Gesellschaft | Aus dem Blog von Markus Lobis

Landesrätin auf Abwegen

Landesrätin Sabina Kaslatter Mur hat sich heute darüber entrüstet, dass es nicht angehe, dass Eltern ihre Kinder in den deutschen Kindergarten stecken, um bessere Chancen für die Zukunft zu haben und dann zu Hause kein "deutsches Umfeld" aufbauen, um lauter kleine Goethes aus den Sprößlingen zu machen.

Ein hanebüchener Ansatz!
Hinweis: Dieser Artikel ist ein Beitrag der Community und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.

(Vorspann, nachträglich eingebracht am 11.4.: Gestern hatte ich ein längeres Telefongespräch mit Landesrätin Kaslatter Mur, für das ich mich aufrichtig bedanke. Landesrätin Kaslatter Mur hat sich darin über die Darstellung ihrer Aussage in meinem Beitrag beschwert und ausgeführt, dass sie wesentlich differenzierter zur Sache gegangen sei: Sie habe es als Problem dargestellt, dass es in Bozen italienischsprachige Eltern gebe, die ihre Kinder in den deutschsprachigen Kindergarten einschreiben, selbst aber kein Deutsch können und dem Deutschen gegenüber eher negativ eingestellt sind. Ich hatte die Aussagen der Landesrätin auszugsweise im Sender Bozen gehört und den beschriebenen Ductus und Inhalt wahrgenommen. Unabhängig von der Wortwahl, ändert eine wie immer geartete Abschwächung der Aussagen der Landesrätin an den wesentlichen Inhalten meines Blog-Beitrages nichts und ich greife deshalb in den ursprünglichen Text meines Beitrages nicht ein. Ich räume ein, dass ich zur Polemik neige, die mir auch als Textsorte geeignet erscheint, Mißstände aufzuzeigen und Diskussionen anzufachen - wie man es hier eindrucksvoll sehen kann. Ich werde allerdings meine polemische Ader zurückdrängen, die vor allem in einer Zeit gewachsen ist, in der Andersdenkende in der Watt- und Speckrepublik ((saggra! schon wieder polemisch...)) radikal ausgegrenzt und von der öffentlichen Debatte knallhart ausgeschlossen wurden. Ich stelle erfreut fest, dass die Gesprächsbereitschaft und die Lust an grundsätzlichen Debatten auf allen Ebenen in der letzten Zeit sehr zugenommen hat. Das Problem liegt aber viel tiefer: Die Frau Landesrätin und ich waren uns einig, dass wir in allen Politik-Feldern, die Südtirol betreffen, immer wieder auf einen toten Punkt kommen: Es gibt keinen Konsens über eine mögliche Zukunft für dieses kleine Land, wir wissen nicht, wo es sich hin entwickeln soll und das führt zu einer Lähmung der Gesellschaft, Mißgunst und Egoismen, die die Abwärtsspirale antreiben. Eine Debatte über die Autonomie kann sich nicht darauf beschränken, wie der Einfluss des Staates weiter zurückgedrängt werden kann. Ihr muss vielmehr ein neues Gesellschaftsmodell zu Grunde gelegt werden, das von möglichst allen in Südtirol lebenden Menschen als erstrebenswert eingeschätzt wird.)

Ich gebe es zu: Auch ich gehöre zu den "obiettori linguistici", wie Gabriele Di Luca jene Eltern definiert, die ihre Kinder in die Kindergärten der zweiten Sprachgruppe einschreiben, bzw. eingeschrieben haben, weil meine diesem zarten Alter schon entwachsen sind. Wir ziehen also die große Bedrohung für das täglich, stündlich, minütlich, sekündlich vor sich hin sterbende Tiroler Völklein heran, potenzielle Sprach-Bastarden sozusagen.

Dabei nehmen wir nur unsere Rechte wahr und das ist auch gut so. Schon mehrmals hat Frau Kaslatter Mur mit bedauerndem bis aufgebrachtem Ton erklärt, dass - leider! - das Elternrecht in Kindergarten- und Schulfragen vorgehe und dass die Verwaltung nur sehr beschränkt in diese Rechte eingreifen kann. Man hat es ja versucht und immer wieder italienischsprachige Kinder von deutschsprachigen Kindergärten verwiesen, damit die angehenden Nobelpreisträger aus dem eigenen Sprachnest nicht an der kometenhaften Verbesserung ihrer Sprachbiographie gehindert werden.

Ich bedanke mich ausdrücklich beim Schulamt für die italienischsprachigen Südtiroler, dass mir diese hochnotpeinliche Prüfung erspart geblieben ist, als ich meine vier Kinder der Reihe nach ohne irgendwelche Italienisch-Kenntnisse in den Kindergarten bringen durfte, wo sie liebevoll und professionell betreut und schon in zartem Alter von drei und weniger Jahren aufgenommen wurden. Die ersten beiden kamen noch ins vollkommen kalte Italienisch-Wasser und - siehe da! - schon nach ein paar Wochen quasselten sie problemlos mit und verwandelten sich nicht - wie von Blut- und Boden-Apologeten an die Wand gemalt - in dumpfe Kultur-Zombies, die orientierungs-, identitäts- und heimatlos ihrem verpfuschten Leben zuwanken, von verantwortungslosen Eltern aller Zukunftschancen beraubt.

Die beiden Kleinen hatten es noch besser: Sie konnten an Versuchsklassen teilnehmen, in denen Mehrsprachigkeit in der Praxis ausgetestet wurde und wird, ja, sie genossen sogar das von uns Raben-Eltern bevorzugte Modell der mehrsprachigen Unterweisung durch Kindergarten-Lehrerinnen, die verschiedenen Sprachgruppen angehören und konsequent nur ihre Sprache sprechen. Kinder wollen nicht Politik machen, sie wollen lernen, wachsen, kommunizieren. Und sie wissen: Cinzia spricht Italienisch, um bei ihr Erfolg zu haben, ist Dantes Idiom ein gutes Mittel, während Erika ganz der Sprache des großen Geheimrats zugeneigt ist.

Ich glaube, dass es in den Kindergärten mit italienischer Unterrichtssprache keine Sektion mehr gibt, in der der antiquierte Regel-Unterricht angewendet wird, der bei Südtirols Teutonen noch als der Stein der Weisen gilt. Wo man bei den Italienern hinschaut, gibt es nur "sperimentazioni" und "progetti di apprendimento della seconda lingua" und ähnliches. Die italienischsprachigen Südtiroler haben ihre Autonomie genutzt und wagen Neues. Sie dürfen es nur nicht an die große Glocke hängen, weil die SVP den Hahn sonst wieder zudreht.

Und was macht die Landesrätin Kaslatter Mur derweil? Sie beklagt, dass italienischsprachige Eltern zu Hause kein "deutsches Umfeld" aufbauen, wenn sie schon ihren Kindern eine gute Zukunft angedeihen lassen wollen. Darüber habe ich mir als Deutsch-Verräter keine Gedanken gemacht und erst diese arroganten Aussagen der Landesrätin lassen mich vor Scham erröten: Ich habe mich noch nicht bei Südtirols Italienern dafür bedankt, dass sie meine Kinder liebevoll und kompetent aufgenommen haben, ohne von mir zu verlangen, zu Hause ein "italienisches Umfeld" zu schaffen.

Ich wüsste nicht, wie das geht...

 

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pérvasion

Dir ist aber schon klar, dass die deutsche Schule die Schule einer nationalen Sprachminderheit ist und dass es bei der Schule der »nationalen Mehrheit« naturgemäß (!) weniger Berührungsängste gibt. Dennoch, also obwohl es keine italienische Schule ohne irgendein sprachliches Versuchsmodell gibt, schneiden die deutschsprachigen Schüler bei den Zweitsprachkenntnissen im Durchschnitt deutlich besser ab als ihre italienischsprachigen Kollegen. Wie erklärst du dir das?

Ad »Rabeneltern«: Wir hatten doch schon einmal darüber diskutiert, dass man zwischen individueller und kollektiver Dimension unterscheiden muss. Während es für den Einzelnen sicher von Vorteil sein kann, auch »unkontrolliert« in die andere Sprache »einzutauchen«, muss das Fazit aus gesamtgesellschaftlicher Sicht notwendigerweise differenzierter ausfallen: Eine totale Liberalisierung des Sprachunterrichts kann für eine sprachliche Minderheit über kurz oder lang nur bedeuten, dass die Sprachlandschaft in die Nationalsprache »kippt«. Schon mit dem heutigen Schulsystem ist die Situation ausgewogener, als es die Erhebung der Sprachgruppen vermuten ließe. Man muss mit einer derartigen Entwicklung aus gesamtgesellschaftlicher Sicht also sehr behutsam und konservativ umgehen, wenn man mittelfristig am Fortbestand einer mehrsprachigen Gesellschaft interessiert ist. Wären wir nicht eine Minderheit in einem Nationalstaat, könnten wir natürlich viel offener mit diesem Thema umgehen.

Ad vor sich hin sterbendes Tiroler Völklein: Du wirst wohl hoffentlich nicht »Tirol« mit »deutsch« gleichsetzen?

Di., 09.04.2013 - 19:38 Permalink

liebeR pérvasion, deine argumente führen nicht zur pérsuasiòn, außer du wärst ein Baske oder eine Baskin, dann könnte deine sache mit der sprachlichen minderheit, die irgendwo hinein kippt, ja noch stimmen. aber als deutschsprachigeR? du kannst in einer stunde wo sein, wo deutsch die nationalsprache ist, du kannst innerhalb von sekunden im internet im deutschen dich bewegen. dein bild kommt mir vor, als gebe es weder europa noch internet...
hat nicht mateo taibon die sache auf den punkt gebracht, als er die ladinische schule als beispiel angeführt hat, wie man dreisprachig unbeschwert eben nicht gleich umkippt oder sprachlich ausstirbt?

Di., 09.04.2013 - 22:31 Permalink

Du hast mit allem recht; gegenüber Basken, Katalanen oder auch anderen kleinen Sprachen haben wir Zugriff auf Informations- und Kulturgüter von 100 Mio. Menschen; ganz in unserer Nähe. Meine Erfahrung aber ist daß das (Klein)Kind vom sehr kleinen sozialen Umfeld(Schule, Eltern, Freunde und Freundinnen, Verwandte) zuerst geprägt wird. Gelinde gesagt; auch wenn sie Zugriff auf Informations- und Kulturgüter von 100 Mio. oder 60Mio. Menschen haben; geprägt wird sie erstmal von den Verhältnissen in der eigenen kleinen Volksschule und vom eigenen Elternhaus. Es ist eben nicht so einfach. Das Potenzial aller Möglichkeiten schöpfen sie erst später aus.

Di., 09.04.2013 - 22:41 Permalink

Du machst es dir ein bisschen zu einfach — und tust so, als gäbe es keine Nationalstaaten. Als wären die meisten Produkte, die wir erwerben, nicht einsprachig in der Staatssprache beschriftet. Als hätten nicht die meisten Medikamente einsprachige Packungsbeilagen. Als wäre Deutsch vor Gericht nicht eine völlig marginale Erscheinung. Als wäre Deutsch für den Erwerb der Staatsbürgerschaft nicht (fast) irrelevant. Das kann man natürlich alles leugnen oder bagatellisieren, doch es ist einer ergebnisoffenen Diskussion nicht dienlich. Natürlich kann auch eine deutsche Minderheit trotz deutschsprachiger Nachbarländer, trotz Internet und trotz Europa assimiliert werden. Siehe Elsass. Siehe Aosta, wo eine französische Minderheit erfolgreich assimiliert wurde, obwohl Frankreich wenige Kilometer entfernt ist — genauso wie praktisch alle anderen Minderheiten in Italien erfolgreich assimiliert wurden.

Zu den Ladinern: 1) Das dortige Schulmodell ist völlig unbefriedigend, da die Muttersprache absolut vernachlässigt wird. Der Ladinischunterricht müsste drastisch verstärkt werden (derzeit 1-2 Wochenstunden). 2) Die Situation in Ladinien »kippt« m. E. vor allem deshalb nicht, da die Ladiner in ein Land (Südtirol) eingebettet sind, wo ihre beide »Zweitsprachen«, Deutsch und Italienisch, wichtig sind und von den jeweiligen Sprachgemeinschaften relativ stabil gehalten werden.

Di., 09.04.2013 - 22:57 Permalink

Sehr geehrter Herr Lobis,

mit viel Interesse habe ich Ihren Beitrag zur Handhabung der Zweitsprache im Kindergarten gelesen.
Wie man unschwer erkennen kann, ist dies ein sehr emotionales Thema für Sie.
Ich nehme an, Ausdücke wie "potenzielle Sprach-Bastarden", "Blut- und Boden-Apologeten", "Deutsch-Verräter", usw. sind ein Ausdruck der Bedeutung, die Sie diesem wichtigen Problem unseres Landes beimessen.
Ich denke, wir sollten zuallererst einmal festhalten, dass es den Eltern in unserem Land frei überlassen sein sollte, welche Entscheidung sie für ihr Kind treffen.
Da gibt es kein "richtig" oder "falsch".
Sie werden mir als Vater zustimmen, dass die Entwicklung unserer Kinder bis zum Schluss zum überwiegenden Teil vom Elternhaus bestimmt wird. Dieses entscheidet darüber, ob unsere Kinder weltoffen werden, sich aber auch ihrer Herkunft und speziellen Identität bewusst sind.
Da zwei meiner Kinder ebenfalls den italienischen Kindergarten besucht haben, traue ich es mir zu, aus Erfahrung zu sprechen.
Doch befinden sich die Südtiroler deutscher Muttersprache nicht ganz in derselben Ausgangsposition, wie unsere italienisch-sprachigen Mitbürger.
Es ist fast so, als umarmte eine Maus einen Elephanten und machte sich dabei Sorgen, sie könnte den Dickhäuter erwürgen...
Unsere italienischen Mitbürger sind eingebettet in ein Volk von über 50 Millionen Menschen, die unwillkürlich auf alle anderen Bewohner dieses Staates (Frankophone Aostaner, Friulaner, Slowenen, Albaner, Griechen,...) einen sprachlichen und kulturellen Druck ausüben.
Natürlich ist es leicht, freimütig "sperimentazioni" und "progetti di apprendimento della seconda lingua" durchzuführen, wenn man sich sicher sein kann, ein Geschäft auf dem Waltherplatz betreten zu können und dort dennoch einen Menschen vorzufinden, der die eigene Muttersprache beherrscht.
Leider ist es mir erst neulich an derselben Stelle wieder passiert, niemanden vorzufinden, der Deutsch spricht...
Aber natürlich bin ich dann der sture und intolerante Tiroler, denn ich kann ja Italienisch...

Di., 09.04.2013 - 20:50 Permalink

Erst einmal muss ich hier eine Lanze für die deutschsprachigen Kindergärten und Kindergärtner/innen brechen. Ich bin sehr beeindruckt, wie liebevoll diese mit Kindern *aller* Sprachgruppen umgehen, und wie viele (unbezahlte) Nerven sie damit aufbringen, als Nicht-für-Sprachunterricht-ausgebildete Pädagog/inn/en, den multilingualen und multikulturellen Istzustand zu bewältigen.

Zweitens, lieber Markus, kannst Du Dich glücklich schätzen, wohl etwas erlebt zu haben, das in vielen Ländern Normalität ist, bei uns aber im Allgemeinen nicht funktionieren kann: eine moderate Zahl an "fremdsprachigen" Kindern in eine Kindergartengruppe zu integrieren, ist machbar und für alle Beteiligten eine Bereicherung. Da bin ich ganz bei Dir. Ich habe keine aktuelle Statistik vorliegen, aber nach gefühlter Wahrnehmung besteht eine, sagen wir, 25-köpfige deutschsprachige Kindergartengruppe in Bozen aus 4 Kindern mit Assimilationshintergrund (was ich sehr positiv finde!), 6 Kindern italienischsprachiger Eltern, 8 Kindern aus gemischtsprachigen Ehen, 2 Kindern bundesdeutscher Eltern und gerade 5 Kindern mit traditionellem, (deutsch)tirolerischem Hintergrund.

Soweit klingt das fantastisch, ist aber extrem unfair den Kindergärtner/innen gegenüber, die haben es nämlich mit einer zweidimensionalen Matrix an Sprachkompetenz zu tun: 3 bis 4 Stufen an herkunftsbedingter Sprachkenntnis und 2- bis 6-jährige in der Gruppe. Übern Daumen: 20 Stufen auf 25 Kinder. Für jemand, der/die nicht für Sprachunterricht ausgebildet wurde, ist das gelinde gesagt eine heftige Herausforderung, und vermutlich kaum zum Wohl auch nur eines der Kinder. Effektive Sprachförderung der muttersprachlichen Kinder ist in diesem System jedenfalls nicht mehr möglich.

Und dann ist da noch der Punkt, der mit Respekt der Eltern vor Hauptsprache und Kultur des Kindergartens zu tun hat: es gibt Eltern, die bereiten ihre Kinder auf die Herausforderung des fremdsprachigen Kindergartenunterrichts vor und suchen den Dialog mit den Pädagog/inn/en und den anderen Eltern. Einfach vorbildlich, da haben wir sehr gute Erfahrungen gemacht und da kann ich mir nur etwas abschneiden. Aber, es gibt auch die anderen, und ich muss sagen, ich war unangenehm überrascht, wie viele es sind. Bringen ihr Kind herein, „ciaò amore“, verwickeln die Kindergärtnerin in ein 20-minutiges Gespräch, natürlich auf Italienisch, während sich die Assistentin doch „liebevoll“ um besagtes Kind auf Italienisch kümmern möge, bleiben beim Smalltalk mit anderen Eltern konsequent unter ihresgleichen, um mit einem schallenden „Arrivederci“ das Gebäude zu verlassen in der Erwartung, dass bis mittags ihr Kind perfekt Deutsch gelernt hat. Das „deutsche Umfeld“ muss wirklich nicht zu Hause aufgebaut werden, aber spätestens ab der Türschwelle des Kindergartens fände ich die Mithilfe und den Respekt der Genitori und Nonni eine tolle Sache.

Bleibt die Suche nach dem bestmöglichen System. Irgendwo zwischen Deinem und dem der Landesrätin blieb die geniale Idee leider bis heute unentdeckt…

Di., 09.04.2013 - 21:17 Permalink

Habe mit Interesse die verschiedenen Standpunkte gelesen, und den genauen Wortlaut von Frau Landesrätin muss ich ehrlich gesagt noch recherchieren, um mir meine Meinung zu bilden. Aber eines verstehe ich nicht: "4 Kindern mit Assimilationshintergrund (was ich sehr positiv finde!), 6 Kindern italienischsprachiger Eltern, 8 Kindern aus gemischtsprachigen Ehen, 2 Kindern bundesdeutscher Eltern und gerade 5 Kindern mit traditionellem, (deutsch)tirolerischem Hintergrund".

Die mit Migrationshintergrund mal geschenkt (assimilieren wollen wir hier keinen, ich zumindest nicht :), und die 6 Kinder italienischsprachiger Eltern auch beiseite geschoben. Wie genau will man zwischen Kindern aus gemischtsprachigen Ehen, aus bundesdeutschen Eltern und aus denen mit "traditionellem (deutsch)tirolerischem Hintergrund" letztlich unterschiedliche Stufen an herkunftsbedingter (!) Sprachkenntnis konstruieren?

Das ist mir zu kurz gedacht oder formuliert. Die (sehr wohl vorhandene) unterschiedliche Sprachkenntnis der (in diesem Beispiel deutschen) Sprache rührt wohl davon ab, wieviel Zeit sich die Eltern genommen haben, um mit ihren Kindern zu lesen, zu sprechen und zu spielen. Da kann ein einzelnes Elternteil aus einer gemischten Ehe mehr investiert (und mehr erreicht) haben als zwei oder mehr Elternteile aus "traditionellem (deutsch)tirolerischem Hintergrund". Sprache, Bildung, und Erziehung sind die Schlüssel, doch nicht die Herkunft.

Das bestmögliche System habe ich auch nicht parat. Ich habe aber durchaus die Vermutung, dass pädagogische Einrichtungen und erzieherische Verantwortung der Eltern bei einem solchen bestmöglichen System wohl zusammenarbeiten sollten. Insofern ist an Frau Kasslatters Aussage dann doch wieder etwas dran? Wenngleich ich, ich wiederhole es, noch nicht ihren Wortlaut kenne - wenn er so knapp provokant sein sollte, wie Markus ihn zitiert, dann wär's mir auch etwas zu platt.

Di., 09.04.2013 - 21:51 Permalink

Vielen Dank, Christoph, für die Richtigstellung meines schändlichen Migrations-Verschreibers. Ganz bestimmt wollte ich niemanden asssimilieren!

Ich kann Deiner Argumentation durchaus etwas abgewinnen. Selbstverständlich kann man da nichts verallgemeinern. Natürlich gibt es zweisprachige Familien, die ihre Kinder in beiden Sprachen besser fördern, als manch einsprachige. Ich will sicher nicht implizieren, dass es da einen 1:1 Zusammenhang gäbe. Wir sprechen von 3-Jährigen. Es geht mir nicht um mögliche Vorteile für die spätere Schulkarriere. Es generell oder tendenziell so hinzustellen, als ob 3-Jährige aus gemischtsprachiger Herkunft beide Sprachen gleich gut beherrschen würden, wie 3-Jährige einsprachiger Herkunft die eine Sprache, würde mit jetzt aber auch zu weit gehen. Eine tendenzielle Korrelation scheint mir durchaus gegeben. Ich will mich darüber aber auch nicht streiten. Es geht mir vielmehr darum, dass wir alle Kinder/Pädagogen/Eltern mit einem vorgegeben System zurechtkommen müssen. Wenn das System vorsieht, dass im Kindergarten Fremdsprachenunterricht gegeben wird, dann kann ich mich damit durchaus anfreunden. Wenn das System aber Einsprachenunterricht vorsieht, dann geht das Verlangen nach Fremdsprachenunterricht auf Kosten der anderen Kinder als auch auf Kosten der Kindergärtner/innen.

Und natürlich können wir viele Wünsche, die in diesem Forum diskutiert umsetzen, wenn wir nur bereit wären, zu sagen, dass es uns auch etwas wert ist. Wenn wir das Geld in die Hand nehmen würden, mit unseren Autonomiegeldern jeder Kindergartengruppe einen zusätzlichen Fremdsprachenpädagogen zu finanzieren (also drei pro Gruppe statt zwei), dann würden Milch und Honig fließen.

Mi., 10.04.2013 - 10:48 Permalink

Der Assimilationstypo ist nicht der Rede wert. Vor lauter politically correct weiss man bald sowieso nicht was schreiben. Ich lese in D dass "Menschen mit Migrationshintergrund" mittlerweile auch wieder schräg angeschaut wird, man sucht bereits nach Alternativen... das Rad dreht sich. Aber das mal beiseite, ich kann dir getrost weitgehend zustimmen, ich seh es nicht viel anders. Bei einem Punkt, den Du betonst, tu ich mich wirklich schwer:

Bei 3jährigen generell oder tendenziell Unterschiede in der sprachlichen Kompetenz erkennen zu wollen, je nachdem ob die Eltern "bundesdeutsch", "traditionell (deutsch)tirolerisch" oder "gemischt" sind. Meine Kinder haben mit 3 Jahren alle diese drei sprachlichen Einflüsse hinter sich gehabt und galten (und gelten) als mit die sprachlich gewandtesten ihrer jeweiligen Gruppe und später Schulklasse. Ich muss (für mich, will mich aber genausowenig streiten) dabei bleiben: ich glaube nicht dass es herkunftsbedingte (!) Sprachkenntnis Unterschiede bei den drei oben genannten Kategorien geben kann (Familien mit Migrationshintergrund und einsprachige Italienische Familien hier ausdrücklich ausgenommen).

Wenn es Unterschiede in der Sprachkenntnis gibt (und die gibt es), dann liegt es nur am pädagogischen und erzieherischen Engagement. Wenn bei einer einheimischen Familie den ganzen Tag über das Fernsehprogramm von RTL2 rieselt, dann wird das Kind nach meiner Meinung eine schlechtere Sprachkenntnis haben als das einer gemischtsprachigen Familie, die das nicht tut.

Für den Rest stimme ich dir zu, wir hätten vermutlich sogar die finanziellen Möglichkeiten, dass hier Milch und Honig fließen würden, und die PädagogInnen und ErzieherInnen würden sich diese Unterstützung redlich verdienen. Wir haben in Südtirol auch den "Luxus", dass wir eine Integrationsschule betreiben, auch sowas ist zum Beispiel in Bundesdeutschland nicht selbstverständlich. Ich bin froh, dass ich früher und meine Kinder heute die Chance haben, mit anders befähigten (schon wieder so ein politically korrekter Ausdruck) Kinder zusammen aufzuwachsen, und ich bin froh, dass die Pädagogen in dem Fall einen Stützlehrer zur Seite gestellt kriegen. Das könnte man für die sprachliche frühförderung durchaus auch andenken, da hast du Recht.

Mi., 10.04.2013 - 11:08 Permalink

ich schrieb von "tendenziell" und nicht "generell". Und ich schrieb nicht über "sprachliche Kompetenz", sondern über das Beherrschen der einen Sprache. Sei mir zur Veranschaulichung die (natürlich bewusst überzogene) Milchmädchenrechnung gestattet: benötigt man die doppelte sprachliche Kompetenz, um im zarten Alter von drei Jahren zwei Sprachen so gut zu beherrschen, wie andere eine tun ? Wollen wir das jetzt nicht im Detail zerreden, wir können sowieso nicht den vielen gelebten (und vielen sehr bewundernswerten) Modellen gerecht werden. Es freut mich die Übereinstimmung beim Rest und ja vor lauter politisch korrekt kann einem/r schon der eigentliche Inhalt des Gedankens aus dem Sinn geraten. Schön, dass es uns hier trotzdem die Bemühung wert ist. Außerdem hatte ich schon angedeutet, dass eventuelle Vorteile für die spätere Schulkarriere durchaus ein Analyse wert sind. Deine Familie scheint diese These zu bestätigen, wozu ich gratuliere.

Mi., 10.04.2013 - 11:38 Permalink
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pérvasion

»Und sie wissen: Cinzia spricht Italienisch, um bei ihr Erfolg zu haben, ist Dantes Idiom ein gutes Mittel, während Erika ganz der Sprache des großen Geheimrats zugeneigt ist.«

Dass »one person, one language« nicht funktioniert bzw. nicht notwendig ist, Markus, weiß ich aus deinem Gespräch mit Prof. Rita Franceschini. Kannst du dich nicht mehr daran erinnern? Ich hatte hier ein paar interessante Zitate aus dem Interview zusammengeschrieben: http://www.brennerbasisdemokratie.eu/?p=11484 Zum Beispiel das, dass es laut Franceschini ein Schulsystem braucht, das die Minderheitensprache schützt.

Di., 09.04.2013 - 21:33 Permalink

Das mit der Schule und dem Kindergarten ist so wie es Herr Lobis darstellt meiner Ansicht nicht so ganz sinnvoll und richtig. MA ist das Problem daß es in Südtirol vollkommen verschiedene soziale (und ethnische) Welten gibt. In der (deutschen) Volksschule die meine Tochter besucht gibt es sehr viele Kinder aus zweisprachigen und auch aus Italienischen Familien. Der Hauptlehrer mußte Maßnahmen ergreifen um zu verhindern daß die Kinder im Schulhof unter sich nicht in der lingua franca Italienisch kommunizieren weil darunter der Deutschunterricht leiden würde; ich begrüße diese Maßnahmen. Eine zweisprachige Schule im Sinne von Herrn Lobis würde die meine in eine quasi Italienische Schule verwandeln weil die ethnisch ein Gutteil bereits in diese Richtung tendiert. Anders bei meinen Verwandten im Obervinschgau; dort könnte ich Lobis' Modellen und Experimenten bei aller Wahrung der deutschen Schule viel abgewinnen zumal ich gegenüber den 80ern den Eindruck habe daß die die Kenntnis der Zweitsprache zusehends immer schwächer wird weil man angeblich in der Arbeitswelt und im Sozialen Leben "walsch" ohnehin nicht mehr so braucht; bei Manchen kommt politisch motivierte Ablehnung als erschwerendes Merkmal noch hinzu. Zulassen von Modellen und Experimenten soll meiner Ansicht genau auf das Umfeld abgestimmt werden; Modelle die in den deutschen Tälern zurecht gefragt wären hätten bsw. in Bozen eine fatale Wirkung auf die muttersprachliche Sprachkompetenz. Es ist nicht so einfach.

Di., 09.04.2013 - 21:49 Permalink

Das ist schon mal ein wesentlich besserer Ansatz. Leider argumentieren die Befürworter der mehrsprachigen Schule meist genau umgekehrt — und plädieren für ihr Modell ausschließlich in Städten und größeren Zentren, was aus den von dir genannten Gründen völliger Unfug ist.

Dass in den Tälern immer weniger Italienisch gelernt und gesprochen wird, entspricht nicht meiner subjektiven Beobachtung. Leider konnte mir das Astat hierfür keine Spur einer Erhebung nennen... Mehrsprachigkeit scheint hierzulande wohl zu unwichtig zu sein!?!? Dabei wären solche Daten dringend nötig, *bevor* mit irgendwelchen Schulversuchen begonnen wird.

Di., 09.04.2013 - 21:55 Permalink
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Martin Geier

Antwort auf von pérvasion

Die Zahlenlage ist sehr dünn und es scheint leider zu wenig Interesse zu geben. Indirekte Werte wie die Zweisprachigkeitsprüfungen sind mir zu wenig. Es bräuchte eine Art "Pisa" der Zweitsprache das auch fein zwischen Gemeinden unterscheidet. Die erfahrene Italienischlehrerin hat mir bsw. berichtet daß bereits Karneid(wenige Kilometer von Bozen entfernt) eine total andere Welt ist und an den Italienischuntericht ganz andere Herausforderungen stellt. Ich kann auch nur persönliche Eindrücke und die Erfahrung aus dem Schul- und Elternalltag(sehr wertvoll) liefern; erfahrene Lehrer sprechen lassen und alles mit Beobachtungen aus den 80ern vergleichen. Subjektiv scheint mir daß sich gegenüber früher die Sprachkompetenz der (jungen) Italiener verbessert hat; was meiner Ansicht auch auf Experimente und Modelle an Italienischen Schulen zurückzuführen ist. In den Städten ist bzgl. Deutsch-Italienisch ebenfalls allseits recht viel Kompetenz festzustellen. Abgenommen hat meiner Ansicht die Italienischkompetenz in sehr deutschen Tälern mit relativ wenig Tourismus. MA kann man nicht ein Modell auf ganz Südtirol runterbrechen wollen. Meiner Ansicht sollen Experimente genau auf das soziale und ethnische Umfeld abgestimmt werden.

@Markus Lobis
Ich würde in Zukunft versuchen Beiträge ohne gewisse ethnisch-politische tendenziöse Begriffe(Rupert Gietl hat sie oben aufgelistet) schreiben. Die sind mA zu polemisch und verdecken quasi Argumentation.

Di., 09.04.2013 - 22:15 Permalink

Danke für den Hinweis. Ich kenne die Studie, und sie sagt u.a. was ich oben wiedergegeben habe, nämlich, dass die deutschsprachigen Schüler in der Zweitsprache deutlich besser abschneiden, als ihre Kollegen an den italienischen Schulen — obwohl es dort wesentlich mehr »Versuche« gibt. Leider ist das für Markus kein Argument, sondern anscheinend »Dogmatik« und Anspruch auf Deutungshoheit.

Auch die Kolipsi-Studie beimhaltet jedoch leider keine Daten über die Entwicklung der Zweitsprachkenntnisse über einen längeren Zeitraum. Die Abwesenheit *solcher* Daten (die uns sagen könnten, wie die Tendenz aussieht, also ob die Südtiroler heute bessere Sprachkenntnisse haben, als vor 5, 10 oder 20 Jahren) habe ich hier beklagt. Dazu hatte ich auch erst neulich was geschrieben (http://www.brennerbasisdemokratie.eu/?p=14288).

Mi., 10.04.2013 - 11:10 Permalink
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Maximilian Ben…

Antwort auf von pérvasion

Bis ein Bürger wie ich und besonders mein Sohn der 4sprachig aufwächst, zu seinem Recht kommt. Ich glaube, dass in den letzten Jahren die Fachdebatte um einiges reifer wurde. Niemand verlangt eine zwangshaft Einschulung für alle in einen gemischtsprachigen Kindergarten. Wir wünschen uns lediglich, dass auch zweisprachigen Familien und allen anderen die es wünschen andere Erziehungsmodelle geboten werden. Dafür danke ich Personen wie Lobis, die die Grenzen des Systems aufzeigen. Auch Artikel 19 muss im neuen Autonomiestatut überdacht werden.

Mi., 10.04.2013 - 17:29 Permalink

Das ist eine sehr interessante Debatte, die da läuft.

1) Für mich stellt sich trotz pervasionscher Dogmatik die Frage, welche Gruppen in Südtirol in der Minderheit ist und welche das Heft in der Hand hat. Wenn ich mir die weitreichenden Befugnisse der Autonomen Provinz Bozen vor Augen halte, die unser aller Alltag betreffen, würde ich dazu tendieren, jene Sprachgruppe in der Minderheit zu sehen, die es im öffentlich-politischen Funktionen maximal bis zu einem Vize-Posten bringen kann. Ich denke, dass die italienischsprachigen SüdtirolerInnen in Südtirol in der Minderheit sind. Bei den Ladinern ist dies sowieso unstrittig.

2) Es stimmt: Wir haben in Sachen Sprachstand nur sehr wenig wissenschaftlich fundiertes Datenmaterial zur Verfügung und wir kommen weder in der Didaktik der Zweitsprache noch in der Stärkung der Muttersprache weiter. Da muss aber schon die Frage erlaubt sein, wer für diesen Zustand die Verantwortung trägt. Ich erinnere mich an eine politisch unbequeme Studie von Prof. Egger, die über die EURAC eingebracht wurde - mit der Folge, dass die Geldmittel für die entsprechende Abteilung gekürzt wurden und die Studie in der Schublade verschwand.

3) Es gibt auch wenig oder keine Zahlen darüber, wie viele Menschen einer Sprachgruppe in Südtirol die Kinder in die Kindergärten der anderen Sprachgruppe einschreiben. Im Kindergarten in Brixen, den meine Kinder besucht haben, hatte ich den Eindruck, dass 25-30% der Kinder aus deutschsprachigen Familien stammten.

4) Wenn nun schon der Wunsch nach der Erlernung der zweiten Sprache - die nicht wie eine Fremdsprache unterrichtet werden sollte!!! - bei vielen Eltern so groß ist, warum gibt es denn dann keine besseren Angebote für die Eltern, die dies wünschen?

5) Bei vielen Debatten, die wir führen, merken wir, dass der Abstand zwischen der Südtiroler Gesellschaft und der formellen Verfasstheit dieses Landes und seiner Politik immer stärker auseinanderklafft. Die Gesellschaft praktiziert viele Alltäglichkeiten, die in der Politik noch nicht angekommen zu sein scheinen.

Wenn wir von einer Autonomie-Reform reden, dann kann es nicht nur darum gehen, wie wir die Befugnisse gegenüber dem Staat verteidigen. Das hat natürlich seine Wichtigkeit, noch viel wichtiger ist es aber, dass wir sprachgruppenübergreifend und herkunftsunabhängig Konsens darüber erzielen, wo sich dieses Land und seine Gesellschaft hinentwickeln sollen. Die Politik ist dazu in der heutigen Situation nicht in der Lage, weil sie es sich im Status Quo recht bequem eingerichtet hat.

6) Wir sollten darüber nachdenken, ob es sich vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen in Südtirol, in Europa und in der Welt aufrecht erhalten lässt, eine Gesellschaft in Sprachgruppen einzuteilen und ob es nicht anachronostisch ist, dass die Zugehörigkeit zur einen oder anderen Sprachgruppe einen Menschen für irgendetwas qualifizieren kann oder eben auch nicht. Die Aufrechterhaltung der Trennung führt zwangsläufig zu Lagerdenken und Konflikten und ich habe den Eindruck, dass die Politik sehr daran interessiert ist, die Konflikte möglichst zu schüren und aufrecht zu erhalten. Das ist keine gute Grundlage für die gedeihliche Entwicklung einer Gesellschaft. Im Gegenteil.

7) Nur wenn wir die Trennung nach Sprachgruppen aufheben und die Beherrschung mehrerer Sprachen de facto zum qualifizierenden Merkmal einer Person wird, verlagern wir die Problemstellung vom kollektiven Lagerzwang mit Abgrenzungspflicht und Konfliktbedarf hin zur individuellen Ebene mit all ihren Gestaltungsmöglichkeiten und Motivationsebenen, für die der Einzelne, die Einzelne dann selbst die Verantwortung übernehmen müssen.

Mi., 10.04.2013 - 00:46 Permalink

· Pervasionsche Dogmatik? Wie ich meine, habe ich rationale Argumente angeführt, doch leider bist du auf kein einziges eingegangen. Diskussion stelle ich mir anders vor.

· Du bist natürlich frei, es zu tun — doch du definierst eine Minderheit anders, als es internationaler Standard und Konsens ist. Dass die Italiener es nur bis zum Vize schaffen können, ist das übliche Gejammere der Rechten. Fakt ist, dass es sehr wichtige Positionen im Lande gibt, die noch nie von einem deutschsprachigen Südtiroler besetzt wurden, angefangen beim Präfekten, der z.T. mehr Macht innehat, als der Landeshauptmann. Polizeipräsident, die Chefs von Carabinieri und Finanzpolizei usw. sind weitere Beispiele. Es ist hier nicht mein Interesse, Erbsenzählerei zu machen, aber deine Darstellung ist einseitig und zurückzuweisen.

· Auch du bist der Auffassung, dass wir zu wenige Daten haben. Nichtsdestoweniger forderst du einfach mal die mehrsprachige Schule. Bessere Daten zu fordern ist natürlich nicht so »effektvoll«, wäre aber der erste wichtige Schritt. Trotzdem habe ich bis heute noch nie einen Befürworter der mehrsprachigen Schule gehört, der zuerst eine seriöse Erhebung gefordert hätte.

· Während es weder für die Kinder im Schulalter, noch für die Entwicklung der »Zweitsprachkenntnisse« brauchbare Daten gibt, haben wir mit dem Sprachbarometer eine scharfe Momentaufnahme der Sprachlandschaft (siehe http://www.brennerbasisdemokratie.eu/?p=7611). Sie beweist, dass die Erhebung der Sprachgruppen die Realität völlig unzureichend (um nicht zu sagen: falsch) abbildet.

Mi., 10.04.2013 - 06:00 Permalink
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Michael Bockhorni

Antwort auf von pérvasion

das überrascht mich als zugezogenen Deutschsprachigen schon sehr, dass zu so einer wichtigen Thematik wie der Zweitsprache(nkompetenz) sowenig (brauchbares) Datenmaterial vorliegt. Wäre mA wichtiger als die Verteilung der Nachnamen in Südtirol, aber vielleicht hat das ja auch einen bestimmten Grund wie schon erwähnt wurde).

Mi., 10.04.2013 - 11:52 Permalink

@Pervasion: Ich stelle meine Argumente in den Raum und gewichte dabei selbst, was mir wichtig ist. Es gibt keine Pflicht, auf alles einzugehen, was Du für wichtig hältst. Wenn ich in Zusammenhang mit Deinen Aussagen von Dogmatik spreche, dann beziehe ich mich auf die penetrante Insistenz und Deinen impliziten Anspruch auf Deutungshoheit in verschiedenen südtirolrelevanten Themenbereichen, die man anerkennen kann oder auch nicht. Ich neige letzterem zu.

Mi., 10.04.2013 - 08:18 Permalink

Bemerkenswert, dass bei so einem Thema sich nur männliche Kommentatoren äußern. Dabei würde etwas femmine Eleganz dem Gesprächsstil hier gar nicht schlecht tun. Schade.

Mi., 10.04.2013 - 12:28 Permalink

Lieber Benno,

ich hoffe ich darf gleich zum “Du” übergehen ohne meiner „femininen Eleganz“ dadurch Schande anzutun. Es fällt mir schwer meine Meinung zum Thema kundzutun, da ich, im Gegenteil zu anderen in dieser Diskussionsrunde, keine eindeutige Gewissheit dazu habe. Es gibt zu diesem Thema mehrere Diskursebenen: Eine ist die Gemeinschaftsebene in der wichtige Entscheidungen die alle Facetten berücksichtigen, getroffen werden sollten; eine andere ist die persönliche Ebene in der man/frau schon mehr oder weniger Erfahrungen diesbezüglich gesammelt hat und sich ein individuelles Urteil bildet. Dann gibt es noch die Systemebene bzw. die politische Ebene die Barrieren aufbaut oder welche zum Einstürzen bringen kann. Ich denke man müsste es fragmentieren um klarer Denken zu können.
Allgemein gilt für mich: Versuchen wir weniger kurzsichtig zu sein! In Südtirol gibt es eine kulturelle Vielfalt die es aufzuwerten gilt, Gespräche die auf Ängste basieren greifen da zu kurz. Ist es möglich, dass wir wirklich nicht weiter denken können, als in der Dichotomie Deutsch-Italienisch?

Mi., 10.04.2013 - 14:32 Permalink

Mir für mein Teil geht das hier alles um etwa eine Haaresbreite zu tief, man wirft mit Artikeln, Begrifflich- und Feinstofflichkeiten um sich und diskutiert sehr abstrakt diskutiert wird, was doch eigentlich ganz simpel sein sollte: Nämlich die einzigartigen Möglichkeiten und Riesenchancen, die haben (hätten, haben könnten) uns und unsere Kinder von Kindesbeinen an allen anderen Europäern um einen, zwei, drei und sogar noch mehr Schritte voranzustellen, mühelos, quasi nebenbei. Habt ihr einmal beobachtet, wie verblüfft (zum Mindesten) bis neidisch (meistens) Nicht-Südtiroler euch anschauen, wenn ihr - wie wir das hier können - mühelos von einer Sprache in die andere wechselt, ohne auch nur einmal nachzudenken, einfach so?! Und die nächste Reaktion ist stets dieselbe: Boah, habt ihr ein Glück! Ja, Tatsache, haben wir, aber so richtig will's niemand, dieses Glück. Ich finde es, gelinde gesagt, verantwortungslos, wenn unsere Regierung sehr vieles NICHT tut, um uns (und natürlich unseren Kindern) alle, aber auch wirklich alle nur möglichen Türen zur anderen Sprache und damit zur anderen Kultur so sperrangelweit zu öffnen wie's nur geht. Das ist, meine bescheidene Meinung, ein Vergehen am eigenen Volk. Viel lieber droht man uns, sogar die selbst ernannten "Erneuerer" der jüngsten Generation, mit "Assimilation". Hier wird uns doch vermittelt, dass am Untergang der eigenen Kultur werkelt, wer die zweite Sprache besser als unbedingt nötig erlernt/erlernen (möchte). Dabei würde ich mir wünschen, was das bestmögliche mit Betonung auf "best" Erlernen einer Sprache mit dem Vernachlässigen der eigenen auch Kultur zu tun haben soll. Ist das nicht absurd, beinahe grotesk? Diese künstlich und per Gesetz hoch gehaltene Angst vor "dem anderen"? Kein Gesetz der Welt und keine künstlich geschürte Angst wird doch im übrigen "Assimiliation" auf Dauer verhindern können, solche Dinge regeln mittel- und langfristig stets die Menschen unter sich. Derweil aber verwenden Regierungen, auch die unsere, geradezu unverantwortlich viel Zeit und Geld damit, den Status Quo oder besser den Status von gestern zu zementieren, das Volk zu bremsen und zu blockieren, wo es den knochentrockenen Verwalterjuristen vorauseilt. Genauso gut könnten die Mittel und die Energien doch dazu verwandt werden, nach neuen Wegen, Chancen und Möglichkeiten zu suchen. Doch, mir fehlt, nicht nur in diesem Zusammenhang, die Kreativität in unserer Politik, aber was sollen wir uns denn auch groß erwarten, wenn neuerdings schon knochentrockene Verwalterarbeit mit "Vision" überschrieben wird. So, lieber Benno Kusstatscher, war das jetzt feminin und elegant genug :-) ?

Mi., 10.04.2013 - 15:43 Permalink
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Sylvia Rier

Antwort auf von Klaus Egger

aber sag: Fändest du's nicht auch sehr schön, wenn man hier drin seine Kommentare noch ein bisschen nachbessern könnte, grammatikalisch vor allem oder zumindest? Manchmal geht's ganz offensichtlich ein bisschen ziemlich schnell, und dann ist's auch schon zu spät, und der Leser tut sich schwer, wo die Schreiberin geschusselt hat :-)

Mi., 10.04.2013 - 16:33 Permalink

Da gebe ich Ihnen Recht, wäre schön, wenn man kleine Fehle korrigieren könnte, aber dann kann man auch jederzeit ganze Aussagen zurückziehen und das nähme der Seite doch ziemlich ihre Authentizität!

Mi., 10.04.2013 - 16:40 Permalink
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Klaus Egger

Antwort auf von Sylvia Rier

das wäre sehr gut. Ich würde nach der "Hitze des Gefechts" auf oftmals gern das eine oder andere Wort austauschen oder den Satz besser formulieren:-). Ich glaube auch mal irgendwo gelesen zu haben, dass salto sich dieser Tatsache bewusst ist und an einer technischen Lösung arbeitet. Ist aber sicherlich nicht so einfach, da ja jeder natürlich nur seine eigenen Beiträge und Kommentare bearbeiten dürfte. Facebook hat das auch gerade erst vor kurzem technisch hingekriegt. @Max: wenn du mich gerade liest, kannst du uns dazu eine Info geben?

Mi., 10.04.2013 - 16:41 Permalink

Hallo Silvia, Rupert, Klaus,
das wäre technisch wohl machbar und es gibt gute Gründe, die dafür sprechen würden. Wir möchten aber vom Einbau einer solchen Funktion absehen, weil das nachträgliche Abändern von Kommentarinhalten die Diskussion beeinträchtigen und für Verwirrung sorgen könnte. Dafür haben wir diese Möglichkeit bei Blogs gegeben, wobei auch hier die Sensibilität der AutorInnen gefragt ist, wenn nachträglich inhaltliche Änderungen durchgeführt werden. Allgemein raten wir dazu, vor dem Absenden von Posts kurz Luft zu holen, weg zu schauen und dann nochmals zu lesen was man geschrieben hat (siehe Netiquette http://www.salto.bz/de/info/netiquette). Damit man/frau sich in der Hitze des Gefechts nicht verbrennt ;)
Lieben Gruß, Euer salto-team

Fr., 12.04.2013 - 09:43 Permalink

Sehr geehrte Frau Rier,
wie ich oben schon geschrieben habe, bin ich der Meinung, dass die Landesregierung die Eltern in ihrer Funktion als Verantwortliche für die Weite des Horizontes der eigenen Kinder nicht ersetzen kann. Ebenso, wie man unsere Tiroler Kultur und die deutsche Sprache in Südtirol nicht per Gesetz schützen kann, wird man sich auch schwer tun, die Freude am Erlernen der Zweitsprache von oben herab zu verordnen.
Das heutige Südtirol lag schon immer am Schnittpunkt zwischen Süd- und Mitteleuropa und der Austausch mit unseren südlichen Nachbarn war - den Zeiten entsprechend - rege.
Man denke an den - ach so konservativen und rückständigen - "Taliban" Andreas Hofer, der zum Erlernen des Italienischen von seinen Eltern nach Cles geschickt worden ist und diese Erfahrung sicher nicht bereut hat, als es 1809 darum ging, auch die trientiner Landesverteidiger hinter sich zu vereinen.
Ich bilde mir selber ein, während eines mehrmonatigen Arbeitsaufenthaltes in Italien mehr gelernt zu haben, als nach 3 Jahren Dante am Gymnasium... ;-)
Wenn besonders unter den Jugendlichen deutscher Muttersprache (falls dies denn stimmt) die Kenntnisse der Zweitsprache schwächer geworden sein sollten, als sie in den 80er und 90er Jahren waren, dann ist dies sicher nicht die Schuld der deutschen Oppositionsparteien.
Soviel Macht besitzen diese gar nicht, abgesehen davon, dass sich - zumindest bei der STF - niemand gegen das ausgezeichnete Erlernen des Italienischen ausgesprochen hat.
Wer sollte denn dann bei Santoro auftreten, wenn unsere Eva eines Tages in den verdienten Ruhestand geht? ;-)
Vielmehr liegt es daran, dass der Staat Italien in den letzten 20 Jahren gewaltig an Attraktivität verloren hat. Wenn zig-tausende junge Italiener ins deutsche Ausland abwandern (müssen), warum sollte es unsere Jugendlichen nach Süden ziehen?
Im Grunde war es ein Skandal, als vor einigen Wochen auf der "Dolomiten" Titelseite unsere Jugendlichen aufgefordert wurden, sich doch eine Lehrstelle in Österreich oder Deutschland zu suchen...
Sind wir zurück in den 50er Jahren?

Mi., 10.04.2013 - 16:34 Permalink

gehen wir doch einfach über zum "du ", weil's einfacher ist, und was im Übrigen für die englische Königin gut (genug) ist, sollte für uns doch billig sein, einverstanden? Natürlich sind IMMER in erster Linie Eltern für die Bildung und den Horizont ihrer Kinder verantwortlich, aber: Die Regierung muss die Rahmenbedingungen schaffen. Ich KANN meiner Tochter kein Italienisch beibringen, weil diese nicht meine Muttersprache ist, alles, was ich tun kann - und was ich auch getan habe, in Ermangelung anderer Möglichkeiten, vor allem hier bei uns auf dem Lande - ist, mir bzw. ihr mit italienischsprachigen Büchern, Musik usw. "das Ohr" bzw. "die Gehirngänge" zu öffnen. Das ist aber sehr wenig, und du hast unbedingt recht, wo du sagst, dass "von oben herab verordnen" nichts bringt. Aber: Von oben herab verhindern, das geht sehr wohl, das funktioniert sehr gut, wird offensichtlich auch praktiziert, und ist jedenfalls unfair wenn nicht, wie gesagt, gar verantwortunglos. Da fällt mir ein Satz ein, den ein junger (!) Mann, vermutlich sehr SVP-affin und eng mit dort verbandelt, in einem fb-Post unterbrachte, nämlich: (Zitat) "Was die Basis wünscht, und wieviel die Leitung erlaubt". Es geht also nicht bei uns scheinbar weniger darum, was "die Basis" wünscht, als vielmehr, was "die Leitung erlaubt". Hallo? Aber zurück zum Text: Die Politik/Regierung muss ein, sagen wir mal, günstiges/positives Umfeld schaffen - damit sind Eltern schlicht überfordert. Logisch, wozu bräuchte es denn sonst noch Regierungen ;-) wenn wir alles selbst machen (sollen)? Die "Schuld" der Oppositionsparteien wird's wohl auch nicht sein, wenn junge Leute heute noch weniger Lust an den Tag leben, die zweite Sprache zu lernen, aber ich hatte schon überlegt, ob all dieses Österreich-Getue-und-Verbindungen-nach-dort-pflegen-weil-wegen-Kultur-und-so und Freistaat und Doppelpass und "eh keine Grenzen mehr" und Makroregion Tirol und was weiß ich noch alles nicht etwa möglicherweise den jungen Menschen doch suggeriert, ach, was soll ich mich da mit Italienisch herumschlagen... Ich weiß es nicht, ich frage mich nur. Aber du irrst m. E. ganz sicher dort, wo du "unterstellst", die Lust am Erlernen der zweiten Sprache habe etwas damit zu tun, ob früher oder später ein junger Mensch möglicherweise weiter unten im Süden arbeiten möchte, du hängst die italienische Sprache an den italienischen Staat und machst sie daran fest. Dabei ist das doch ganz und gar irrelevant, hat überhaupt nichts zur Sache. Es geht vielmehr schlicht und einfach (auch) darum: Je mehr jemand kann, desto besser ist es für ihn. Grundsätzlich. Und je mehr Sprachen jemand kann, desto besser ist es für ihn, grundsätzlich, aber auch darüber hinaus, denn er könnte ja morgen möglicherweise in München oder London oder Hong Kong arbeiten, für ein internationales Unternehmen, das ja womöglich vielleicht auch mit Europa und, kann man's wissen, dort vielleicht sogar mit Italien arbeitet! Und es geht natürlich darum, dass für das Erlernen weiterer Sprachen eine ganz andere Basis hat, wer - in unserem Falle - italienisch kann: Ich brauche z. b. kein Spanisch zu können (auch, wenn ich's gern würde), kann mich aber in Spanien tadellos durchschlagen, mit meinem Italienisch. Ich erlerne weiterhin die französische Sprache ungleich leichter als jemand, der nicht auch wie ich eine andere Sprache aus dieser Sprachfamilie beherrscht. Das sind nur einige der Vorteile, die wir uns m. E. vorenthalten. Denn die Welt geht ja ein bisschen über Südtirol hinaus, das sollten wir uns vielleicht immer ein bisschen vor Augen halten.

Mi., 10.04.2013 - 18:10 Permalink

"Ich KANN meiner Tochter kein Italienisch beibringen, weil diese nicht meine Muttersprache ist" - aber die meisten Lehrpersonen, die in Südtirol z. B. Englisch unterrichten, sind auch nicht englischer Muttersprache.

Mi., 10.04.2013 - 18:24 Permalink
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Christoph Moar

Antwort auf von Sybille Tezzele

Sybille, ich fürchte der Vergleich hinkt. Die meisten Lehrpersonen, die in Südtirol z. B. Englisch unterrichten, sind auch nicht englischer Muttersprache. Sie haben aber Englisch Lehramt studiert. Das befähigt eindeutig zum Unterrichten. Silvia, hast du Italienisch Lehramt gebüffelt?

Mi., 10.04.2013 - 18:51 Permalink
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Sybille Tezzele

Antwort auf von Christoph Moar

wollte ich damit etwas anderes sagen, es hat mich ein bißchen irritiert zu lesen "ich kann nicht - weil", daher das Beispiel mit nichtmuttersprachlichen Lehrpersonen - da klappt es ja auch. Ich gehe da eher vom Konzept "Warum nicht?" aus, aber das ist natürlich meine persönliche Einstellung und Erfahrung.
Im übrigen herrscht bekanntlich ständig Mangel an Lehrpersonen für Italienisch als Zweitsprache in deutschen Schulen, daher können so ziemlich alle, die irgendeinen Uni-Abschluss haben und ital. Muttersprache sind, an deutschen Schulen Italienisch unterrichten (als Supplenz). Habe selbst im Bekanntenkreis Personen, die Abschluss in Musik, Politik und Architektur haben, doch weil sie keinen Job fanden, wandten sie sich ans Deutsche Schulamt, und ta-da! Bei zwei von diesen hat es super geklappt, da sie glücklicherweise Talent und guten Willen in den Bereichen Didaktik und Pädagogik zeigten. Bei einem hingegen war es die reine Katastrophe und die armen Schulkinder haben in diesem Jahr bestimmt gelernt, Italienisch richtig zu verabscheuen. :(
Auch auf dem Land ist es ein Problem, im Italienisch-Unterricht Kontinuität zu gewährleisten (was von der Pädagogik her eigentlich wichtig ist, zwecks Beziehung usw.), die Lehrpersonen wechseln ständig, weil selten jemand bereit ist, so weit zu fahren oder in dieses kleine Dorf hinter dem Mond zu ziehen.
Aber jetzt glaube ich, ich habe in dieser Antwort ein paar Argumente miteinander vermischt, sorry ;)

Mi., 10.04.2013 - 19:12 Permalink
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Sylvia Rier

Antwort auf von Christoph Moar

Christoph, auch wenn sich's meine Mutter sehr gewünscht hätte und ich heute durchaus manchmal bereue, nicht auf sie gehört zu haben ;-) Jedenfalls, Sybille, hatte ich mich damals durchaus mit dem Gedanken getragen, meiner Tochter in ihrer Vorschulzeit selbst ein bisschen was beizubringen, meine Italienischkenntnisse halte dich dafür für durchaus ausreichend. Aber: Man belehrte mich, das es nicht sehr klug sei, einem kleinen Menschen eine Sprache beizubringen, die nicht Muttersprache ist, weil man (selbst bei allerbesten Sprachkenntnissen) immer doch Fehler macht, und sei es nur die nicht perfekte Aussprache, Betonung usw. Das leuchtete mir ein und so habe ich's bleiben lassen :-)

Mi., 10.04.2013 - 19:15 Permalink

Natürlich kann man sich bewusst gegen Minderheitenschutz entscheiden, um in der Bildungspolitik einen »neoliberalen« Weg einzuschlagen. Auch der Minderheitenschutz ist keine heilige Kuh, das wäre also, sofern die Menschen wissend so entscheiden, eine durchaus legitime Weichenstellung. Mir ist hingegen mehr daran gelegen, die *gesamtgesellschaftliche* Mehrsprachigkeit zu fördern, ohne Abkürzungen zu nehmen, die sich ggf. als Sackgasse ohne Wendemöglichkeit erweisen könnten. In meinen Augen sollte nämlich jederzeit zwischen Einzel- und Gemeinschaftsinteressen abgewogen werden, bevor das Schulsystem umgekrempelt bzw. dem Spiel von Angebot und Nachfrage überlassen wird. Dies hat wohl damit zu tun, dass ich in der Gesellschaftspolitik, genauso wie in Wirtschaftsfragen, eine sinnvolle Lenkung durch die öffentliche Hand befürworte. Wenn jedoch die Mehrheit der Bevölkerung entscheidet, dass ihr dies nicht wichtig ist, muss ich dies natürlich zur Kenntnis nehmen und akzeptieren.

Mi., 10.04.2013 - 17:14 Permalink

Warum die ausgezeichnete Kenntnis einer Muttersprache und einer zweiten, dritten, wegen mir auch x-ten zusätzlichen Sprache eine bewusste Entscheidung gegen den Minderheitenschutz darstellen soll, erschließt sich mir nicht. Man kann bewusst eine frühe Förderung - gerne auch durch zusätzliche Pädagogen wie es Benno vorschwebt - eingehen, keine Minderheit nimmt davon schaden.

Das ist eigentlich das gleiche Prinzip wie mit den Integrationsschülern: deren Anwesenheit gibt der gesamten Klasse zusätzliche Kompetenzen, und niemand nimmt Schaden davon. Eine typische win-win Situation, um die uns heute viele europaweit beneiden.

Mi., 10.04.2013 - 17:32 Permalink

Bitte versteh meinen Kommentar v.a. als Antwort auf den Vorschlag von Silvia Rier, den ich eben für »neoliberal« halte. Gegen die ausgezeichnete Kenntnis so vieler Sprachen wie möglich (ich selbst spreche davon sechs) habe ich nichts, ganz im Gegenteil. Das Ganze muss aber eben auch politisch gewollt, begleitet und evaluiert werden; die mehrsprachige Schule halte ich unter den derzeitigen Rahmenbedingungen (Minderheit in einem Nationalstaat) für die falsche Lösung, mit der wir das Kind mit dem Bade ausleeren würden.

Mi., 10.04.2013 - 18:01 Permalink

sei so gut, erklär's mir, ja? Was hat das Erlernen - das bestmögliche Erlernen - einer (hier) zweiten Sprache mit dem Schutz der Minderheit zu tun? Es geht um Lernen, um MEHR Lernen, und nicht um "Aufgeben", oder?! Niemand muss und niemand wird seine Mutter- oder Erstsprache vernachlässigen, nur, weil er noch eine zweite Sprache intensiv lernt? Du unterstellst ja dem menschlichen Sein recht enge Grenzen ;-) Ich persönlich glaube sogar, dass das Verständnis und die Freude, die Lust an meiner Ur-Sprache gewachsen ist mit der Kenntnis und dem Verständnis für eine andere, eine zweite Sprache. Und natürlich kann, soll und muss sogar jede Regierung der Welt alle verfügbaren Mittel nutzen und einsetzen zum Schutz, zur Förderung und zur Stärkung der eigenen Kultur, aber das geht halt eben, denke ich, am besten durch Maßnahmen zur Stärkung und Förderung, und weniger gut durch solche zur Verhinderung (der zweiten Sprache).

Mi., 10.04.2013 - 18:33 Permalink

Habe ich nicht geschrieben, dass ich gegen das Erlernen einer zweiten und auch weiterer Sprachen nicht nur nichts einzuwenden habe, sondern, dass ich das selbstverständlich befürworte? Doch, ich habe das geschrieben! Worauf ich aber mit all meinen Kommentaren aufmerksam machen wollte, ist, dass wir noch immer eine Minderheit in einem Nationalstaat sind, dessen Tendenz immer automatisch zur einen »lingua franca« hin tendiert (das ist in Italien das Italienische, in Frankreich das Französische und in Deutschland das Deutsche). Wenn wir also z. B. ohne die passenden Rahmenbedingungen ein paritätisch zweisprachiges Schulsystem aufbauen, wird die Situation binnen weniger Generationen völlig in Richtung dieser »lingua franca« abdriften, so wie es in Italien bereits mit allen Minderheiten passiert ist — außer in Südtirol und vielleicht im Falle der slowenischen Minderheit in Friaul. Ein Beispiel: Sobald alle Südtiroler gleichermaßen Italienisch sprechen, wird es keine Rechtfertigung für das »Recht auf Muttersprache« mehr geben. Der Staat könnte damit viel Aufwand und Geld sparen, um nicht von Privatfirmen zu sprechen, die unsere Minderheitensprachen schon heute großteils ignorieren — und dann erst Recht keinen Ansporn mehr hätten, sie zu berücksichtigen. Ich möchte dir hierzu zwei Artikel in meinem Blog empfehlen: 1) http://www.brennerbasisdemokratie.eu/?p=14274 und 2) http://www.brennerbasisdemokratie.eu/?p=1223 Wenn wir die Rahmenbedingungen nicht berücksichtigen, setzen wir mit einer Liberalisierung der Sprachpolitik — paradoxerweise — die sprachliche Vielfalt unseres Landes auf's Spiel. In einem unabhängigen Südtirol, dessen Quellcode mehrsprachig wäre (weil kein Nationalstaat) wäre dies selbstredend völlig anders.

Mi., 10.04.2013 - 18:55 Permalink

aber, 1. "Wenn wir also z. B. ohne die passenden Rahmenbedingungen ein paritätisches Schulsystem aufbauen (...)": Wer, bitteschön, oder was hindert uns (unsere Regierung) daran, zusammen mit dem paritätischen Schulsystem (angenommen, wir einigten uns darauf, dass das Richtige ist) auch die passenden Rahmenbedingungen aufzubauen (welche immer die sein mögen)? Du? Wahrscheinlich nicht. Ich? Sicher nicht. Aber: Wo kein paritätisches Schulsystem, da kein Bedarf an passenden Rahmenbedingungen, oder auch: Was zuerst? Die Henne? Oder das Ei?

Mi., 10.04.2013 - 19:27 Permalink

oder auch nicht. Die mehrsprachige Schule sei unter den derzeitigen Rahmenbedingungen (Minderheit in einem Nationalstaat) die falsche Lösung, mit der wir das Kind mit dem Bade ausleeren würden. Ich persönlich denke eher nicht: meine Verbundenheit zu diesem Land, diese Leute, selbst zur Nicht-Schriftsprache haben sich durch weitere Sprachen nur verfestigt, nicht verwässert. Wer Latein oder eine lateinische Sprache kann, der erkennt Feinheiten in Deutscher Sprache und in Dialekt, die anderen verborgen bleiben. Was Silvia gerade eben ("ich versteh's nicht") geschrieben hat, dem kann ich eigentlich nur zustimmen. Ich will mich aber nicht streiten, jeder nach seiner Facon. Die Kinder sehen sich ja alle wieder, spätestens in 20 Jahren auf dem Arbeitsmarkt.

Was die Rahmenbedingung als Minderheit in einem Nationalstaat angeht, nun ja, darüber ist mir persönlich tatsächlich viel schwieriger zu urteilen als über eine paritätische Schule. Woanders als hier war mir die Replik etwas zu forsch neulich, ich war tatsächlich zu unaufgeregt um mir den Vorwurf der Aufgeregtheit lesen zu müssen. Aber wenn wir das hier weiterführen können... ich weiss nicht. Wenn wir über einen Freistaat wie Bayern sinnieren, dann bin ich gedanklich leicht dabei, und die Föderalismusbemühungen (von Leuten wie Francesco Palermo et al) oder das Europa der Regionen sind davon ja gar nicht entfernt. Wenn wir aber über einen eigenen kleinen Inselstaat denken, nun ja, da tu ich mich etwas schwerer. Ein Verteidigungs- und Außenminister für unser kleines Ländle, das wär schon nett. :) Auf jeden Fall ist das, denke ich, keine zwingende Voraussetzung für eine vernünftige Bildungspolitik, die unseren Kindern das Bewusstsein für Heimat und Tradition keinesfalls nimmt, dafür aber auch die Chancen wahrnimmt, die sich ihnen auf den Arbeitsmarkt bieten werden, wenn sie perfekt mehrsprachig werden. Sie werden schließlich unsere Schulden und Renten zahlen müssen, da wärs schon fein wenn sie die besten Jobs kriegen :)

Mi., 10.04.2013 - 19:07 Permalink
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pérvasion

Antwort auf von Christoph Moar

»Ich persönlich denke eher nicht: meine Verbundenheit zu diesem Land, diese Leute, selbst zur Nicht-Schriftsprache haben sich durch weitere Sprachen nur verfestigt, nicht verwässert.« Bei mir war/ist dies ja auch der Fall. Ich bin aber der Meinung, dass wir immer zwischen der individuellen und der gesamtgesellschaftlichen Ebene unterscheiden müssen. Jedenfalls, solange wir Teil eines Nationalstaates sind (die Wiederholung sei mir gestattet).

Mi., 10.04.2013 - 19:13 Permalink