Politik | Rassismus-Debatte

Herr Stauder fühlt sich angegriffen

Er ist weiß, männlich und in einer wichtigen Position. Trotzdem zieht der Bürgermeister von Lana die Schwächsten unter uns zu Fasching ins Lächerliche.
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Foto: Youtube / Harald Stauder
„Unsere Mitbürger von der Fraktion betreutes Denken wollen uns tatsächlich weißmachen, dass durch die Verwendung von Faschingskostümen Menschen aus anderen Kulturkreisen in ihrer Würde beleidigt werden“, erklärt der Bürgermeister von Lana, Harald Stauder, in einem neuen Video auf seinem Facebook-Profil. Der knapp dreiminütige Klipp des SVP-Bürgermeisters sorgte nicht nur in dem sozialen Netzwerk für Wirbel, sondern ist auch auf der Nachrichtenseite stol.it zu sehen.
 

 
Die Botschaft des langjährigen Politikers ist klar: Wer Kinder in Faschingskostümen kritisiert, gehe einen Schritt zu weit in der kritischen Auseinandersetzung mit Rassismus. Außerdem findet es Stauder auch nicht nachvollziehbar, dass eine Konditorei in Lana für ihre mit Gesichtern verzierten Faschingskrapfen kritisiert wurde. Die auf den Gesichtern zu sehende stereotype Darstellung Schwarzer Menschen stieß dieses Jahr bei mehreren Kund*innen auf Kritik. Nachdem die Konditorei das Werbefoto der Krapfen kurzzeitig auf Facebook entfernte, ist es nun erneut zu sehen, wobei die Kommentarfunktion dieses Mal deaktiviert wurde.
 

Unsichtbare Privilegien

 
Was Stauder als weißer, privilegierter Mann mit Universitätsabschluss in Politikwissenschaft ignorieren kann, ist für Menschen aus anderen Kulturkreisen die tägliche Erfahrung von strukturellem Rassismus, der sich auch und besonders während der Faschingszeit zeigt. Faschingskostüme oder die Gesichter auf Faschingskrapfen verkörpern westliche Stereotype von vermeintlich exotischen oder fremden Kulturen.
Wenn weiße Menschen solche Stereotype reproduzieren und zur Schau tragen, wird ein verzerrtes und falsches Bild jener gezeigt, die während der Kolonialisierung bestohlen, misshandelt und versklavt wurden. Ist das ein Bild, das weiße Menschen zu Fasching zeigen wollen? Der Bürgermeister von Lana zumindest scheint das für eine gute Idee zu halten.
„Die Aussagen des Bürgermeisters sind an diesem historischen Zeitpunkt nicht nur beschämend, sie sind gefährlich. Ja, es gibt Kritik an rassistischen Faschingskostümen. Und nur weil Stimmen dagegen lauter werden, heißt es nicht, dass die Kostüme nicht schon vorher rassistisch waren“, erklärt die Antifa Meran in einer Stellungnahme zum Video von Harald Stauder.
Ihm selbst sind die Argumente bekannt, jedoch kann er ihnen nichts abgewinnen: „Es wäre ja nur zum Lachen, wenn diese Kategoriefanatiker, die überall Rassismus wittern, nicht immer mehr Gehör finden würden“, so Stauder. „Fasching ist dazu da, sich zu amüsieren. Kostüme sind dazu da, sich zu verkleiden, vielleicht auch Neugierde zu wecken, warum andere Menschen sich anders kleiden, anders leben, anders essen und so weiter.“
Dass genau durch diese kulturelle Aneignung die Relevanz und der Wert von Traditionen und indigener Geschichte ausgeblendet werden, sagt Stauder nicht. Er sagt auch nicht, dass ihm als Bürgermeister einer Südtiroler Gemeinde und als weißer Mann viel mehr Türen offenstehen als einer Schwarzen Person hierzulande. Trotzdem macht er sich über jene lustig, die sich für People of Colour einsetzen – für Menschen, die in diesem Land weniger Rechte genießen als er.
 

Spaß für alle gefordert

 
Die Debatte um Rassismus ist nicht nur in Südtirol eine heikle. Auch in Deutschland oder Österreich fragen sich immer wieder Menschen in wichtigen Positionen, ob etwas rassistisch ist oder nicht. Sie zeigen sich genervt von der „political correctness“. Mit ihrer Strategie sind sie durchaus erfolgreich. Denn wer in Frage stellt, ob es strukturellen Rassismus überhaupt in unserer Gesellschaft gibt, muss diesen auch nicht bekämpfen.
Währenddessen ist rassistische Diskriminierung für People of Colour Teil des Alltags. Im schlimmsten Fall kann sie tödlich werden, wie die letzten rassistischen Anschläge in den deutschen Städten Hanau und Halle oder der neuseeländischen Metropole Christchurch zeigen. „So zu tun, also würde Rassismus konstruiert, indem er als Vorwurf in den Raum geworfen wird, spricht ab, dass er für viele Menschen eine bittere und lebensgefährliche Realität darstellt“, so die Antifa Meran.
Diese häufig angewandte Strategie kann mit dem im Fachdiskurs gebräuchlichen Begriff „White Fragility“ erklärt werden: Der Begriff beschreibt das Abwehrverhalten von weißen Menschen, wenn sie mit unbequemen Wahrheiten über Rassismus konfrontiert werden. Das manifestiert sich unter anderem durch Verhaltensweisen wie Diskussion, Schweigen oder Verlassen der stressauslösenden Situation. Dadurch verschiebt sich der Fokus nicht mehr auf die direkt Betroffenen, sondern auf die Gefühle weißer Menschen.
 
 
Natürlich ist Rassismus gerade auch für weiße Menschen kein einfaches Thema. Die Auseinandersetzung kann anstrengend sein. Schließlich geht es um die eigenen Privilegien, die wir alleine durch unsere Hautfarbe und Herkunft genießen. Wenn aber manche Faschingskostüme endlich auch in Südtirol als rassistisch kritisiert werden, geht es nicht darum, den Spaß an Fasching verderben zu wollen, sondern zu einem Fasching beizutragen, das wirklich für alle ein frohes Fest sein kann.