Politik | Landesregierung

Das Gutachten

Die Staatsadvokatur Trient hat in einem Gutachten jetzt die Interpretation des Landtages zerlegt. Das Ganze dürfte aber für den Mitte-Rechts-Block ein Pyrrhussieg sein.
Landesregierung 2019
Foto: LPA/Oskar Verant
  • Es sind drei Seiten. 
    Unterzeichnet vom Avvocato Distrettuale dello Stato, Dario Bellisario, und vom Avvocato dello Stato Incaricato Guido Denicoló. Denicoló, Bruder des verstorbenen SVP-Landtagsabgeordneten Herbert Denicoló dürfte damit auch der Verfasser des Gutachtens sein. 
    Es ist ein Gutachten, in dem es die Unterzeichner nicht an Klarheit fehlen lassen.
    So steht gleich zu Beginn der Ausführungen ein Satz, in dem alles andere als eine institutionelle Freundlichkeit durchschimmert.

    "Esaminato il sudetto parere interno, la scrivente non può non esprimere le proprie notevoli perplessità in ordine alle correttezza del percorso ermeneutico che in esso si rinviene con riferimento, in particolare, all’articolo 67, comma 5, L.P. n. 14/2017“

  • Südtiroler Staatsadvokat Guido Denicoló: (Mit)Verfasser des Gutachtens. Foto: sss

    Wobei die Hervorhebungen durch Fettdruck und Unterstreichung so im originalen Gutachten stehen.
    In der Sache gibt das Gutachten der Staatsadvokatur jenen Rechtsmeinungen recht, die der Mitte-Rechts-Block in den vergangenen zwei Wochen vorgelegt hat. Die Argumentation ist linear: Der alleinig anwendbare Berechnungsmodus für die Zusammensetzung der Landesregierung ist das Sprachgruppenzusammensetzung des Landtages. Allein dieser Prozentsätze zählen bei der Zusammensetzung der Landesregierung.
    Laut der Staatsadvokatur habe man im Gutachten des Landtages aber das Verhältnis der deutschen zur italienischen Sprachgruppe im Landtag zur Berechnung hergenommen. Das sei aber ein Fehler. „Diese Berechnungsmethode findet sich nirgends im besagten Artikel 67 des Landeswahlgesetzes“, heißt es im Gutachten.
    Mathematisch gesehen: Man muss bei der Berechnung der Sitze in der Landesregierung den gesamten Landtag (35 Abgeordnete) zählen und nicht den Ladiner dabei abziehen (also 34).

  • Ein Pyrrhussieg?

    Gutachten der Staatsadvokatur: „Diese Berechnungsmethode findet sich nirgends“ Foto: Salto

    Damit dürften die italienischen Parteien jetzt Recht bekommen. Bei einer Landesregierung mit 11 Mitgliedern müssen zwei Landesräte der italienischen Sprachgruppe angehören. Der politische Druck auf die SVP wird sich damit nochmals deutlich erhöhen.
    Es zeichnet sich aber bereits jetzt ab, dass das gesamte Tohuwabohu umsonst gewesen sein könnte. Denn Arno Kompatscher wird wohl kaum eine Landesregierung mit elf Mitgliedern bilden.
    Kompatscher ist 2013 mit der klaren Aussage angetreten, die unter Luis Durnwalder traditionelle 11er Landesregierung zu verkleiner. Das tat er auch: Unter Landeshauptmann Arno Kompatscher gab es bisher zwei Landesregierungen. Eine mit acht Mitgliedern und eine mit neun Mitglieder. Auch diesmal wird es kaum anders sein. Kompatscher hat in der Parteileitung bereits erklärt, dass er auch diesmal auf ein kleine Regierung setzen wird. Beobachter halten eine Landesregierung mit nur acht Mitglieder für wahrscheinlich
    Zwei italienische Landesräte gibt es aber nur bei einer Erweiterung auf 11 Regierungsmitgliedern. Alles was darunter ist, kommt - auch nach dem Gutachten der Staatsadvokatur - immer nur auf einen italienischen Landesrat.

     

    Es zeichnet sich aber bereits jetzt ab, dass das gesamte Tohuwabohu umsonst gewesen sein könnte. Denn Arno Kompatscher wird wohl kaum eine Landesregierung mit elf Mitgliedern bilden.

  • Neue Probleme

    SVP-Obmann Philipp Achammer und Landeshauptmann Arno Kompatscher: Sich neue Probleme aufhalsen? Foto: Seehauserfoto

    Die SVP und Arno Kompatscher wissen, dass sie mit der Ernennung von zwei italienischen Landesräten zwar den Aufschrei des Italiener im Land abfedern würden. Gleichzeitig tauchten damit aber andere Probleme auf.
    Bildet man eine 11-Regierung wird auch der deutsche Koalitionspartner zwei Sitze in der Landesregierung verlangen. Warum etwa soll das Team K mit vier Abgeordneten nur einen Landesrat stellen, während Fratelli D’Italia und Lega mit gemeinsam 3 Abgeordneten zwei Plätze in der Landesregierung bekommen? Dasselbe würde auch für die Grünen als möglicher Koalitionspartner gelten. 
    Es gibt kaum tragbare Gegenargumente gegen diese Forderungen. 

    Wenn etwa die Schweiz von einem Bundesrat mit sieben Mitgliedern regiert wird, wird schwer vermittelbar, dass man in Südtirol elf Landesräte braucht.

  • Zudem kommt bei einer Erweiterung der Regierung auf jeden Fall wieder der Vorwurf der steigenden Politikkosten auf. Wenn etwa die Schweiz von einem Bundesrat mit sieben Mitgliedern regiert wird, wird schwer vermittelbar, dass man in Südtirol elf Landesräte braucht.
    Arno Kompatscher tritt seine letzte Legislatur an. Dass er deshalb seine Überzeugungen zur Zusammensetzung der Landesregierung ausgerechnet jetzt völlig über Bord wirft, dürfte eher unwahrscheinlich sein.

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Thomas Unterwinkler Mi., 29.11.2023 - 12:28

@ Herrn Franceschini: Findet sich im Gutachten der Staatsadvokatur auch ein Hinweis, wie mit den Dezimalstellen zu verfahren ist? Denn bei einer Berechnung mit 35 Abgeordneten kommen die deutsche Sprachgruppe auf 8,29 Regierungsmitglieder und die italienische Sprachgruppe auf 1,43 Regierungsmitglieder. In beiden Fällen bleibt die Dezimalstelle unter 50 und müsste somit - zumindest nach der Regelung im selben Gesetz für die Geschlechterquote - abgerundet werden.

Mi., 29.11.2023 - 12:28 Permalink
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Thomas Unterwinkler Mi., 29.11.2023 - 13:27

Das - leider nicht besonders gut gemachte - Gesetz sieht in Bezug auf die Dezimalstellen keine eigene Regelung für Artikel 67 Absatz 5 vor. Dann ist es plausibel zu prüfen, ob das Gesetz an anderer Stelle die Frage der Dezimalstellen regelt. Der Rückgriff auf die Regel in Artikel 67 Absatz 4 ist eine von mehreren Möglichkeiten. Deshalb würde mich interessieren, ob sich die Staatsadvokatur dazu geäußert hat bzw. welche Auffassung sie diesbzgl. vertritt.

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Luca Crisafulli Mi., 29.11.2023 - 13:34

La questione giuridica era chiara e dispiace che tanti non l’abbiano ben compresa. Questa non è la vittoria della comunità di lingua italiana o dei partiti italiani di centro-destra, come qualcuno scrive: è l’affermazione del diritto e dei diritti sull’arbitrio di chi, per opportunità, consuetudine o arroganza, ha sempre pensato di poter interpretare le leggi a proprio uso e consumo. Adesso si torni a parlare di programmi e di idee perché la comunità ha bisogno di una guida capace e coraggiosa.

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Luca Crisafulli Mi., 29.11.2023 - 14:39

Antwort auf von pérvasion

Già prima del parere dell’ufficio Affari Legislativi del Consiglio provinciale era stata espressa in maniera arrogante la tesi - errata - di un solo italiano in una giunta a 11. Serva che le ricordi le parole di Kompatscher (lei sa se alla fine è stato interpellato il Santo Padre?)?E vogliamo parlare del presidente del Consiglio provinciale („Was Crisafulli sagt, interessiert mich nicht. Für uns ist die Rechtslage klar.")? Non le sembra un atteggiamento arrogante? E certamente opportunistico perché avrebbe consentito di fare una giunta imbarcando un componente “italiano” in meno e uno in più appartenente alla SVP. E gli articoli di chi derideva la teoria dei 2 italiani in giunta ponendo dubbi di conoscenza di semplici regole matematiche? A tutto c’è un limite ed è stato ampiamente superato.

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Felix von Wohlgemuth Mi., 29.11.2023 - 15:49

Antwort auf von pérvasion

ja...eines (vom Landtag), welches eine kreative Berechnung vornimmt, und eines (der Staatsadvokatur), welches sich an den Wortlaut des Gesetzes hält. Im Gegensatz zum Gutachten des Landtages wurde jenes der Staatsadvokatur vollumfänglich auf Salto veröffentlicht und ich kann eigentlich keinen Fehler in der Argumentation der Staatsadvokatur erkennen. Im Gegensatz dazu erschließt sich mir nicht, weshalb im Gutachten des Landtages von einem Verhältnis "zwischen den beiden Sprachgruppen" ausgegangen wrd....

Mi., 29.11.2023 - 15:49 Permalink
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pérvasion Mi., 29.11.2023 - 16:11

Antwort auf von Felix von Wohlgemuth

Ich persönlich kann als Nichtjurist, der aber mit den Regeln der Mathematik (und der Logik) ein wenig vertraut ist, beiden Berechnungsweisen etwas abgewinnen. Allerdings sagt das Gutachten der Staatsadvokatur zwar, dass man über die Schlussfolgerungen des Landtags ziemlich »perplex« sei, aber nicht, dass es »falsch« ist. Vor allem aber steht auch im Gutachten der Staatsadvokatur nichts von zwei italienischen Landesrät:innen. Das Ergebnis der vorgeschlagenen Berechnungsmethode ist ja, dass der deutschen Sprachgruppe in einer Elferregierung unter 8,5 und der italienischen Sprachgruppe unter 1,5 Sitze zustehen würden, selbst wenn der Nachkommawert bei der italienischen Sprachgruppe höher ist.

Mi., 29.11.2023 - 16:11 Permalink
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Thomas Unterwinkler Mi., 29.11.2023 - 17:18

Antwort auf von pérvasion

Richtig: 8,29 Regierungsmitglieder für die deutsche und 1,43 Regierungsmitglieder für die italienische Sprachgruppe. Was das in der Praxis bedeutet, dazu hat sich die Staatsadvokatur nicht geäußert - vielleicht wurde sie auch nicht danach gefragt.
Insofern wäre es jedenfalls klug, eine Landesregierung mit weniger als 11 Mitgliedern zu bilden und für die nächste Legislaturperiode eine klarere Regelung zu schaffen.
Bei einer Landesregierung aus 11 Mitgliedern könnte die Opposition auf die Idee kommen, Beschlüsse anzufechten und die Gerichte entscheiden zu lassen, ob die Interpretation der Staatsadvokatur korrekt ist, und vor allem, was in der Folge 8,29 und 1,43 bedeuten. Nur die Gerichte können eine endgültige Entscheidung über die Auslegung treffen. Die STF hat ja schon Andeutungen in diese Richtung gemacht.

Mi., 29.11.2023 - 17:18 Permalink
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Felix von Wohlgemuth Mi., 29.11.2023 - 17:50

Antwort auf von pérvasion

Sie sagen es: Sie sind kein Jurist. Hier geht es auch nicht um eine rein mathematische Formel, sondern um ein Wahlgesetz.
Als Jurist sage ich Ihnen, dass Spezialregeln, wie jene für die für Rundungen zur Geschlechterquote, eben nicht 1 zu 1 für völlig andere Sachverhalte herangezogen werden können.
Steht der Ital. Sprachgruppe der höhere Rest zu, bekommt sie einen Landesrat mehr....sofern keine gegenteilige Regelung gesetzlich vorgesehen wurde

Mi., 29.11.2023 - 17:50 Permalink
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pérvasion Mi., 29.11.2023 - 18:44

Antwort auf von Felix von Wohlgemuth

»Als Jurist sage ich Ihnen, dass Spezialregeln, wie jene für die für Rundungen zur Geschlechterquote, eben nicht 1 zu 1 für völlig andere Sachverhalte herangezogen werden können.«

Danke für diese Erklärung. Ich habe aber nirgends geschrieben, dass sie 1:1 anwendbar sei. Allerdings gelten die allgemeinen Regeln der Mathematik auch dann, wenn man die angeblichen »Spezialregeln« zur Geschlechterquote beiseite lässt.

Mi., 29.11.2023 - 18:44 Permalink
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G. P. Mi., 29.11.2023 - 13:41

Verstehe nicht, wieso LH Kompatscher "wohl kaum eine Landesregierung mit elf Mitgliedern bilden" sollte. Genau das ist doch der einfachste Weg mit dem geringsten Widerstand. Zwei ital. Landesräte, acht SVP-Regierungsmitglieder, einfach geht's nicht. Genau deshalb wird er es auch tun ...

Mi., 29.11.2023 - 13:41 Permalink
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Milo Tschurtsch Fr., 01.12.2023 - 11:22

Antwort auf von G. P.

Wie schon erwähnt, ein genialer Schachzug: Aufstockung auf elf, die Italiener befriedigt, die Regierung in Rom besänftigt, acht ! (von 13) SVP Gewählten in der Landesregierung, einer vom deutschen Koalitionspartner. Was will man mehr. Die zusätzlichen Kosten, fallen nicht ins Gewicht, geht man doch mit Steuergeld eh schon recht sorglos um (ums gleiche Geld wird man die gleichbleibende Arbeit schließlich auch nicht tun). Denn man kann ja alles begründen: Die viele Arbeit mir uns Bürgern, die Gutachten, wo man leider nicht anders kann........
Der brave Wähler, der alle fünf Jahre seine Meinung kundtun kann, reibt sich verwundert die Äuglein. So schnell und so offensichtlich war der Postenschacher nun doch nicht erwartet, obwohl man es hätte wissen müssen.

Fr., 01.12.2023 - 11:22 Permalink
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Otmar Pattis Mi., 29.11.2023 - 14:44

Ich habe nie daran gezweifelt, dass in Südtirol wenn‘s ums Wesentliche geht nicht nur der italienische Gesetzestext, sondern auch die italienische Arithmetik anzuwenden ist.

Mi., 29.11.2023 - 14:44 Permalink
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Salto User
millo7227 Mi., 29.11.2023 - 16:35

Und so vergehen Wochen..Monate bis eine Landesregierung aufgestellt ist. Mit Kommazahlen, Gutachten und Dekrete .
Ich habe keinen Jura Abschluss, weder einen Doktor Titel, aber dafür bin ich mit einen gesunden Hausverstand ausgestattet und kann nur mehr den Kopf schütteln.

Mi., 29.11.2023 - 16:35 Permalink
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Profil für Benutzer Thomas Unterwinkler
Thomas Unterwinkler Mi., 29.11.2023 - 17:27

Antwort auf von millo7227

Naja, wir leben halt in einem Rechtsstaat, der ein sehr komplexes Gemeinwesen regelt. Da kommt es vor, dass es unterschiedliche Auffassungen gibt und darüber gestritten wird. Was wäre die Alternative?
Hausverstand gut und schön, aber diesen als Grundlage für die Lösung aller Konflikte heranzuziehen, scheitert schon daran, dass jeder seinen eigenen Hausverstand für den "gesunden" hält.
Dass im vorliegenden Fall das Wahlgesetz nicht besonders gut gemacht wurde, ist ein anderes Thema. Das sollte natürlich nicht passieren.

Mi., 29.11.2023 - 17:27 Permalink
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G. P. Mi., 29.11.2023 - 20:54

Antwort auf von nobody

Wieso? Weshalb? Warum? Die Regierung steht - nach dem Guthaben zum Gutachten - praktisch ja schon: SVP (8 Landesräte), Lega (1 Landesrat), FdL (1 Landesrat), Freiheitliche (1 Landesrat).

Mi., 29.11.2023 - 20:54 Permalink
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Gianguido Piani Mi., 29.11.2023 - 21:41

8,29 / 1,43 = 5,8. Zu jedem ital. Landrat stehen 5,8 deutsche gegenüber. Dies ist gleich mit (35-1-5)/5.
2 Italiener in der Landesregierung würden bedeuten, dass die Deutschen mindestens 2x5,8 = 11,6 sein sollten.
Lass uns nur elf nehmen, gerne einschl. eines Ladiners. Die kleinste Regierung, die eine saubere Teilnahme zweier Italiener erlaubt, würde 13 Mitglieder zählen.
Bozen kann als repräsentativ für die italienischen Stimmen gelten. Hier haben Fdi + Lega 27,8% erhalten, dagegen PD+Grüne+Civica+Team K 40,9% (diese Parteien schließen sich bei möglichen Koalitionen gegenseitig nicht aus und hatten viele ital. Kandidaten). Lega und FdI sollten daher keinen Anspruch erheben, alleine die italienische Sprachgruppe zu vertreten. Wenn überhaupt, dann sollten die zwei italienischen Assessoren Gennaccaro und Repetto heißen.

Mi., 29.11.2023 - 21:41 Permalink
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G. P. Fr., 01.12.2023 - 11:43

Die SVP lässt sich jetzt schon von den Herren Galateo und Bianchi vor sich hertreiben. Wie wird das dann wohl die nächsten fünf Jahre werden ...

Fr., 01.12.2023 - 11:43 Permalink