Wirtschaft | IDM

Als Vorbild für die anderen

Jedes Projekt braucht seine Pioniere, so auch das Nachhaltigkeitslabel Südtirol. Zwei Pilot-Destinationen zum bisherigen Verlauf und den Zielen für die Zukunft.
Hinweis: Dies ist ein Partner-Artikel und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
IDM
Foto: IDM Südtirol-Alto Adige/Alex Moling

Das Nachhaltigkeitslabel Südtirol: Von IDM initiiert, prämiert es Tourismusbetriebe in Südtirol, welche besonders nachhaltig sind. Direkter Nutzer des Angebots sind Südtirols Tourismusverbände, diese sollen ihr Wissen nach dem Erreichen des Labels an ihre Betriebe weitervermitteln. Wie jedes Projekt brauchte auch das Nachhaltigkeitslabel Südtirol seine Pioniere: 2021 suchte IDM so fünf Pilot-Destinationen aus, welche den Vorgang des Südtiroler Nachhaltigkeitslabels erstmals durchschritten. Über Herausforderungen, den aktuellen Stand und die Pläne für die Zukunft sprechen die Direktoren zweier Pilot-Destinationen: Werner Zanotti von Tourismus Brixen und Verena Festi von Tourismus Eggental.

Eggental – Verena Festi

Verena Festi
Verena Festi bei der Auszeichnung Eggentals mit dem Nachhaltigkeitslabel Südtirol, neben ihr Brigitte Zelger, Verwaltungsratsmitglied von Eggental Tourismus und Landesrat Schuler. Hinten von links nach rechts: HGV-Präsident Pinzger, IDM-Präsident Pichler und IDM-Direktor Hinteregger. (Foto: LPA/Fabio Brucculeri)

Salto.bz: Wieso ist Ihrer Meinung nach das Südtirol Nachhaltigkeitslabel wichtig?

Verena Festi: Meiner Meinung nach sind solche Labels wichtig, um messbare, glaubwürdige Veränderungen zu erreichen. So kann man sehen, was schon gut funktioniert und was noch Verbesserungspotenzial hat. Für unseren Nachhaltigkeitsprozess ist diese Label ein Etappenziel, wir haben uns auf den Weg gemacht, aber es ist noch viel zu erreichen.

Was hat Tourismus Eggental dazu bewegt, sich als Pilot-Destination zu melden?

Wir waren und sind der Überzeugung, dass nachhaltiger Tourismus der einzige Weg für eine enkeltaugliche Zukunft ist. Wir müssen als Touristiker die Verantwortung für unser Tun übernehmen. 2021 hatten wir bereits unseren Strategieprozess „Eggental 2030“ am Laufen, dessen Ziel unter anderem auch das Erreichen des GSTC-Labels war. Somit hatten wir bereits eine gute Basis für das Erreichen des Südtiroler Nachhaltigkeitslabel geschaffen.

In welcher Situation sind Sie beim „Nachhaltigkeitslabel Südtirol“ jetzt angelangt?

Wir haben das ganze letzte Jahr daran gearbeitet, die Zertifizierung abzuschließen. Im Oktober war es dann soweit, wir haben das GSTC-Zertifizierung bekommen und jetzt vor Kurzem auch das Nachhaltigkeitslabel Südtirol. Jetzt versuchen wir, das Ganze umzusetzen und zu implementieren. Das äußert sich in Form von verschiedenen Projekten, es gibt eine ganze Liste von Sachen, die wir abhaken müssen und wollen.

Was sind solche Maßnahmen?

Ein großer Teil der Arbeit, die wir leisten, ist Sensibilisierungsarbeit, also das Informieren der Tourismusbetriebe, der Gäste und auch der Einheimischen, da arbeiten wir mit allen möglichen Methoden, von der Informationstafel bis zur Blog-Geschichte. Ein Thema, auf das wir zum Beispiel hinweisen, ist unser Wasser: Wir möchten den Gästen klarmachen, dass unser Trinkwasser eine hohe Qualität aufweist und man sich keine Flasche aus dem Supermarkt kaufen muss. So bleibt die Plastikflasche erspart. Weiteres Beispiel für eine konkrete Maßnahme wäre die Umsetzung von regionalen Kreisläufen.

Was sind regionale Kreisläufe?

Wie können wir die Produkte unserer Bauern direkt zu den Hotels und Restaurants im Tal bringen? Bislang haben wir 11 Bauern und 30 Hotels, die sich beteiligen: Die Bauern pflanzen genau das an, was die Betriebe im Laufe der Saison benötigen.

Was für Maßnahmen haben Sie bei der Thematik Mobilität ergriffen?

Hier versuchen wir seit zwei Jahren zusammen mit der Provinz, die Buslinien zu potenzieren. Das Reduzieren des Verkehrs liegt nicht in unserer Hand, so motivieren wir uns Gäste über andere Wege, das Auto stehen zu lassen oder gar ohne Auto anzureisen. Wir haben etwa ein Gewinnspiel für Gäste ausgearbeitet, die mit dem Zug anreisen. Gewonnen werden können verschiedene Preise wie Eggentaler Produkte oder sogar eine Übernachtung in einem Hotel. Weiters bieten wir jetzt auch E-Bikes an, da machen fünf Verleihe mit, deren Räder kann man online buchen. So erhoffen wir uns, dass mehr Leute E-Bikes als alternatives Verkehrsmittel im Eggental benutzen.

Wir waren und sind der Überzeugung, dass nachhaltiger Tourismus der einzige Weg für eine enkeltaugliche Zukunft ist. Wir müssen als Touristiker die Verantwortung für unser Tun übernehmen.

Verena Festi, Eggental

Was passiert mit dem Hotspot Karersee?

Für den Karersee haben wir eine eigene Arbeitsgruppe zusammen mit IDM gegründet. Hier versuchen wir einerseits, die bestehende Parksituation zu verbessern, andererseits den Verkehr zu reduzieren. Da steht noch viel Arbeit vor uns. Geplant ist ein neues Parkleitsystem mit online buchbaren Parkplätzen, auf der anderen Seite versuchen wir, die Touristen verstärkt mit alternativen Verkehrsmitteln zum Karersee zu lotsen. Eine weitere Neuigkeit werden erste autofreie Tage im Eggental sein.

Inwiefern?

Gesperrt wird vorerst die Landesstraße (LS 65), welche von St. Zyprian zum Nigerpass führt und weiter bis zur Franzinalm. Plan ist es aber, mehrere autofreie Tage in der ganzen Zone zu etablieren. Man muss immer klein anfangen, um dann nachhaltig größer zu werden.

Was kommt als nächstes?

Wir haben noch viel vor uns. Als nächstes werden Daten erhoben, also Wasserverbrauch, Energiebedarf und CO₂-Ausstoß. Nach der Erhebung kommt die Reduktion, das wird die große Herausforderung der nächsten Jahre, aber wir sind da stark dahinter. Wir wollen in die richtige Richtung gehen und auch unseren Enkelkindern eine gute Zukunft ermöglichen. Ganz Südtirol muss das machen und die ganze Welt, damit die nächsten Generationen die Erde so erleben dürfen, wie wir es konnten und noch können.

Werner Zanotti – Tourismus Brixen

Werner Zanotti
Werner Zanotti, Direktor vom Tourismus-Verband Brixen (Foto: Werner Zanotti)

Salto.bz: Inwiefern hat IDM Sie beim Erlangen des Nachhaltigkeitslabels unterstützt?

Werner Zanotti: Beim Projekt gibt es sehr viele Umfragen, Statistiken, Auswertungen und weitere bürokratische Angelegenheiten. Wir haben da sehr von IDM profitiert, das sind Leute mit „Know How“, sie haben diese Prozesse effizient und korrekt gelöst. Es gab etwa eine Datenerhebung zur Frage, wie viele ArbeitnehmerInnen es im Tourismus-Bereich in Brixen und Umgebung gibt. Diese Umfrage hat IDM für uns gemacht. Mithilfe von IDM konnten wir im März schließlich das Audit bestehen und das Nachhaltigkeitslabel Südtirol erhalten.

Was waren die Schritte zum Nachhaltigkeitslabel Südtirol?

Als erstes haben wir eine große Datenerfassung durchgeführt, um zu erkennen, wo wir stehen, was wir gut machen und was weniger. Aus den erfassten Daten haben wir einen Maßnahmenkatalog erstellt, diesen haben wir auf zehn konkrete Punkte heruntergebrochen, die wir nun befolgen. So unterstützen wir in Zukunft etwa nur noch Veranstaltungen, die eine Green-Event-Zertifizierung haben. Das Erreichen des Nachhaltigkeitslabels als Tourismusorganisation ist nur der Anfang, eigentlich sind wir ja nur die Summe unserer Mitglieder.

Was ist als Destination also Ihr Ziel?

Unsere Aufgabe ist es, die Betriebe in unserer Zone anzuspornen, nachhaltiger zu werden. Wir müssen imstande sein, all unsere Mitglieder mitzunehmen, von der kleinsten Herberge bis zum größten Hotel, von der kleinsten Bar bis zum größten Restaurant. Mit dem Erreichen des Nachhaltigkeitslabels haben wir den ersten Schritt gesetzt, jetzt gilt es, unsere Betriebe mitzunehmen.

Was ist der Nutzen des Nachhaltigkeitslabels Südtirol für einen wirtschaftlichen Betrieb?

Auch wenn es vielleicht auf den ersten Blick nicht profitabel wirkt: Man kommt heutzutage nicht mehr drum herum, in die Nachhaltigkeit zu investieren. Jeder Mensch, jeder Betrieb, jede Organisation muss künftig seine Hausaufgaben erledigen. Wir als Tourismusverband Brixen sind Wegbereiter für unsere Betriebe und sind deshalb auch verantwortlich dafür, ihnen beim positiven Wirtschaften zu helfen. Dessen sind wir uns bewusst und wir werden auch Hilfe leisten, damit unsere Mitglieder den Prozess in Richtung Nachhaltigkeit meistern können.

Das Erreichen des Nachhaltigkeitslabels als Tourismus-Verband ist nur der Anfang, eigentlich sind wir ja nur die Summe unserer Mitglieder.

Werner Zanotti

Wieso kommen Betriebe nicht mehr drumherum, in die Nachhaltigkeit zu investieren?

Momentan ist zwar noch wenig Druck auf dem Markt vorhanden, aber dieser Druck wird schnell steigen. Konkretes Beispiel: Banken geben Kredite aufgrund der wirtschaftlichen Situation eines Betriebes. Es wird nicht lange dauern, bis die Banken Nachhaltigkeitszertifikate verlangen werden. Weiteres Beispiel: Online-Reiseunternehmer werden früher wie später offizielle Nachhaltigkeitszertifikate verlangen, um den Betrieb auf der Seite als „grün“ darzustellen. Diese Betriebe finden sich dann höher gelistet, besser bewertet, schneller auffindbar usw. Momentan ist Nachhaltigkeit also vielleicht noch eine Option, aber bald wird es zum Muss für jedes Unternehmen.

Was waren die Herausforderungen beim Erreichen des Südtiroler Nachhaltigkeitslabels?

Die größte Herausforderung war, eine Art Vorleistung zu geben, also eine Zeit -und Geldinvestition zu tätigen, dessen Nutzen man nicht gleich erkennen konnte. Bei uns war das zum Beispiel in Form einer neuen Vollzeit-Mitarbeiterstelle, die sich ausschließlich mit dem Thema Nachhaltigkeit befasst. Es hat einen Moment gebraucht, zu verstehen, wie wichtig diese Aufgabe ist, dass sie, plakativ ausgedrückt, gleich wichtig wie etwa die Organisation des Weihnachtsmarktes ist.

Wie wichtig ist ein personeller Ressourcenaufwand im Bereich Nachhaltigkeit?

Meines Erachtens sind Fachleute für den Bereich Nachhaltigkeit essenziell. Eine nachhaltige Strategie wird in Zukunft gleich wichtig sein wie irgendeine Marketing-Kampagne. Ich erwarte mir künftig noch mehr Fokus auf die Nachhaltigkeit. Wir dürfen keine Angst davor haben, personelle Ressourcen einzusetzen und Vorleistungen zu treffen. Das ist ein wichtiger Appell, den ich an alle richte. Die Forderung nach mehr Nachhaltigkeit wird kommen, schneller als wir alle meinen.

Was kommt als nächstes?

Wir haben verschiedene Hilfeleistungen, die wir unseren Mitgliedern anbieten. Zum Beispiel bei einer Selbsterhebung der CO₂-Bilanz, der Müllproduktion und des Wasserverbrauchs. Wir haben 400 Mitglieder und es ist unser Ziel, in den nächsten 24 Monaten den Ist-Zustand aller zu messen, auch wenn es eine Sache der Freiwilligkeit ist. Nach dieser Bestandsaufnahme kommt die nächste Phase, es müssen Ziele gesetzt werden. Heute 1000 Kilo Müll, morgen nur noch 700, heute x-Tonnen CO₂-Verbrauch, morgen 20-30% weniger. Wir hoffen, in 24 Monaten die Datenerhebung abgeschlossen zu haben, aber man muss realistisch bleiben: Nicht alle Betriebe haben die nötigen Ressourcen, um sofort Zeit und Geld zu investieren. Wir werden versuchen, unsere Mitglieder mit allen verfügbaren Mitteln dabei zu unterstützen.

Ein Beitrag von Nathanael Peterlini