Wirtschaft | Ultental

Protest gegen Pumpspeicherwerk

Alperia hat es versucht: Es wurde mit der Gemeinde eine Arbeitsgruppe gegründet, um die Bevölkerung bei der Planung mitzunehmen. Doch der Schuss ging nach hinten los.
Protest gegen Pumpspeicherwerk
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  • „Es war eine Feigenblatt-Aktion“, sagt Franziska Schwienbacher, Vertreterin der AVS-Sektion Ulten, über die von der Gemeinde und Alperia eingerichteten Arbeitsgruppe. Allein der Name der Arbeitsgruppe dürfte für sich sprechen: Sie trägt den Titel „Ausgleichsmaßnahmen“. Als wäre an anderer Stelle längst entschieden worden, dass im Ultental ein siebtes großes Wasserkraftwerk gebaut werden soll. Im Tal wächst hingegen der Unmut und es wird mit beschrifteten Bettlaken gegen das Projekt protestiert. 

    „Es war nicht klar, ob die Techniker von Alperia es wirklich nicht wissen oder sich nur bewusst zurückhalten.“

    Alperia will im Ultental beim Zoggler Stausee ein unterirdisch angelegtes Pumpspeicherwerk errichten. Laut Antwort auf die Landtagsanfrage der Grünen Landtagsabgeordneten Madeleine Rohrer würden für das neue unterirdische Kraftwerk absurderweise gar keine Umweltgelder für die Gemeinde Ulten anfallen, „da es keinen Strom produziert, sondern diesen nur speichert und bei Bedarf abgibt“, erklärt der scheidende Umweltlandesrat Giuliano Vettorato. Somit seien keine Umweltgelder im Sinne der derzeitigen Landesgesetzgebung vorgesehen.

  • Das Projekt

    Das Pumpspeicherwerk soll den im Tal liegenden Zoggler Stausee zwischen Kuppelwies und St. Walburg mit dem weiter oben liegenden Arzkar-Stausee hinter dem Skigebiet Schwemmalm verbinden. Der Wirkungsgrad beträgt bei Pumpspeicherwerken in der Regel 75 bis 80 Prozent, da mehr Strom zum Hochpumpen benötigt wird als beim Herunterfließen zurückgewonnen werden kann. Geschätzte Baukosten: 400 bis 800 Millionen Euro;

    „Ich verstehe, dass es den Ausbau der erneuerbaren Energien braucht, aber im Ultental gibt es kaum mehr einen Bach in seiner Ursprungsform. Alles wurde kanalisiert und zusammengeleitet. Kein Bauer könnte hier eine Mühle betreiben, weil alle Wasserkonzessionen Alperia gehören. Wenn wir in der Arbeitsgruppe kritische Fragen gestellt haben, haben wir nur vage Antworten erhalten. Es war nicht klar, ob die Techniker von Alperia es wirklich nicht wissen oder sich nur bewusst zurückhalten“, sagt Schwienbacher. 

    Die Bevölkerung im Tal müsse zuerst über das geplante Pumpspeicherwerk informiert werden, um sich eine Meinung bilden zu können, bevor über Ausgleichsmaßnahmen gesprochen werden kann. Zu diesem Punkt habe bei den Interessensvertretern in der Arbeitsgruppe Einigkeit geherrscht. Da Alperia aber darauf bestanden hat, über Ausgleichsmaßnahmen zu sprechen, habe schließlich die Gemeindeverwaltung zwei Vorschläge ausgearbeitet. „Diese Vorschläge sind im Vergleich zu diesem Projekt dermaßen lächerlich, dass ich mich schämen würde, sie zu nennen. Denn sie stehen in keinem Verhältnis“, sagt Schwienbacher. 

  • Die nächsten Schritte

    Das Großprojekt soll bereits in zwei Jahren in die Bauphase gehen. Im Tal wird gemunkelt, dass Alperia wegen dem Auslaufen der Wassernutzungskonzessionen Mitte der 2030er Jahre in zeitlicher Bedrängnis ist. Es müsse also zeitnahe gebaut werden, um die Kosten innerhalb der Konzessionslaufzeit amortisieren zu können. „Die bestehenden Konzessionen, welche mit dem Pumpspeicherwerk in irgendeiner Form verbunden sein könnten, verfallen erst 2040“, erklärt Abteilungsdirektor der Landesagentur für Umwelt und Klimaschutz, Flavio Ruffini, gegenüber SALTO

    Wird das Projekt umgesetzt, könnte für einige Jahre nicht nur eine Großbaustelle ins Ultental kommen, sondern es müssen auch neue unterirdische Stromleitungen verlegt werden, um den zusätzlich gewonnenen Strom ins Netz einzuspeisen. Für den Tourismus im Tal werden durch die Bauarbeiten Umsatzeinbußen befürchtet. 

  • Protest am Zoggler Stausee: Wortspiel mit dem Namen des Alperia-Generaldirektors. Foto: privat
  • Der Protest: Zwischen 1949 und 1969 wurden sechs Stauseen angelegt, für die auch Bauernhöfe weichen mussten. Foto: privat

    „Je weniger offizielle Informationen vorliegen, desto leichter kommen Falschinformationen in Umlauf. Die Gemeinde braucht unabhängige Techniker und Rechtsexperten, um das Projekt objektiv beurteilen zu können“, fordert Schwienbacher vom AVS. Dass die Techniker von Alperia das Projekt befürworten, liege schließlich auf der Hand. 

    Auch die Grünen fordern mehr Transparenz: „Bisher gab es ein Informationsdefizit. Die Energiewende braucht Speichermöglichkeiten und jetzt muss man sich das Projekt im Detail ansehen und offene Fragen klären“, erklärt Rohrer. Sie hat insgesamt vier Landtagsanfragen dazu gestellt, unter anderem steht in Frage, ob es einen Grundsatzbeschluss der Gemeinde Ulten braucht, um das Pumpspeicherwerk bauen zu können. 

     

    „Je weniger offizielle Informationen vorliegen, desto leichter kommen Falschinformationen in Umlauf." 

     

    Ebenso Jürgen Wirth Anderlan von der Liste JWA hat eine Landtagsanfrage zum Projekt gestellt und fordert eine Volksbefragung im Ultental. „Ob Ulten oder Terlan, Alperia oder Alpitronic – Südtirol braucht mehr Mitbestimmung“, so Anderlan. „Es kann nicht sein, dass die Einheimischen nicht gefragt werden, wenn ihre Gemeinde weiter zugebaut wird. Es ist falsch, wenn Konzerne immer größere Gewinne machen, während die Menschen nur noch mehr Lärm und zu hohe Stromrechnungen erhalten.“ Im Fall von Alperia sind die Konzerneigentümer die Südtiroler Bevölkerung, da der Energiekonzern den Gemeinden und dem Land gehört. 

    Der Ultner Gemeindeausschuss steht dem geplanten Projekt von Alperia grundsätzlich positiv gegenüber, bis auf wenige kritische Stimmen auch der Gemeinderat. Heute Abend (9. Jänner 2024) dürfte die Gemeinderatssitzung im Vereinshaus St. Walburg trotzdem turbulent ablaufen. Denn bei der öffentlichen Sitzung werden Landeshauptmann Arno Kompatscher, Generaldirektor Alperia Luis Amort und Abteilungsdirektor der Landesagentur für Umwelt und Klimaschutz, Flavio Ruffini, das Projekt der Bevölkerung vorstellen. In den sozialen Medien wird dazu aufgerufen, zahlreich bei der Sitzung zu erscheinen. 

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Herta Abram Di., 09.01.2024 - 13:37

eine Frage: Wäre die Speicherleistung ausschliesslich für Südtirol, oder will die Alperia auch an anliegende Länder verkaufen? Gibts dazu Informationen?

Di., 09.01.2024 - 13:37 Permalink
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Christian Gufler Di., 09.01.2024 - 15:35

Herr Kompatscher und Herr Amort erklären sie bitte um wieviel billiger der Strom für die Ultner Bevölkerung wird.
Zur Erinnerung die Worte von SVP Landeshauptmann Durnwalder:
"Zum ersten Mal kann das Land über die SEL über derart große Energiemengen verfügen, dass eine eigene Preispolitik möglich wird, die vom Leitgedanken wie der Gewinnmaximierung abgekoppelt ist. Uns geht es nicht um Spekulation auf dem Rücken der Bevölkerung, sondern um die Lieferung von Energie zu gerechten, tragbaren Bedingungen, auch weil davon die volkswirtschaftliche Leistung und in der Folge der Lebensstandart in Südtirol maßgeblich abhängt (Landeshauptmann Luis Durnwalder)." Zitiert aus "Südtirol unter Strom", Bozen 2015, S. 131.

Di., 09.01.2024 - 15:35 Permalink
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Hartmuth Staffler Di., 09.01.2024 - 21:57

Rein vom technischen Standpunkt aus sind die Voraussetzungen im Ultental ideal, weil man bereits zwei Speicherbecken hat, die man mit verhältnismäßig geringem Aufwand zu einem Pumpspeicherwerk verbinden kann, um dort teuren Spitzenstrom zu produzieren. Alle anderen Bedingungen wie Umwelt und Akzeptanz der Bevölkerung sind nicht ideal, sondern sprechen gegen das Vorhaben. In Rumänien fehlen die günstigen Voraussetzungen, man müsste die gesamte Infrastruktur neu schaffen. Man könnte aber die in Rumänien tätigen Südtiroler Unternehmer fragen, ob sie für ihre dortigen Betriebe Bedarf an Spitzenstrom haben.

Di., 09.01.2024 - 21:57 Permalink
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Josef Fulterer Mi., 10.01.2024 - 06:45

Die Führung der ALPERIA verhaltet sich noch viel übler, wie manche üble Großfürsten im Mittelalter.
Statt den von Durnwalder versprochenen Vorteilen Vorteilen, "für den Strom zum Land," verbratet die ALPERIA mit mehr als fraglichen Spekulations-Geschäften, im Verhältnis zur Leistung unangemessenen hohen Gehältern + mit lächerlichen Luxusschlitten für die eigene Fortbewegung, die den Strom-Abnehmern weit über Gebühr abgeknöpften EUROs.

Mi., 10.01.2024 - 06:45 Permalink
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Herta Abram Mi., 10.01.2024 - 14:25

Wenn es der Alperia, beim Pumpspeicherwerk hauptsächlich, um Effizienzsteigerung geht (- ich behaupte, darum gehts), dann ist mit einem " Rebound- Effekt" zu rechnen.
Soll heißen: Energieeffzienz und Energieeffizienzsteigerung darf NICHT zu einer erhöhten Nutzung führen und Nutzer (Tourismus, Skigebiete) ver/brauchen NOCH mehr Energie ( z. B. durch weiter ausdehnen )
Dadurch würden die möglichen Vorteile/Einsparungen für das Gemeinwohl, teilweise wieder aufgehoben, - zugunsten einer bestimmten Gruppe.
UND damit wären die Klimaziele wieder ausgehebelt....
Abgesehen davon: Ein weiteres bevorzugtes Mittel zur Erreichung der Klimaziele muss die Umgestaltung der Förderungspolitik sein.

Mi., 10.01.2024 - 14:25 Permalink
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Am Pere Mi., 10.01.2024 - 16:25

Antwort auf von Herta Abram

Es geht um Kohle, liebe Frau. Den ganzen Senf von Umwelt usw. können Sie in die Tonne treten.
Solange die Bürger Südtirols dies nicht verstehen, werden Täler wie Ulten weiterhin den Kapitalisten zum Fraß vorgeworfen, weil sich Leute finden lassen, die dem ganzen - aufgrund dem unnötigen Blablabla - etwas Gutes abgewinnen können. Leute wie Sie, offensichtlich.

Mi., 10.01.2024 - 16:25 Permalink
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Elisabeth Garber Mi., 10.01.2024 - 17:41

Antwort auf von Herta Abram

Es versteht vor lauter Überfliegen nicht, was Sie meinen Frau Abram. Das Pseudonym will im Mittelpunkt stehen und arbeitet sich an einer Klarnamenschreiberin ab: typisch erbärmlich.

Mi., 10.01.2024 - 17:41 Permalink
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Hartmuth Staffler Mi., 10.01.2024 - 16:53

Antwort auf von Herta Abram

Ein Pumpspeicherwerk dient dazu, teuren Spitzenstrom zu erzeugen. Unterm Strich wird nicht mehr, sondern wegen der vom System bedingten Verluste etwas weniger Strom erzeugt, allerdings mit höherer Wertschöpfung. Pumpspeicherwerke gelten als sinnvolle Ergänzung zu nachhaltigen, aber wenig flexiblen Energiequellen wie Windkraft und Sonnenenergie. Ulten bietet sich vom technischen Standpunkt aus an. Ob man allerdings einem Tal, das schon extrem durch den Bau der Wasserkraftwerke belastet wurde, auch noch die Belastung durch den Bau des Pumpspeicherwerkes zumuten kann, das sollte man die Bevölkerung des Tales entscheiden lassen.

Mi., 10.01.2024 - 16:53 Permalink
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veronika dapra Do., 11.01.2024 - 05:48

Waren einigermaßen entsetzt über den Beitrag des LH gestern in den Abendnachrichten „nachhaltig, Klimawandel, Regierungsprogramm“, er meinte wohl „sollen keine Geschichten machen, bitte“. Hätte es früher dem LH nicht unterstellt, jetzt schon, nach dem skandalösen Kuhhandel. Denn wenn Politiker etwas durchdrücken wollen, mit dem magic Unwort „nachhaltig“ kommen, vom Klimawandel faseln, hat die Bevölkerung meist verloren. Ulten ist ein so schönes Tal.

Do., 11.01.2024 - 05:48 Permalink