Gesellschaft | Sustainability Days

Ein Königreich für eine zündende Idee

Vom 6. bis zum 9. September finden in der Bozner Messe die Sustainability Days statt. In die Kritik geraten ist diese Veranstaltung vor allem wegen der hohen Kosten.
roland_psenner.jpg
Foto: Salto.bz
Dieses Argument lässt Roland Psenner, Präsident der EURAC und mit Ulrike Tappeiner, Leiterin des Instituts für Alpine Umwelt, Mitglied der Steuerungsgruppe, die für die Organisation der Sustainability Days mitverantwortlich zeichnet, jedoch nicht gelten. Diese Argumente nach dem Motto „Für dieses Geld hätten wir doch einen Kindergarten bauen können!“ seien längst bekannt und sinnentleert.
 
 
 
Investitionen in die Forschung sind jedoch wichtig, betont der Präsident der EURAC. Das ließe sich allein schon an den Zahlen ablesen, welche Staaten wie China, die USA oder Deutschland in die Forschungsarbeit investierten. „China hat 1995 damit begonnen, 0,5 Prozent des Bruttosozialproduktes in die Forschung zu investieren, inzwischen sind es 2,5 Prozent“, so Psenner, der darauf verweist, dass China nun die führende Forschungsnation der Welt sei. Dagegen liegen Südtirols Investitionen bei 0,8 Prozent, die Nachbarregionen, die zwischen zwei und drei Prozent in die Forschung stecken, sind auf einem anderen Niveau. „Hier wird an der falschen Stelle gespart. Wir müssen als reiches Land bei den Forschungsausgaben in Richtung der von der EU-Kommission empfohlenen zwei Prozent kommen“, zeigt sich Psenner überzeugt. Zwar seien die Sustainability Days nicht als reine Forschungsveranstaltung geplant, „wir setzen jedoch große Hoffnungen in den wissenschaftlichen Austausch bzw. hoffen wir auf eine zündende Idee für die konkrete Umsetzung“.
 
Wir setzen große Hoffnungen in den wissenschaftlichen Austausch bzw. hoffen wir auf eine zündende Idee für die konkrete Umsetzung.
 
Zudem seien die rund 2,4 Millionen Euro, die für die Sustainability Days ausgegeben werden vergleichsweise niedrig in Anbetracht der Kosten der „Festa dell‘Economia di Trento“, für welches – im Verhältnis zur Dauer des Events – zwei- bis dreimal so viel ausgegeben wurde. Die entscheidende Frage ist vielmehr, so der Präsident der EURAC, ob man die „Macht“ darüber haben möchte, wer zu dieser Veranstaltung eingeladen wird und wer die Themen vorgibt. Firmen und Sponsoren beispielsweise könnten auf bestimmte Vorgaben bzw. auf die Einladung bestimmter Personen bestehen; wird das Event jedoch vom Land finanziert, so kann man unabhängig agieren. Zudem gehe es um Nachhaltigkeit im ländlichen Raum, ein Thema, das nicht nur Südtirol betrifft, sondern rund 300 weitere Regionen in Europa. Das Bauernsterben findet nämlich nicht nur in Südtirol statt, sondern auch anderswo in der Welt.
Aufgabe der Steuerungsgruppe ist es, WissenschaftlerInnen aus möglichst vielen Bereichen für das Event zu gewinnen, die das Thema Nachhaltigkeit im ländlichen Raum behandeln, und zwar aus verschiedenen Perspektiven. Kurz zusammengefasst soll die „wissenschaftliche Seite“ gut besetzt werden. Die Anwesenheit von führenden Staatsmännern und Europapolitikerinnen wie Mario Draghi und Ursula von der Leyen dagegen bilden den politischen Überbau, folgen die Sustainybility Days doch den großen EU-Programmen des „Green Deal“ sowie der „From Farm to Fork“-Strategie.
 

„Wir steuern auf die drei Grad zu“

 

 
„Wir müssen uns die Frage stellen, was unser Land davon hat, wenn die Sustainability Days als ständige Einrichtung geplant werden“, so Psenner, der damit die Kosten anspricht, welche auf die Gesellschaft zukommen, wenn weiter so gewirtschaftet – sprich Ressourcen verbraucht – und gehandelt wird wie bisher. „Seit zwanzig Jahren sehe ich in meinem eigenen Forschungsgebiet, was läuft und was auf uns zukommt, weshalb es mir nicht schwerfällt, in die Zukunft zu blicken. Seit 1982 beobachten wir große Veränderungen in den Gewässern und Ökosystemen “, betont der Professor für Limnologie, der sich in seiner Forschung ausführlich mit der Untersuchung von Sedimentkernen aus den Gewässern beschäftigt. Darin lassen sich Organismen finden, die sehr gute Indikatoren für pH-Werte, für Salzgehalt und für Temperaturen sind. „Wir können mit unseren Untersuchung auf die rund elftausendjährige Geschichte unserer Seen zurückblicken und sehen ganz klar, was uns bevorsteht“, so der EURAC-Präsident, der betont, dass man derzeit auf dem besten Wege Richtung drei Grad Erderwärmung sei, allein wenn man die Konzentration der Treibhausgase berücksichtigt, die zurzeit 80 Prozent über dem Wert vor dem Beginn der Industrialisierung liegt.
 
Manche Politiker trauen sich nicht, den Leuten die Wahrheit zu sagen bzw. ihnen zu sagen, dass das Weitermachen so wie bisher nicht mehr geht.
 
„Ich erwarte mir von dieser Veranstaltung neue Erkenntnisse durch die Diskussionen und Beiträge der TeilnehmerInnen und Vorschläge, wie man die Probleme unserer Zeit angeht“, betont Psenner, der als Beispiel Ingrid Kofler nennt, die mit ihrem Projekt „Tiny FOP MOB“ am Call of Contribution teilnimmt. In diesem Projekt geht es darum, aus Hanfziegeln und Holz nachhaltig gefertigte Häuser zu bauen. „Wir müssen uns darauf einstellen, dass wir reduzieren und sparsamer sein müssen. Manche Politiker trauen sich nicht, den Leuten die Wahrheit zu sagen bzw. ihnen zu sagen, dass das Weitermachen so wie bisher nicht mehr geht“, so Psenner, der erklärt, dass man den Menschen vermitteln müsse, dass es sich bei diesen Maßnahmen nicht um eine Einschränkung handelt, sondern eine Befreiung. Bestes Beispiel dafür sei die Massentierhaltung, wo zigmillionenfach Nutztiere zu Tode gequält werden, um billiges Fleisch zu produzieren. „Man muss die Geschichten dazu neu erzählen und die Einhaltung natürlicher Grenzen und den Respekt vor der Kreatur als Bereicherung sehen“.
 

Themen

Die Themen, die im Rahmen der internationalen Plattform für die Regionen der Zukunft behandelt werden, sind Erneuerbare Energien und Energieeffizienz, Landwirtschaft und Ernährung, nachhaltige Mobilität sowie resiliente ländliche Lebensräume.
 

Programm

Laut Programm liegt der Fokus am ersten Veranstaltungstag, dem 6. September auf aktuellen Programmen wie EU Green Deal, PNRR und der Farm to Fork Strategie. International renommierte Referenten werden dabei die Relevanz des Gesamtthemas vor einem globalen Hintergrund unterstreichen. Am folgenden Tag sollen namhafte Meinungsbildner verschiedene Sichtweisen und Interpretationen einer nachhaltigen Entwicklung einbringen und so das „richtige Mindset“ um unterschiedliche Perspektiven ergänzen. Am dritten Tag wird der Jugend Platz gemacht, welche die Dringlichkeit des Handelns unterstreichen wird. Weiters werden Referenten Szenarien einer zukünftigen Welt entwerfen und nachhaltige Perspektiven bieten.
Am Schlusstag werden basierend auf den bereitgestellten Inputs und Zukunftsszenarien etablierte und zu entwickelnde Lösungen auf der Bühne diskutiert. Die Arbeit des Beirats und der Expertengruppen wird präsentiert und der Politik übergeben.
 

Wer kommt?

Zu den Nachhaltigkeitstagen werden unter anderem der italienische Ministerpräsident Mario Draghi sowie EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erwartet. Renomierte Namen befinden sich auch unter der Referenten-Liste, so werden unter anderem der Nobel-Preisträger für Wirtschaft, Robert Engle, und UN-Friedensbotschaferin Jane Goodall in der Bozner Messe erwartet.