Beide haben bereits das Buch Vom Gauhaus zum Landhaus. Ein Tiroler NS-Bau und seine Geschichte erarbeitet und 2021 veröffentlicht. Nun wandern die Inhalte des Buches und viel Dazugekommenes in das bestens erhaltene Nazi-Zimmer von Gauleiter Franz Hofer, der von hier aus die Fäden für das schrecklichste Kapitel Innsbrucker Geschichte zog.
Der Kunstwettbewerb mutierte zu einer katastrophalen Blamage und schlug über Tirol hinaus hohe Wellen.
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Ausgezeichnete Kuratorin
Erst vor kurzem (am 9. Mai 2023) wurde der Kuratorin Hilde Strobl die Auszeichnung Tiroler Adler in Gold verliehen, mit der Persönlichkeiten geehrt werden, die sich politisch, wirtschaftlich oder kulturell für Tirol hervorgetan haben. Verliehen wurde die Auszeichnung von Landeshauptmann und Landeskulturverantwortlichen Anton Mattle, der sich mit seinem opportunen Verhalten rund um die Geschichte des Wettbewerbs am Landhausplatz, diese wichtige Auszeichnung wohl nicht verdienen würde. Zu wankelmütig sein Vorgehen, zu sehr hörte er auf die konservativen Stimmen aus den eigenen Parteireihen und auf unfundierte Kritik seiner Hintermänner. Mattles Ausgangsposition war alles andere als einfach, denn das von Beate Palfrader nach den Wahlen geerbte und zunächst angedachte Kunstprojekt bewegte sich nach dem Sieg mit Folgen lange auf dünnem Eis, bis es einbrach und stillschweigend versenkt wurde. Flapsig könnten Kritiker*innen behaupten, die Tiroler Kulturpolitik entschied sich – wie viele vermeintlich mitlaufende Schriftsteller*innen und Künstler*innen während der Nazi-Diktatur – für eine "Innere Emigration", also den innerlichen Rückzug, ohne das Land(haus) zu verlassen. Die Ausstellung kann somit auch als Rückzug in das heil(ige)-heimelige Ambiente des Nazibaus gelesen werden, denn die Fassade des Nazi-Baus bleibt, entgegen der ursprünglichen Wettbewerbsidee, unangetastet.
Gute Aufarbeitung, schlechter politischer UmgangDie aktuelle Ausstellung – sie ist heute am Nationalfeiertag ganztägig zugänglich und wird von einem umfassenden Veranstaltungsprogramm begleitet – ist zweifellos ein wichtiger Schritt in der Aufarbeitung der NS-Vergangenheit Tirols. Sie bietet viele Fakten und Einblicke in die Planung, den Bau und die Nutzung des Landhauses während der NS-Zeit, sowie fein sortierte Bezüge in die Gegenwart. Es ist jedoch sehr bedenklich, dass die Ausstellung als Ersatz für die künstlerische Intervention dient, als Feigenblatt der Politik, die eigentlich mit der Kunstintervention ein starkes Zeichen setzen und die historische Bedeutung des vormaligen Ortes für Nazi-Terror verdeutlichen wollten. Die Entscheidung, eine Ausstellung als Ersatz für einen politischen Fehler zu verwenden, führte verständlicherweise zu Kritik und lässt Fragen über die Finanzierung und die Haltung von Verantwortlichen aufkommen. Hilde Strobl und Christian Mathies haben nichtsdestotrotz wertvolle Arbeit geleistet, auch wenn sie das Thema des Wettbewerbs in der Ausstellung totschweigen, obwohl es von ihnen vehement gefordert wurde. Ein offener Brief der Wettbewerbskünstler*innen wurde bislang nicht beantwortet.
(c) Land TirolVersäumte Chancen und blamable SituationÜber viele Jahre hatte das Land Tirol kaum finanzielle Mittel für die Aufarbeitung der NS-Vergangenheit bereitgestellt. Das ändere sich vor knapp 20 Jahren. Die geplante künstlerische Intervention an der Fassade des Landhauses wäre nun der große, wichtige, mutige Schritt gewesen, um diese schreckliche NS-Geschichte am eigenen Haus sichtbar und Tirol zum Vorbild für andere Regionen zu machen. Passiert ist das Gegenteil. Der Kunstwettbewerb mutierte zu einer katastrophalen Blamage und schlug über Tirol hinaus hohe Wellen. Vor allem deshalb, da sich der Fokus von der NS-Vergangenheit des Landhauses auf die politischen Entscheidungen der Gegenwart und dem doch etwas verkappten Umgang mit der eigenen Geschichte verlagerte. Unklarheiten und Missverständnisse hinterlassen deshalb einen üblen Beigeschmack auf die emsigen Bemühungen Tiroler NS-Vergangenheit aufzuarbeiten, mitunter durch das Ausgrenzen der Beteiligten am Wettbewerb.
Neuer WettbewerbDer einstige Siegerkünstler Franz Wassermann arbeitet bereits für ein nächstes Projekt zur Aufarbeitung der NS-Geschichte in Tirol. Im Rahmen des Ideen- und Gestaltungswettbewerbs Gedenkort Reichenau (ausgeschrieben von der Stadt Innsbruck) kam er mit seinem Team in die nächste Wettbewerbsrunde. Dass man den ersten Platz erreichen kann und dennoch nicht Gewinner ist, hat Wassermann bereits am eigenen Leib erfahren müssen. Ein zweites Mal sollte ihm ein derartiger Wettbewerbs-Fauxpas nicht passieren. Aber wer kann das schon ausschließen?
Südtirol kehrt natürlich weiterhin vor seiner eigenen Haustür und hat in Sachen Aufarbeitung von Faschismus und Nationalsozialismus noch Unmengen an Hausaufgaben zu erledigen - wie auch das jüngste Wahlergebnis zeigt. Aber man wird Innsbruck und Tirol von „außen“ beobachten, was die „draußen“ machen. Und was sie nicht machen.Die Ausstellung Vom Gauhaus zum Landhaus bleibt bis 4. Mai 2024 zugänglich. Infos zu den Zusatzveranstaltungen gibt es hier.
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