Die Fest Lese

-
Die SAAV, also die Südtiroler Autorinnen- und Autorenvereinigung und der Südtiroler Künstlerbund, feierten gemeinsam ein Fest, für das man 45 Jahre der Vereinigung und ein Jahr Nutzung der Räumlichkeiten in der Weggensteinstraße 12 als SKB Artes als Anlass nahm. Seit dem Rebranding und der Nutzung, teils auch in Form von Ateliers, zeigte man sich beim SKB gerne offen für Verschiedenstes, da ist der Weg in die Literatur nicht weit.
Mit anfänglich etwas verwirrendem Lageplan und je sechs Auswahlmöglichkeiten konnte man sich seine späte Literaturspätmatinee in fünf Etappen selbst zusammenstellen. Oder würfeln, wenn man mit der Liste illustrer und weniger illustrer Autoren und nicht mehr nur mitgemeinter Autorinnen nichts anfangen konnte. Von zweisprachig vorgetragener Lyrik, dreisprachiger Slam Poetry, Krimi, Theater und mehr wurde viel geboten. Man konnte den Lesereigen im Vorfeld ruhig als üppig fürchten, die gemachte Erfahrung widersprach dem allerdings: Da keine der Lesungen die halbe Stunde ab 11.30 Uhr überschritt und dem oder der Nächsten die Bühne überlassen wurde, gab es aber auch kein langes Gespräch mit dem Publikum, zwei oder drei Neugierden wurden am Ende des Literaturhäppchens befriedigt. Dann ging es weiter zum nächsten Wunschtermin oder in den Innenhof, wo sich restliche Minuten mit einem Getränk verbringen ließen, vielfach auch bei Gesprächen zur Literatur. Es war alles nicht so eng getaktet, wie es anfänglich wirken mochte, und überhaupt lockerer. -
Es lasen:
Paolo Carnevale, Simone Dark, Christian Ferdigg, Sabine Foraboschi, Bertrand Huber, Matteo Jamunno, Brigitte Knapp, Astrid Kofler, Barbara Ladurner, Sepp Mall, Davide Marchi, Waltraud Mittich, Lene Morgenstern, Irene Moroder, Veronika Oberbichler, Maxi Obexer, Sabine Peer, Lissy Pernthaler, Claudia Polver, Nadia Rungger, Sabine Schmid, Matthias Schönweger, Anna Johanna Schwellensattl, Martin Streitberger, Claudia R. Tröbinger, Heidi Troi, Karl Tschurtschenthaler, Miriam Unterthiner, Claus Vittur, Stefano Zangrando, Barbara Zelger, Jörg Zemmler
-
Textspalte: Miriam Unterthiner, fast ums Eck gesehen, präsentierte stolz ihre beiden Bücher, „Blutbrot“ und „Vaterzunge“. Sie las aus letzterem Text, im Bild links, der vormals den Titel „Is Måidele“ trug. Foto: SALTO
„Jetzt mache ich etwas, das ich noch nie gemacht habe, auch weil ich vom Theater komme, und fange einmal zwei Minuten früher an.“, begann Miriam Unterthiner, nicht rotierende Moderatorin, die in der engen Bibliothek die Ehre hatte, sich selbst vorzustellen. Dem Publikum im vollgefüllten Raum stellte sie durch drei Szenen ihren ungewöhnlichen Theatertext „Vaterzunge“ vor. Dieser wurde am Abend des Samstags am Tiroler Landestheater in Innsbruck übrigens auch uraufgeführt. Unterthiner, deren Schreiben durch Erscheinen in Buchform an sich schon durchaus bemerkenswert ist, teilt ihr Stück in drei Stimmen: jene der Tochter und Erstgeborenen auf dem Hof, die des Vaters und nicht zuletzt die Stimme des Bodens, der alles wahrnimmt, aber scheinbar von niemandem gehört wird.
Auf der Buchseite finden sich diese drei Stimmen je in einer eigenen Spalte wieder, im Stück reden sie mit großer Distanz aufeinander zu, aneinander vorbei und schließlich voneinander weg. Das Hadern der Tochter mit dem vor elf Monate totgeborenen Sohn hinterlassenen Lücke sowie mit dem eigenen deformierten Körper arbeitet Unterthiner sprachlich fein aus. Da ist eine Lesung der Autorin besonders geeignet, um auf die Verschränkungen zwischen Geschlechterfragen – die über die Hoffolge hinaus gehen – und grammatikalischem Geschlecht, einzugehen. Das sächliche Geschlecht, das männliche und auch das weibliche wollen alle nicht recht passen. Hörens- und sehenswert.
Auf Unterthiner folgte für mich – zeitlich wie auch in Fragen des Geschmacks passend – das Dreigestirn aus Sepp Mall und Stefano Zangrando sowie Sonia Sulzer. Gemeinsam präsentierte man Auszüge aus „Lo stato delle cose“ in deutscher Originalsprache und verschieden gestalteten Übersetzungsansätzen. Die von 1992 bis 2020 geschriebenen Gedichte haben in beiden Sprachen einen unverkennbaren Klang, dem auch der Autor aufmerksam zuhört. Malls klare und karge Sprache eignet sich dabei vielleicht in besonderer Weise für eine Übertragung.Ein gelungener Abschluss aus persönlicher Sicht war sicher auch Nadia Runggers Kurzlesung aus ihrem „Blatt mit den Lösungen“, der ich beiwohnen wollte, weil mir gleich wie bei Unterthiner zu Texten und Gesicht noch eine Stimme fehlte. Außerdem gab es auch „Neues“. Nun gut, nicht mehr ganz so Neues, da hinter dem Titel die Erzählung steckt, die den literarischen Wettbewerb der Stiftung Sparkasse im Bereich Prosa 2024 für sich entscheiden konnte. Federleicht erinnert sich Rungger im Text an die mit der Oma verbrachten Zeit. Bedeutsamkeit wird Details beigemessen und ein Mensch tritt entlang alltäglicher Arbeiten um Garten und Haus, bei denen die Enkelin hilft, hervor.
Am Ende bleibt, egal, welchen Leseparcours man bei den fünf mal sechs Lesungen gewählt hat, ein allgemein positiver Eindruck vom neuen Format beim Publikum zurück. Seitens des Künstlerbunds zeigte man sich mit der Veranstaltung Lesefesta durchaus zufrieden, sodass einer Wiederholung gerne wieder mit durchmischten Namen nichts im Wege steht. Zum allgemeinen Weg der SAAV über die letzten Jahre passt die „Festa“ auch sehr gut. Während anfänglich die deutschsprachigen Autoren im Lande vertreten wurden, öffnete man sich anfänglich der Zweisprachigkeit und später der Mehrsprachigkeit. Ein Willkommens-Signal nicht nur durch die Ausweitung der Tätigkeitsfelder zulässiger Autorinnen und Autoren, sondern auch bei Sprachen, die über die drei im Land hinaus gehen.
Vielleicht ist gerade jetzt diese Offenheit für Dialog und Nähe trotz Differenzen wichtig, auch wenn die Literaturhäppchen etwas kleiner ausfielen als gedacht.Weitere Artikel zum Thema
Culture | KünstlerbundYoga im Künstlerhaus
Books | ZeLTZeit- und Zeltworte
Culture | Bibliophile Fragen„Und nein, ich sage das nicht deshalb“