Gesellschaft | kalašnikov&valeriana

Patriarchales Wasserbad

„Ihr Frauen seid euch selbst die größten Feinde!“
Frauenmarsch
Foto: Beatrix Burger

Immer wieder werde ich darauf angesprochen: „Nicht mal ihr Feministinnen schafft es wirklich, gemeinsam am selben Strang zu ziehen“ oder auch „Ihr Frauen seid euch selbst die größten Feinde!“. Und immer wieder erfahre ich es am eigenen Leib, wie ich von den Frauen in der Gruppe taxiert und eingestuft werde auf einer Skala von bedrohlich bis uninteressant. Da gelingt es oft nicht mal meinem losen Mundwerk zu signalisieren: „Hey, mir geht es nicht darum, dich auszustechen … Lasst uns doch schauen, ob wir gemeinsam was bewegen können!“

Woher das kommt? Aus der konkurrenzorientierten und polarisierenden Gesellschaftsstruktur, in der wir wie in einem Wasserbad von Geburt an vor uns hin köcheln: wir alle, inklusive Feministinnen. Es ist ein System, in dem wir von Anfang an lernen, uns gegenseitig zu bewerten und auszuschalten. Ein System, in dem wir Frauen uns selbst gegenseitig unter Kontrolle halten und gewissermaßen als Wärterinnen des Patriarchats wesentlich zur Erhaltung des Status Quo beitragen. So wachen wir selbst über das „korrekte“ Ausleben der Weiblichkeit. Werten unsere Körper, unsere Sexualität, unsere Outfits, unsere Leben nach den doppelten Moralvorgaben des Patriarchats: Huren oder Heilige. Jedes Mal, wenn wir als Wachhunde unserer Schwestern fungieren, verpassen wir eine Gelegenheit, solidarisch zu handeln. Wir feinden uns gegenseitig an, statt den gemeinsamen Feind zu erkennen und zu bekämpfen. Wir stecken unsere Energien in ein System, das uns selbst zum Verhängnis wird.

Keiner und keine ist dagegen gefeit, jeder und jede hat aber Zugriff auf ein starkes Instrument, um den Kreislauf zu durchbrechen: auf den Feminismus. Lassen wir uns vom Wortstamm Fem (vom lateinischen femina) nicht trügen. Diese Hommage an die Ursprünge dieses revolutionären Gedankengutes bedeutet noch lange nicht, dass Feminismus Frauensache ist! Mittlerweile verpönt als überholt, entzweiend, wie Maskulinismus, nur umgekehrt – auf jeden Fall ideologisch und vorangebracht von frustrierten und bösen Männerhasserinnen … Feminismus (oder vielmehr Feminismen, ich beziehe mich vor allem auf den intersektionalen Feminismus) ist allerdings vor allem eines: ein kontinuierlicher Prozess der Dekonstruktion patriarchaler Denkmuster. Feminismus betrachtet das Patriarchat als System, das sich durch die Unterdrückung der Menschen aufrechterhält, ein System, das für niemanden tragbar ist. Die notwendige Veränderung ist grundlegend, inkludierend, pluralistisch, horizontal, praxisorientiert und niederschwellig. Diese Werte gilt es zu übernehmen und umzusetzen!

Und zwar beginnend bei einem Miteinander statt eines Gegeneinander im Alltag bis hin zum kollektiven Bewusstsein, dass Feminismus unsere Chance ist, eine gerechtere Gesellschaft zu schaffen.