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Grillos Sündenfall

Durch seine schmähliche "Umdichtung" eines Gedichtes von Primo Levi zu wahlpolemischen Zwecken hat Beppe Grillo den Holocaust verunglimpft, dessen Opfer, ihre Angehörigen und jeden aufrechten Demokraten verletzt.

Wir sind es seit langem gewohnt: Beppe Grillo steigert sich fast täglich in der Beschimpfung seiner Widersacher und Gegner, der vermeintlichen und wahren Verantwortlichen für den desaströsen Zustand Italiens. Während der Anfänge der 5-Sterne-Bewegung konnte man seine Reden im Stil eines Volkstribuns mit Überfunktion der Schilddrüse noch als – gar nicht so unsympathische – Übertreibung eines Komikers empfinden: Er ist eben kein klassischer Politiker, konnte man sich sagen.

Doch nach dem großen Wahlerfolg der 5stelle und ihrem massiven Einzug ins Parlament hätte man sich doch einen etwas sachlicheren Ton in der politischen Auseinandersetzung erwarten können. Stattdessen folgten auf die ironisch-bissigen Redeschwaden zunehmend aggressive, grobe, entwürdigende und beleidigende „Sager“ des selbsternannten Vize-Gurus und Megaphon des Gurus Nr.1 Gianroberto Casaleggio. Kein Tag ohne Fäkalausdrücke, machistische und frauenverachtende Anzüglichkeiten, Todeswünsche und -drohungen gegen sämtliche Vertreter anderer Parteien oder der republikanischen Institutionen, Staatspräsident inklusive (siehe dazu den glänzenden Beitrag von Gerhard Mumelter, der wenn auch schon älter, nichts an Aktualität verloren hat).

Aber konnte man die inzwischen schon notorisch-provokant inszenierten Rundumschläge gegen Alles und Jeden noch als bewusst populistische Untergriffe auslegen, so hat Beppe Grillo jetzt die rote Linie überschritten.

Primo Levi gilt weltweit als einer der bedeutendsten Zeugen der Horrortaten der Nazis. Als jüdischer Widerstandskämpfer und Überlebender des KZs Auschwitz hat der Schriftsteller Levi 1947 mit seinem Werk „Se questo è un uomo?“ (Ist das ein Mensch?) die unsagbaren Greueltaten des Hitlerregimes und ihrer Kollaborateure bei der industriellen Ausrottung von mehr als 6 Millionen Juden, Homosexuellen, Roma und Sinti und politischen Widersachern literarisch beeindruckend festgehalten. Es ist nicht nur die Schilderung der unsagbaren Leiden der Opfer, es ist vor allem auch eine erschreckende Einsicht in den bisher grauenhaftesten Niedergang der westlichen Zivilisation mit ihrer totalen Entmenschlichung. Vergleichbares kennt man eigentlich nur von Elie Wiesel, George Semprun oder Claude Lanzmann mit seinem 9-stündigen Film "Shoah".

Nicht zu Unrecht gilt seit 1945 innerhalb unserer westlichen Zivilisation ein ungeschriebener, aber unumstößlicher Konsens: Nie wieder Auschwitz! Der Holocaust und seine Opfer dürfen nicht negiert, nicht relativiert und nicht verunglimpft werden. In den meisten demokratischen Staaten gibt es Gesetze, die einen Verstoß gegen diese Prinzipien unter Strafe stellen. Das ist fester Bestandtteil unserer moralischen Grundpfeiler, wie die Aufklärung und die Erklärung der Menschenrechte.                                                                                                                                 

Diesen Grundsatz hat Beppe Grillo mit seiner „Umdichtung“ des Levi-Gedichts und der Retuschierung des KZ-Eingangsportals schandhaft verletzt – und damit sämtliche Opfer und Hinterbliebenen der größten Katastrophe unserer Zivilisation. Das kann und darf nicht toleriert werden, denn es gibt Tabus in unserer Gesellschaft, die einen fundamentalen Sinn haben, wenn wir eine Wiederholung des Unsagbaren verhindern wollen.  Nach dem Wahlerfolg der 5-Sterne-Bewegung schrieben wir Journalisten in allen Medien achtungsvoll, dass 80 Prozent der 163 Grillini im Parlament einen höheren Studienabschluss (meist Universität) haben – also gebildete Leute aus der Mittelschicht. Wo bleibt der Aufschrei dieser „Volksvertreter“, für die es keine Entschuldigung für ein mögliches Nichtwissen über den Holocaust und seine Bedeutung geben kann. Und was sagt Herr Köllensperger dazu?

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Max Ernst Mo., 14.04.2014 - 20:12

Zum einen möchte ich hiermit darauf hinweisen dass "se questo è un uomo" nicht um ein gedicht, sondern um einen bericht aus dem kz auschwitz-monowitz handelt.

zudem sind die aussagekraft und bedeutung von parolen wie "aufklärung" und "menschenrechte" genau durch den oben genannten bericht stark angezweifelt, wenn nicht verneint worden.

ich bitte daher bücher zu lesen bevor sie zitiert werden!

Mo., 14.04.2014 - 20:12 Permalink
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Christoph Moar Mo., 14.04.2014 - 21:11

Antwort auf von Max Ernst

In meiner Ausgabe (ed. Einaudi, 1976) des Romans von Primo Levi "se questo é un uomo" findet man, noch vor dem Vorwort, als Epigraph, ein berühmtes Gedicht von Primo Levi mit dem selben Titel. Ich gehe doch stark davon aus, dass Sie dieses Gedicht auch in Ihrer Ausgabe finden werden.
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Da es für die Diskussion hier hilfreich ist, hier der Blogbeitrag von Grillo, auf dem sich Herr Gallmetzer bezieht. http://www.beppegrillo.it/2014/04/se_questo_e_un_paese.html
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Ihre Einschätzung teile ich, Herr Gallmetzer.

Mo., 14.04.2014 - 21:11 Permalink
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Lorenz Gallmetzer Mo., 14.04.2014 - 21:43

@ ops und wer immer die Phantasielosigkeit hat, sich hinter dem berühmten Namen von Max Ernst zu verstecken!
Bevor man anderen besserwisserisch empfiehlt "Bücher zu lesen, bevor man sie zitiert", würde ich doch dringendst empfehlen, Texte genau zu lesen, bevor man flapsige postings sendet.
Nie habe ich geschrieben, dass "Se questo é un uomo" - ein Buch, das ich zugegebenermaßen vor 41 Jahren im Alter von 21 gelesen habe, ein Gedicht sei. Allerdings ist der von Grillo verunstaltete Text eine Art Vorwort in Gedichtform - im Wikipedia "Psalm" genannt. Hier der Beweis:
Ist das ein Mensch?
Ihr, die ihr gesichert lebet
In behaglicher Wohnung;
Ihr, die ihr abends beim Heimkehren
Warme Speise findet und vertraute Gesichter:
Denket, ob dies ein Mensch sei,
Der schuftet im Schlamm,
Der Frieden nicht kennt,
Der kämpft um ein halbes Brot,
Der stirbt auf ein Ja oder Nein.
Denket, ob dies eine Frau sei,
Die kein Haar mehr hat und keinen Namen,
Die zum Erinnern keine Kraft mehr hat,
Leer die Augen und kalt ihr Schoß
Wie im Winter die Kröte.
Denket, daß solches gewesen.
Es sollen sein diese Worte in eurem Herzen.
Ihr sollt über sie sinnen, wenn ihr sitzet
In einem Hause, wenn ihr geht auf euren Wegen,
Wenn ihr euch niederlegt und wenn ihr aufsteht;
Ihr sollt sie einschärfen euren Kindern.
Oder eure Wohnstatt soll zerbrechen,
Krankheit soll euch niederringen,
Eure Kinder sollen das Antlitz von euch wenden.
Primo Levi

Mo., 14.04.2014 - 21:43 Permalink
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Wilfried Meraner Mo., 14.04.2014 - 22:04

Einverstanden, Grillo hätte das nicht machen sollen, und nachdem er offensichtlich Betroffene verletzt hat, müsste er sich entschuldigen.
Aber irgendeine "schandhafte" Absicht ist meinerMeinung nach in keiner Weise zu erkennen. Daher bin ich nicht verletzt- und ich bin ein aufrechter Demokrat.
Diese Umdichtung beruht wohl auf Überheblichkeit und mangelnder Sensibilität, daher sollte sich Grillo eben entschuldigen.
Die Absicht, die er dabei verfolgte, kann man aber nicht anklagen.
Es ist eine bittere Anklage gegen einen Staat, die plausibel ist, und mit der wildentschlossenen Absicht, gegen die Missstände zu kämpfen.
Ich gehe davon aus, dass Grillo die Nazi- Greuel genauso verurteilt wie "jeder aufrechte Demokrat".
Sollten wir nicht besser die schlimmen Missstände anklagen anstatt jene, die- wenn auch oft mit ungeeigneten Mitteln- ihre ganze Kraft dafür einsetzen, dagegen zu kämpfen?

Mo., 14.04.2014 - 22:04 Permalink
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Wilfried Meraner Mo., 14.04.2014 - 22:19

Für eine eigenständige Beurteilung gehört dieser Link unbedingt dazu:
http://www.beppegrillo.it/2014/04/se_questo_e_un_paese.html

und hier ein Link zum Original von Primo Levi:
http://www.riflessioni.it/testi/primo_levi.htm

Übrigens droht Primo Levi dem Leser mit einem Fluch, wenn dieser seine Forderungen nicht befolgt. Ich respektiere sein erschütterndes Werk. Aber diese Drohung weise ich zurück.

Mo., 14.04.2014 - 22:19 Permalink
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Lorenz Gallmetzer Mo., 14.04.2014 - 23:35

@ Wilfried Meraner. Lieber Wilfried, die Kritik Grillos und seiner Anhänger an den perversen Auswüchsen unserer derzeitigen Gesellschaft kann ich zu 80% unterschreiben. Um medienwirksam, provokant und spektakulär darauf aufmerksam zu machen, hat aber niemand das Recht, taktlos, geschmacklos und kaltschnäuzig die Leiden des Holocaust und deren Symbole für tagespolitische Polemik zu mißbrauchen. Lorenz

Mo., 14.04.2014 - 23:35 Permalink
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Lorenz Gallmetzer Mo., 14.04.2014 - 23:54

..und außerdem: ich glaube nicht, dass die vielen "politisch unkorrekten Ausrutscher" Beppe Grillos Zufall sind. Sein wirrer Zick-Zack-Kurs zwischen klassischen linken Forderungen, Anti-EU-Schimpfereien, Anti-Ausländer-Haltungen (jus solis) bis hin zu einer Vision, dass Italien zu den "Makro-Regionen" vor der italienischen Einigung zurückkehren sollte, zeigen nicht nur seine intellektuelle Schwäche, sondern sind durchaus auch genährt von seinem symbiotischen Gedankengeber und spin-doctor Casaleggio. Dessen verrückte Weltsicht kann man in folgendem video ansehen, das zwar nicht mehr das frischeste ist, aber nie dementiert wurde: eine abstruse Mischung aus Stereotypen, esoterischem Nonsens und einer Sehnsucht nach dem "Übermenschen" - alles ermöglicht duch das Internet natürlich.

http://www.youtube.com/watch?v=V4CHyog8Byc&feature=youtu.be

Mo., 14.04.2014 - 23:54 Permalink
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Christoph Fran… Di., 15.04.2014 - 10:28

Lieber Lorenz, als Bürger, Leser & Journalist kann ich dir nur danken für diesen Beitrag. Es ist nichts mehr hinzuzufügen.
Außer, dass wir - ob der täglichen verbalen Auskotzungen von Grillo & Co - vielleicht schon zu abgestumpft sind.
Ja wir müssen & sollen uns empören.
Grillo hat schon lange den Rubikon überschritten. Seine Politik, sein Menschenbild, sein Getue sind faschistoide. Manche Inhalte sind nachvollziehbar. Man kann aber nicht mit dem Presslufthammer in der Hand Menschenrechte verteidigen und neue Werte predigen. Mit dem verbalen Presslufthammer und dem Munitionsgürtel voller Hasspatronen wird man einzig & allein die Säulen der Demokratie einreißen. Hatten wir das nicht schon einmal?
Dort will Grillo hin. Das ist seine Überzeugung. Das war & ist kein entschuldbarer Ausrutscher, sondern eine unbewusste Demaskierung der Geisteshaltung, die hinter diesem politischen Scharlatan steht.
Mir geht sehr viel in diesem Land & seiner Politik gegen den Strich. Wenn aber das die Alternative ist, dann habe ich wirklich Angst.
Liberte, Égalité und Fraternite sehen für mich anders aus!
Es gilt nur eins: Wachsam bleiben!
Lg nach Wien

Di., 15.04.2014 - 10:28 Permalink
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Mensch Ärgerdi… Di., 15.04.2014 - 11:13

Antwort auf von Christoph Fran…

"Schluss mit diesem schmutzigen Spiel, sich wegen eines, auf ein Monument gemeißelten, Satzes beleidigt zu fühlen. Diese Spiel verrät nur die Kraftlosigkeit unserer Identität. Und noch Schlimmer ist es, diesen in sich so absurden Satz, interpretieren zu wollen" (Christoph Franceschini, Stammtisch I, 25.10. http://symbolicactionsforourpresent.lungomare.org/index.php?article_id=… )
Due pesi e due misure Herr Franceschini?

Di., 15.04.2014 - 11:13 Permalink
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Christoph Fran… Di., 15.04.2014 - 12:10

Schön menschärgerdichnicht, dass sie so genau dokumentieren, was ich vor einigen Jahren im lungomare gesagt habe. Ich erinnere mich nicht nur an die Worte, sondern würde sie auch heute noch bestätigen und wiederholen.
Es geht um die Inschrift am Siegesdenkmal. Mit Verlaub, diese Inschrift & deren Folgen auf die Südtiroler aber mit jener von Auschwitz & dem Holocaust zu vergleichen, scheint mir jenseits von gut & böse.
Hier braucht es wahrlich due missure. Auch für sie Herr Gasser.

Di., 15.04.2014 - 12:10 Permalink
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Salto User
Manfred Gasser Di., 15.04.2014 - 14:01

Antwort auf von Christoph Fran…

Vorausgesetzt, dass Grillo übers Ziel geschossen ist, und das nicht das erste Mal, wie erklären Sie sich, dass man hier im Westen einen Propheten wie Mohammed durch den karikaturistischen Dreck zieht, und sich dann wundert ob der Reaktionen aus Teilen der islamischen Welt, einen Frosch ans Kreuz hängt, und sich dann wundert ob der Reaktion aus Teilen der christlichen Welt, während man bei allen negativen Äusserungen das Jüdische betreffend sofort als Antisemit, Neonazi, Rassist, oder noch schlimmer betitelt wird.
Versuchen Sie doch mal mit der Torah so was Ähnliches anzustellen, mal schauen wer dann noch von Kunst spricht, und wer von verstecktem Antisemitismus!?!?

Di., 15.04.2014 - 14:01 Permalink
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Christoph Moar Di., 15.04.2014 - 14:38

Antwort auf von Christoph Fran…

Selbst wenn es um die Verwendung religiöser Symbole geht, gibt es Grenzen, die nicht überschritten werden sollten. Eine liberale Grundhaltung, die ich prinzipiell gutheiße, schließt nämlich ethische Selbstbeschränkungen nicht aus. Vor gar nicht langer Zeit hatten wir bereits einen Diskurs darüber: http://salto.bz/de/comment/10866#comment-10866
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Wie im Thread zur Kaaba geschrieben: Gegen die Verwendung religiöser Symbole im künstlerischen Kontext kann man im Prinzip eine liberale Haltung haben - der Kippenberg'sche Frosch will ja etwas ausdrücken. Wenn das Werk aber keine Kunst ist, sieht es für mich immer noch ein bisschen anders aus: Die von der Salto Redaktion genutzte Kaaba-Fotomontage hat situativ weder einen künstlerischen Anspruch noch eine Botschaft, die übermittelt werden möchte. Und bei Grillos Botschaft können Sie gerne die gleichen ethischen Maßstäbe anstellen: Ist die Übermittlung einer politischen Nachricht, wie sie dem Werk von Grillo innesteht, es Wert, einen Text und ein geradezu archetypisches Bild zur Shoa zu missbrauchen?
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Genau wie bei der Kaaba, gilt: Das Recht auf Anerkennung wurzelt in der Menschenwürde, und es ist zumindest in dem Sinn ein Menschenrecht, daß man andere Personen nicht nach Belieben (öffentlich) beleidigen oder verletzen darf. Und dass Menschen sich besonders verletzt fühlen, wenn zentrale Symbole ihrer Religion, Kultur oder ethnischen Identität verächtlich gemacht werden, ist hinlänglich bekannt. Auch werden sich Holocaust-Überlebende besonders verletzt fühlen, wenn man zentrale Ikonen der Shoa für billige Reklame verwendet.
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Wenn ein tieferer Sinn dahinter steht, kann ich ein Recht (das der Meinungs- und Ausdrucksfreiheit) gegen ein anderes (das der Anerkennung einer Religion, Kultur oder Identität) abwägen. Wenn das Bild von "Arbeit macht Frei" aber nur billige Reklame ist, dann kannst du dir vielleicht vorstellen, wie eine solche Abwägung vielleicht enden wird.

Di., 15.04.2014 - 14:38 Permalink
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Mensch Ärgerdi… Di., 15.04.2014 - 14:47

Antwort auf von Christoph Fran…

Warscheinlich bin ich zu extremistisch in mein Demokratieverständnis, ich Teile die Meinung, dass Grillo oft schon zu weit gegangen ist, noch schlimmer wie dieses mal geht es fast nicht. Sie sprechen aber von "abgestumpft sein der Gesellschaft", woher kommt das? Wir tolerieren einfach einen Duce der uns von Finanzgebäude mit der Schrift "credere obbedire combattere" grüßt, ein Siegesdenkmal von einer besetzer Macht erstellt die zusammen mit den Nazis hier Kriegsverbrechen und verbrechen gegen die Menschlichkeit verübt hat (als wäre das was man unseren Volk hier mit der Option angetan hat nicht schlimm genug, vergessen wir nicht dass es auch in der Reschenstraße ein KZ gab), vom Kapuzinerwastl ganz zu schweigen und wundern und ärgern uns dann wenn ein Grillo Auschwitz und den damit verbundenen Holocaust nicht ernst nimmt? Genau hier fängt die Abstumpfung statt! Genau hier nistet sich der typisch italienische Gedanke ein, dass der Faschismus am Ende nicht so schlimm war, "una dittatura all'acqua di rose" würden man auf Italienisch sagen. Die Südtiroler Bevölkerung wurde (Gott sei Dank!) nicht ausgerottet, deren Situation kann auch nicht mit der der Juden verglichen werden, aber die Täter, die Peiniger, die Mentalität die sie voran trug waren ein und die selben!
Oder irre ich mich?
Nur wer bei uns es wagt etwas gegen den Faschismus zu sagen wird immer wieder automatisch als Italien und Italienerhasser abgestempelt, welcher ich auf keinster weise bin. Mit Verlaub glaube ich, dass Leute mit ihren Intellekt doch im Stande wären hier zu differenzieren.

Di., 15.04.2014 - 14:47 Permalink
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Christoph Moar Di., 15.04.2014 - 15:31

Antwort auf von Christoph Fran…

... ich versuche aber dir (MenschÄrgereDichNicht) "meine" Antwort dazu zu geben.
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Nein, du bist nicht zu extremistisch. Unterschiedliche Meinungen haben sowieso Platz in der Welt. Ich finde es aber richtig, dass Franceschini darauf hinweist, wie abgestumpft (wir?) schon sind, wenn kein Aufschrei wegen der Nutzung der Shoa-Ikone entflammt. Deine Parallele zur "Tolerierung" des Piffraderschen Reliefs oder gar des Siegesdenkmals zu ziehen ist aber schwierig. Einerseits ist es müßig, ein Unrecht durch ein anderes Unrecht zu rechtfertigen (was Du aber, soweit ich den Gedankengang folge, sowieso nicht tust). Zweitens aber, und das scheint mir gewichtiger, ist es nicht so dass es keinen Aufschrei wegen Piffrader und Siegesdenkmal gäbe. Ganz im Gegenteil. Die Zivilgesellschaft setzt sich damit auseinander - sehr wohl mit konträren Meinungen. Und es geht bei Siegesdenkmal und Relief um folgende Handlungsoptionen: a) man belässt alles wie es ist, b) man entkräftet die faschistische Ideologie durch einen historischen und musealen Kontext und c) man schleift die Werke bis auf die Grundmauern.
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Du siehst, vielleicht, dass wir hier von was anderem reden: Wir haben ein Siegestor mit (erlaube ich mir mal so) bescheidenem künstlerischen Wert und ein Relief von Piffrader, einem expressionistischen Künstler, dessen Relief Einzug in so manchem Kunstbuch gefunden hat weil es eben nicht nur blinde kunstlose faschistische Verherrlichung ist. (Und das sage ich jetzt nicht nur, weil Piffrader ein Kind meiner Heimatstadt ist). Die Entscheidung, welche Handlungsoption hier geeigneter ist, ist nicht eindeutig die Option c) - dazu müsste die Qualität des Werkes eher den Abbildungen von Kim Jong Il entsprechen.
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Die Situation bei Grillo ist aber nicht vergleichbar: dort haben wir nicht etwas, was da ist, und worüber entschieden werden muss ob man es wegmacht oder nicht. Grillo hat die Wahl, eine politische Botschaft an den Mann zu bringen, und entscheidet sich, für billige politische Propaganda Generationen von Holocaust-Überlebenden und Angehörigen zu verletzen. Ich finde es ist erlaubt, dies zu kritisieren.

Di., 15.04.2014 - 15:31 Permalink
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Manfred Gasser Di., 15.04.2014 - 16:48

Antwort auf von Christoph Fran…

@Christoph
Die erste ist schon mal eine gute Frage, ist Grillo Kunst? Würde ich erstmal verneinen, vielleicht eine Kunstfigur?
Ansonsten kann ich dir in vielem zustimmen, nur eines verstehe ich nicht ganz: Warum sollte die Kunst die Freiheiten haben, die du anderen absprechen möchtest? Ist die Kunst "supra partes"?

@MenschÄrgerDichNicht
Ich finde du machst das gut, nix mit extremistisch. Auch Herr Franceschini schreibt doch wörtlich, wir sollen uns empören, und das wird doch hoffentlich nicht nur auf Grillo begrenzt sein, oder? Also empöre dich über Sachen, die dir gegen den Strich gehen, und lass dich nicht von den Sittenwächtern hier einschüchtern!

Di., 15.04.2014 - 16:48 Permalink
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Christoph Moar Di., 15.04.2014 - 17:16

Antwort auf von Christoph Fran…

...habe ich hier (http://salto.bz/de/comment/10866#comment-10866) erklärt. Ist kein langer Thread, falls du die Zeit findest der Argumentation zu folgen.
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Verkürzt, falls die Lektüre dort ungewünscht ist, würde ich es folgendermaßen wiedergeben: Aus einer liberalen Grundhaltung heraus gestehe ich der Kunst im Prinzip alles zu: Selbst eine Verwendung und Verfremdung religiöser Symbole, sofern ein wie auch immer gearteter künstlerischer Ausdruck dahintersteht. Der Kippenberg'sche Frosch, um es beispielhaft darzustellen, darf zunächst auch Frosch am Kreuz sein.
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Es ist aber jedem von uns klar, dass Grundrechte auch nicht für sich alleine dastehen, sondern in Wechselbeziehung zu anderen stehen: Gestehe ich also dem Künstler dieses Recht zu, selbst zentrale religiöse Symbole zu verunstalten, dann nehme ich damit einem anderen Menschen seine Menschenwürde, indem ich dessen religiösen Gefühle verletze oder sein Recht auf Anerkennung beschneide. Es ist also, bei den meisten Rechten auf dieser Welt, immer auch eine Abwägung nötig. Mein Recht hört dort auf, wo ich das Recht eines anderen unverhältnismäßig beschneide.
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Diese Verhältnismäßigkeit zu erkennen, ist der Punkt an der ganzen Geschichte. Besteht eine künstlerische Message hinter einem Werk, das religiöse Gefühle beleidigt, so kann diese Abwägung anders ausgehen, als wenn die Beleidigung religiöser Gefühle aus "niederen Beweggründen" stattfindet. Einen ans Kreuz genagelten Frosch als plumpe schreiende Werbung für einen kommerziellen Pizzaservice würde ich anders abwägen als denselben Frosch, der als ironisches Selbsporträt den Gemütszustand eines Künstlers nach einer Lebensphase des Alkohol- und Drogenentzugs widergibt. Geschenkt, die Demarkationslinie ist weder klar noch unverrückbar. Es geht eben um Abwägung, wie auch in jedem Gericht.
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Wie ich bei der Kaaba schrieb: Ein liberales Weltbild, echte Aufklärung und auch Meinungsfreiheit zeichnen sich auch durch Argumente aus, die selbst scharfe Kritik an Religionen einschließen dürfen. Das bedeutet aber nicht, dass ich die Verletzung von Gefühlen nach dem Motto: "Alles ist erlaubt." gutheißen muss: Im Kern geht es hier also nicht nur um Meinungsfreiheit und ein aufgeklärtes Weltbild, sondern auch um die Anerkennung des Anderen, um den Respekt der Anderen, um Religionsfreiheit und um den Umgang mit grundlegenden religiösen Symbolen an sich. Und da kommt für mich, neben der rechtlichen Sphäre, auch die Ethik ins Spiel.
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Bei Grillos Shoa-Exploit darf ich mir dieselben ethischen Überlegungen stellen.

Di., 15.04.2014 - 17:16 Permalink
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Salto User
Manfred Gasser Mi., 16.04.2014 - 09:50

Antwort auf von Christoph Fran…

Ich habe den Thread gelesen, ich habe deine Antwort gelesen, und wieder kann ich vielem zustimmen, und wieder habe ich doch ein paar Punkte, die ich gerne geklärt haben würde:
Wer entscheidet über die Verhältnismässigkeit? Traust du dir zu, zu wissen oder zu entscheiden, was einen Christen, einen Moslem, einen Juden, einen Buddhisten, usw. zwar verletzt und beleidigt, aber noch "vertretbar" ist? Ich nicht.
Falls du dir diese schwere Aufgabe zutraust, noch eine Frage:
Ist diese Verhältnismässigkeit beim Jüdischen Glauben anders zu setzen, eben wegen der Shoa, oder sollte nicht langsam genug sein damit?

Mi., 16.04.2014 - 09:50 Permalink
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Christoph Moar Mi., 16.04.2014 - 10:31

Antwort auf von Christoph Fran…

Lieber Manfred, "Wer entscheidet über die Verhältnismässigkeit? Traust du dir zu, zu wissen
oder zu entscheiden, was einen Christen, einen Moslem, einen Juden, einen
Buddhisten, usw. zwar verletzt und beleidigt, aber noch "vertretbar" ist? Ich
nicht."
---
Nun, ich traue es mir nicht nur zu, ich weiss dass ich das eigentlich tagtäglich tun muss. Mit Respekt und vollem Bewusstsein der subjektiven Fehleinschätzungen, die eine solche Abwägung bedeutet. Im Leben muss jeder von uns regelmäßig solche Abwägungen vornehmen: Und die Demarkationslinie was geht und was nicht geht ist, wie ich bereits schrieb, weder unverrückbar noch klar zu erkennen. Ethische und philosophische Grundüberlegungen können dabei helfen: Der Kant'sche kategorische Imperativ ist dabei nie ganz falsch am Platz. Manchmal muss man aber auch nur "sein Gewissen" fragen.
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Falls es jetzt erschreckt, wie "ungenau" eine solche Vorgehensweise ist, sei hinzugefügt, dass jeder Richter tagtäglich solche Entscheidungen treffen muss. Es gibt täglich Justizfälle, wo die Rechtslage nicht eindeutig ist, wo Abwägungen getroffen werden müssen und die Verhältnismäßigkeit einer Straftat und einer Strafe geprüft und abgewogen werden muss. Das liegt im Sinne des Gesetzgebers, der eben ein Recht (sagen wir hier mal das der Meinungsfreiheit) nie absolut betrachtet, sondern immer in Abwägung zur Beschneidung anderer Rechte (in diesem Fall der Menschenwürde) sieht.
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Falls es interessiert - obwohl es vom Format her eher den Anspruch auf "populärwissenschaftliche Darstellung" genügt, findet man bei der Lektüre der "Gewissensfrage" in der Süddeutschen Zeitung eigentlich regelmäßig genau solche Fragen, auf die es keine präzise Ja oder Nein Antwort gibt, denen man sich aber mit Mitteln der Ethik, Philosophie und auch der juristischen Betrachtung näher kommen kann. Empfehlenswert.
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"Falls du dir diese schwere Aufgabe zutraust, noch eine Frage: Ist diese Verhältnismässigkeit beim Jüdischen Glauben anders zu setzen, eben wegen der Shoa, oder sollte nicht langsam genug sein damit?".
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Zur schwere der Aufgabe: Ich würde es zunächst anders formulieren - Ich wäre sehr froh, wenn jede(r) sich regelmäßig solchen Aufgaben stellen würde. Es gibt sie tagein, tagaus. Allzuoft entscheiden wir lieber gar nicht und schauen weg, um nicht eine Fehlentscheidung zu riskieren. Eine Situation zu reflektieren, eine Abwägung vorzunehmen und dann mit Überzeugung dazu zu stehen - oder sich auch im Dialog von besseren Argumenten des Gegenteils überzeugen zu lassen ist besser als ein Problem als "unlösbar" zu betrachten.
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Zum konkreten Fall: Ist die Verhältnismäßigkeit beim jüdischen Glauben anders zu setzen oder nicht? Zunächst geht es bei Grillo ja gar nicht über den jüdischen Glauben, sondern über die Missachtung eines ikonischen Symbols der Shoa, also ein Symbol, das Leid und Tod von sechs Millionen Menschen repräsentiert. Eine Abwägung hat aber auch tatsächlich eine individuelle Komponente: Der Richter entscheidet ja immer nur über den Einzelfall, niemals über allgemeine Situationen. Und die Bewertung des Einzelfalls bedeutet, dass ich alles betrachten muss, was diesen Einzelfall ausmacht. In Grillos Fall stehen auf der "Einen" Seite sein Recht auf Meinungsfreiheit, der Wunsch eine politische Botschaft zu überbringen, der Inhalt der Botschaft selbst. Und auf der "Anderen" Seite stehen die Gefühle von Generationen von Opfern und Angehörigen von Opfern des Holocausts, die für einen recht billigen Angriff auf Napolitano verletzt werden. Diese Abwägung darf jeder für sich entscheiden, meine Entscheidung habe ich bereits kundgetan.
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Hätte nun Grillo statt der Shoa etwas anderes genommen, könnte die Abwägung auch anders aussehen. Auf der "Einen" Seite wäre alles wie oben. Auf der "Anderen" Seite stünde kein Genozid mehr, sondern vielleicht die Gefühle von 2 Milliarden Christen auf der Welt. Die Entscheidung wäre auch hier individuell unter Berücksichtigung dieser Dinge zu fällen. Sie wäre eine "andere" Abwägung, könnte zum gleichen oder anderen Ergebnis führen. Was ich aber generell davon halte, hast du bereits aus der Geschichte zur Kaaba gesehen: Ich finde, dort hätte der Salto Redakteur das Heiligtum der Kaaba, das für 1,5 Milliarden Muslime ein höchst religiöses Symbol darstellt, nicht ohne Grund verwenden sollen. Es Bestand kein wesentlicher Informationsgehalt in dem Bild, als dass man die Kränkung der Gläubigen dafür in Kauf nehmen dürfte.
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Mit "sollte nicht langsam genug damit" sein sprichst du aber richtigerweise auch eine zeitliche Komponente an: Eine solche Abwägung ist auch immer situativ, sie wird also zu einem bestimmten Zeitpunkt getroffen und darf sich im Laufe der Zeit auch weiterentwickeln. Wertvorstellungen ändern sich, der gesetzliche Rahmen sowieso, der Schmerz und die Trauer von Angehörigen lässt mit der Zeit nach, die Zeit heilt Wunden. Damit ändert sich automatisch etwas auf der "Anderen" Seite der Abwägung, es könnte sich damit theoretisch eine veränderte Abwägung ergeben. Manchmal ändern sich Abwägungen zu einem Tabu auch dadurch, dass das Tabu bereits genügend oft gebrochen wurde. Wenn wir dem Bruch eines bestimmten Tabus derzeit aber nicht zustimmen, ist es richtig, dagegen aufzuschreien.

Mi., 16.04.2014 - 10:31 Permalink
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Mensch Ärgerdi… Mi., 16.04.2014 - 10:45

Antwort auf von Christoph Fran…

Nein eben nicht! Völkermord bleibt Völkermord, der Fehler liegt wenn darin den anderen vielen Völkermorden weniger Wichtigkeit oder Beachtung zu geben als den der Juden. Ich habe Franceschini mit den Zitat sozusagen "getratzt" um diese Botschaft zu senden und auf der Eigenartigkeit Südtirols diesbezüglich hinzuweisen. Rechtsextremismus bleibt in deutschen Kulturraum ein brennendes Thema, auch in Südtirol kommt es um FreiWild immer wieder zur Debatte, in Sterzing hat man vor kurzen Straßen unbenannt weil klar wurde das sie nach einen überzeugten Nazi benannt war. Ich finde es auch richtig so, ich begreife nicht wieso die faschistischen Relikte eine Sonderbehandlung verdienen. Kunst? Da kann ich nur lachen! Das ist Verherrlichung einer Diktatur basta aus amen! Wäre es nicht besser das Pifraderrelief zu zerstören und dafür ein Relief von Falcone und Borsellino zu erstellen, das würde vor dem Gericht doch besser hinpassen. Würde ein Mann wie Josef Mayr Nusser (und wenn ein deutscher nicht passt weil die Italiener dann ihren Disagio fühlen kann es gerne auch Primo Levi sein) nicht eher eine Statue auf den Siegesplatz verdienen, als ein Strasse wo Nachts Prostituierte ihrer Arbeit nachgehen?

Mi., 16.04.2014 - 10:45 Permalink
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Christoph Moar Mi., 16.04.2014 - 11:42

Antwort auf von Christoph Fran…

"Nein eben nicht! Völkermord bleibt Völkermord, der Fehler liegt wenn darin den anderen vielen Völkermorden weniger Wichtigkeit oder Beachtung zu geben als den der Juden."
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Verstehe ich nicht. Wo habe ich das Gegenteil behauptet? Ich habe sehr feinfühlig erläutert, dass jede Entscheidung darüber, ob im Sinne der Meinungsfreiheit ein anderes Recht beschnitten wird, immer situativ vorgenommen werden muss, unter Berücksichtigung der konkreten Situation. Das bedeutet, dass eine andere Situation eben auch zu identischen Ergebnissen führen kann oder auch nicht. Das hängt einfach von der anderen Situation ab. Verhältnismäßigkeit ist eben kein mathematischer Begriff. Im Übrigen sehe ich es exakt so, dass auch andere Genozide hohen Schutz und auch religiöse Symbole hohen Schutz genießen sollten. Es ist nur müßig, rein theoretisch eines mit dem anderen zu vergleichen. Wenn, dann muss man die konkrete Fragestellung stellen, und die habe ich, genau mit dem Beispiel der Kaaba, gebracht. Auch dort fand ich, die Störung religiöser Gefühle stünde nicht im Verhältnis zum Erkenntnisgewinn, der von der Karikatur ausging.
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Du begreifst nicht, warum die faschistischen Relikte eine Sonderbehandlung benötigen. Du darfst gerne diese Meinung vertreten, ich habe damit überhaupt kein Problem. Ich habe klar aufgezeigt, dass es drei Handlungsoptionen gibt: a) alles zu belassen, wie es ist; b) Historisierung und Musealisierung, um die faschistische Ideologie zu enkräften; c) bis auf die Grundmauern schleifen. Für dich scheint Handlungsoption c) die richtige, weil du auch keinen künstlerischen Wert in dem Werk erkennst: "Kunst? Da kann ich nur lachen! Das ist Verherrlichung einer Diktatur basta aus amen!"
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Das ist dein gutes Recht, so zu denken - ich lege aber nahe zu berücksichtigen, dass die Frage, ob etwas Kunst ist oder nicht nicht nur von deinem Bauchgefühl, sondern auch von dem anderer, von unserer ganzen Kultur und historischen Entwicklung definiert wird. Piffraders Werke haben nach meinem Kenntnisstand objektiv künstlerischen und kunsthistorischen Wert. Bei der Abwägung, ob man Handlungsoption a), b) oder c) für sich für richtig empfindet, darf dies eine Rolle spielen. Und es ist äußerst legitim, unterschiedliche Meinungen dazu zu haben. Bei einem Abbild Kim Jong Ils, wie wir sie alle kennen, wären sich wohl alle einig, welche Handlungsoption die geeignete wäre.
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Wer die Entscheidung zu fällen hat (ich bin es nicht) soll all das berücksichtigen. Da Piacentini im Unterschied zu Piffrader kein Kind Klausens war und ich nichts zu ihm gelesen habe, weiss ich weniger kunsthistorisches über ihn zu berichten. Darum meine weiter oben genannte Vermutung, dass der künstlerische Wert des Bogens bescheidener sei. Ich kann mich da aber gerne täuschen - dann sollen mir die Architekten nun die Leviten lesen.

Mi., 16.04.2014 - 11:42 Permalink
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Profil für Benutzer Mensch Ärgerdichnicht
Mensch Ärgerdi… Mi., 16.04.2014 - 12:08

Antwort auf von Christoph Fran…

Mein "nein eben nicht" galt der Frage von Manfred "oder sollte nicht langsam genug sein damit?"
Ja für mich ist Option C die einzige, die künstlerische Freiheit genau wie der "Beitrag" von Piffrader können mir gerne gestohlen bleiben, und um wieder zum Ursprung der Diskussion zu kommen: wie könnte man im gleichen Atemzug den Blogeintrag von Grillo gut heißen? Der kann genau so als "Beitrag" an der Kunst der Rhetorik, bei der das wecken von Emotionen gleich wichtig ist wie die Logik mit der Argumente aufgebaut werden, gesehen werden. Nein, ich bin über beides empört!

Mi., 16.04.2014 - 12:08 Permalink
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Christoph Moar Mi., 16.04.2014 - 12:15

Antwort auf von Christoph Fran…

"Mein "nein eben nicht" galt der Frage von Manfred "oder sollte nicht langsam genug sein damit?""
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Danke, hatte ich falsch interpretiert. Alles klar.
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"und um wieder zum Ursprung der Diskussion zu kommen: wie könnte man im gleichen Atemzug den Blogeintrag von Grillo gut heißen?"
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Dem stimme ich zu. Ich kann Grillos Aktion nicht gutheissen. Genausowenig wie die Kaaba-Karikatur einen wervollen Beitrag geleistet hätte. Ich bleibe dabei, dass ich das aber stets im Einzelfall abzuwägen habe. Bei einer anderen Situation, einer anderen Karikatur, müsste die Abwägung von Vorne anfangen, und dürfte keinesfalls zur Regel werden.

Mi., 16.04.2014 - 12:15 Permalink
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Salto User
Manfred Gasser Mi., 16.04.2014 - 15:05

Antwort auf von Christoph Fran…

Du hast recht, Völkermord bleibt Völkermord, und du hast auch recht, dass man jeden Völkermord als solchen im Gedächtnis behalten müsste, aber passiert das auch?
Ich wollte auch gar nicht auch nur einen Beistrich dieses schrecklichen Ereignisses, das man Shoa nennt, irgendwie relativieren, ich will überhaupt kein Verbrechen relativieren, ich frage mich einfach nur, ob es nicht an der Zeit wäre, das Judentum, das jüdische Volk, die Menschen jüdischen Glaubens, in der Verhältnismässigkeit(siehe oben)mit allen anderen gleichzustellen.

Mi., 16.04.2014 - 15:05 Permalink
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Profil für Benutzer Lorenz Gallmetzer
Lorenz Gallmetzer Di., 15.04.2014 - 13:31

Ist mir da was entgangen? Kann den Text von menschärgere..., auf den Christoph Franceschini offenbar antwortet, nicht sehen

Di., 15.04.2014 - 13:31 Permalink
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Profil für Benutzer Frank Blumtritt
Frank Blumtritt Fr., 18.04.2014 - 21:41

Grillo hat als Komiker und Politiker sein Leben lang die Kunst perfektioniert, aus verschiedenen Gründen die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Ist er das Problem, oder die Aufmerksamkeit, die dem geschenkt wird?
Pendant: Berlusconi ein Leben lang die Anhäufung von Reichtum und Macht perfektioniert. Ist er das Problem der letzten Jahrzehnte, oder Jene, die diesen Stil geteilt, oder davon mit profitiert haben?

Das wahre Problem sind doch immer wir selbst, mit unseren unverarbeiteten Tabus und Jene, die davon profitieren: die religiösen, politischen und wirtschaftlichen Lobbies.

Fr., 18.04.2014 - 21:41 Permalink