Im Kampf gegen Ungerechtigkeiten
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Fast auf den Tag genau vor elf Jahren lud die Verbraucherzentrale zur Jubiläumstagung 20 Jahre Verbraucherzentrale Südtirol. Nämlich am 24. November 2014 in die Eurac. Die Moderation übernahm damals das Urgestein Walther Andreaus, inzwischen Geschäftsführer des Verbraucherschutzvereins Robin.
Bei der gestrigen Feier auf Schloss Maretsch war Andreaus nicht dabei. Als SALTO bei ihm nachfragte, um mehr über die Anfänge des Verbraucherschutzes in Südtirol zu erfahren, ist er zufällig in Bozen unterwegs und schaut für ein Gespräch in der Redaktion vorbei. Diese Stadtgegend kenne er gut, sagt er. „In der Streitergasse“ wurzeln die Anfänge der Verbraucherzentrale. In den damaligen Räumen des ASGB, habe einst alles angefangen. „Damals war Verbraucherschutz praktisch in den Händen von ein paar Leuten, die das nebenbei gemacht haben. Ich war Gewerkschafter beim ASGB und habe Beratung dazu angeboten. Es gab ein paar Broschüren zum Verbraucherschutz.“
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Fest im Schloss Maretsch: Drei Jahrzehnte Verbraucherzentrale. Konsumentenschutz in Zeiten von Black Friday und anderer „Nepper, Schlepper, Bauernfänger“ wichtiger denn je. Foto: SALTO/HM„Das war 1993“, erinnert sich Andreaus. Damals hätten SVP-Mann Hubert Frasnelli – einer der schärfsten Kritiker der Medienmacht Athesia – und der Landesrat für Gesundheits- und Sozialwesen Otto Saurer ein Landesgesetz durchgebracht. „Landeshauptmann Luis Durnwalder war im Urlaub gewesen“, erinnert sich Andreaus, und dennoch habe der Landtag diesen für die Verbraucherzentrale Südtirol (VZS) wichtigen Beschluss zur Förderung sozialer Anliegen erlassen. Diese Vorstufe der VZS wurde beim Präsidium, also bei den Zuständigkeiten Durnwalders, angesiedelt. Danach habe es noch einige Monate gedauert, „bis das erste Geld geflossen ist“. Andreaus wurde zum ersten Präsidenten gewählt und es standen 60 Millionen Lire zum Aufbau der Struktur zur Verfügung, erinnert das Urgestein. Bei der Gründung waren alle Gewerkschaften zugegen, ebenso der Katholische Verband der Werktätigen (KVW), das Öko-Institut und weitere Vereine.
Bozen war damit ein Kern des Verbraucherschutzes in beiden Ländern.
Zeit(ungs)sprung in die Vergangenheit: „Der Landesbeirat für Verbraucherschutz, der sich unter dem Vorsitz von Landeshauptmann Luis Durnwalder aus vier Vertretern der Handelskammer und vier Vertretern der Verbraucherzentrale Südtirol zusammensetzt, traf sich kürzlich zu einer Sitzung, in der unter anderem das Tätigkeitsprogramm 1994 der Verbraucherzentrale besprochen wurde. Die Verbraucherzentrale richtet derzeit ihre Räumlichkeiten in der Bozner Zwölfmalgreiner Straße 11 ein“, hieß es am Valentinstag 1994 im Tagblatt der Südtiroler. Von einer Liebesbeziehung zur Dolomiten wie auch zur Politik könne man bis heute allerdings nicht sprechen. Es wurden Mitte der 1990er Jahre „alle Kräfte gebündelt“ und eine Art Dachverband gegründet, erinnert sich Andreaus. Und er berichtet auch, dass der Start im wahrsten Sinn des Wortes mit einem metaphorischen „Feuerwerk“ verbunden war, denn im Sommer 1994 kam es zu einem Großbrand im Produktions- und Verwaltungstrakt des Firmensitzes von Finstral. Kurz darauf machte die Verbraucherzentrale auf das Problem von Kunststofffenster aufmerksam und regte nach dem Unfall die Produktion in Holz an. „Daraufhin folgte natürlich ein ganzseitiger Aufschrei“ in den Dolomiten und machte die VZS von einem Tag auf den anderen sehr bekannt.
Unterwegs in den Gemeinden: Die fahrende Verbraucherzentrale, ein mit Infomaterial vollgepackter Camper wird von erfahrenen Beraterinnen betreut. Konsumentinnen und Konsumenten wird eine Erstberatung geboten. Foto: Verbraucherzentrale SüdtirolSeit diesem feurigen Start ist die Verbraucherzentrale weniger für das Zündeln als für das Feuerlöschen bekannt. Begonnen hatte alles mit einem Büro in der Zwölfmalgreinerstraße 11, inzwischen sitzen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am anderen Ende derselben Straße. Eines der ersten großen Highlights war 1996 die Gründung des Europäischen Verbraucherzentrums in Bozen, erinnert der Mann der ersten VZS-Stunde. „Wir waren für ganz Italien zuständig. Jeder Italiener und jede Italienerin konnte sich an Bozen wenden, wenn es ein Problem im EU-Raum gab.“ Bozen war gleichzeitig auch Sitz des österreichischen Europäischen Verbraucherzentrums. Der Grund: Österreich war damals noch nicht Mitglied der EU. Diese Arbeit erfolgte im Rahmen einer grenzüberschreitenden Zusammenarbeit. „Bozen war damit ein Kern des Verbraucherschutzes in beiden Ländern.“
Das Schöne am sozialen Engagement ist, dass du immer Sieger bist, weil du es versucht hast und für etwas gekämpft hast.
Bald kam auch die fahrende Verbraucherzentrale hinzu, die noch heute in die Gemeinden fährt. Die Themen von damals seien größtenteils dieselben geblieben: Schwierigkeiten mit Telefonrechnungen, Probleme beim Hausbau, bei Finanzierungen mit Versicherungen oder Bankangelegenheiten. „Es ist ganz normal, dass jemand anderer Meinung ist“, sagt Andreaus auf die Frage: Auf der einen Seite Liebling der Bevölkerung, auf der anderen Seite Dorn im Auge der mächtiger Scharlatane? „Es geht darum, die Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher zu vertreten – und das sind viele. Ich erinnere mich, an die etwa zehn Prozent der Südtirolerinnen und Südtiroler wenden sich durchschnittlich jedes Jahr an die Verbraucherzentrale. Das ist nicht wenig.“
Anfänge in der Streitergasse: „Es gibt viele größere Ungerechtigkeiten, mit denen man sich auseinandersetzen muss.“ Foto: SALTO/HMAndreaus spricht über Sammelklagen, Verbraucherschutzgesetze, Vorreiter und Nachzügler. Was aber waren der größte Sieg und die bitterste Niederlage? „Das kann ich nicht sagen. Ich denke nicht in diesen Kategorien. Das Schöne am sozialen Engagement ist, dass du – um die Frage trotzdem zu beantworten – immer Sieger bist, weil du es versucht hast und für etwas gekämpft hast. Auch wenn du verlierst: Du hast gekämpft.“ Ein großer Vertrauensbeweis sei es gewesen, als die Provinz Trient die Südtiroler Verbraucherzentrale beauftragte, die Verbraucherberatungsstelle in Trient zu führen. Sie besteht bis heute.
Bei einer Frage aber weicht der Gründervater leicht schelmisch aus und entgegnet: „Ich bin nicht eingeladen. Aber ich sehe das ganz sportlich.“ Der ehrenamtliche Verein Robin, den Andreaus – er kann wohl einfach nicht ohne Verbraucherschutz leben – nach seiner Pensionierung weiterführt, wird von manchen als Konkurrenz zur Verbraucherzentrale gesehen. Bei dem gestrigen Fest auf Schloss Maretsch war er jedenfalls nicht dabei. Wie bitter ist dieses Nicht-Dabeisein? „Es gibt viel größere Ungerechtigkeiten, mit denen man sich auseinandersetzen muss, und dafür braucht es viel mehr Energie“, sagt Walther Andreaus.
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