Politik | Landtag

Frauen sollen nicht genannt werden

Jürgen Wirth Anderlan will die gendergerechte Sprache verbieten, das ist auch das Ziel von Ulli Mair. Wie Gleichstellungsrätin Michela Morandini das Vorhaben einschätzt.
genderneutral
Foto: Marc Stress/Unsplash
  • Mit einem Beschlussantrag im Landtag möchte die Liste JWA von Jürgen Wirth Anderlan die gendergerechte Sprache, wie etwa das Binnnen-I, Doppelpunkt oder Sternchen, aus Behörden und Politik entfernen. Diese sei sachlich falsch, ideologisch und aufgezwungen. Eine große Mehrheit der Bevölkerung würde sich einen normalen Sprachgebrauch wünschen. „Schützen wir unsere Muttersprache vor dieser Vergewaltigung“, erklärt der JWA-Abgeordnete Jürgen Wirth Anderlan.

    „Das uneinheitliche, ständig wechselnde Gendern führt dabei nicht nur zu sprachlichen Unklarheiten, es ist schlichtweg falsch.“

  • Jürgen Wirth Anderlan: „Das uneinheitliche, ständig wechselnde Gendern führt dabei nicht nur zu sprachlichen Unklarheiten, es ist schlichtweg falsch.“ Foto: Seehauserfoto

    Tatsächlich ist laut Umfragen in Deutschland das Gendern für die meisten Menschen kein drängendes Thema. Laut einer im März 2023 durchgeführten Befragung des Marktforschungsinstituts YouGov erachten rund 47 Prozent der Frauen die gendergerechte Sprache als sehr unwichtig, rund 54 Prozent der Männer sind derselben Auffassung. Als sehr wichtig halten nur jeweils 8 Prozent der Frauen und Männer diese sprachliche Praxis. 

    Der deutsche Rechtschreibrat hatte sich vor einigen Jahren nach kontroversen Debatten vorerst entschieden, das Gendersternchen (zum Beispiel „Bürger*innen“) nicht in den Duden aufzunehmen. In Bayern schaffte es das Genderverbot in Schulen und Verwaltung Mitte Dezember letzten Jahres sogar in die Regierungserklärung von CDU und Freien Wählern. 

    „Das generische Maskulinum wird seit Jahrhunderten und leider auch heute noch als Norm angesehen.“

  • Gleichstellungsrätin Michela Morandini beurteilt den JWA-Beschlussantrag zum Gendern differenziert: „Es ist wichtig darüber zu sprechen, wie eine geschlechtergerechte Sprache umgesetzt werden kann. Aber ich finde es bedenklich, dass mit dem Beschlussantrag eine Grundsatzdiskussion über die Sinnhaftigkeit von geschlechtergerechter Sprache angestoßen wird.“ In Fachkreisen sei die Debatte in dieser Frage bereits fortgeschritten. 

    Darüber hinaus verlangen sowohl die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen (Ziel Nr. 5), Bestimmungen auf EU-Ebene als auch das Gleichstellungs- und Frauenförderungsgesetz des Landes (vom 8. März 2010, Nr. 51) die Gleichberechtigung der Geschlechter. Im Artikel 8 des Landesgesetzes wird zudem festgehalten, dass Landesgesetze, Verordnungen und Beschlüsse des Landes geschlechtergerecht formuliert werden müssen. Die diesbezüglichen Richtlinien wurden zuletzt 2021 von der Landesregierung erlassen. 

  • Michela Morandini: „Es gibt also auf oberster politischer Ebene Bestimmungen, die eine Gleichstellung der Geschlechter gesetzlich verankern – eine geschlechtergerechte Sprache gehört ohne Zweifel dazu.“ Foto: LPA

    „Es gibt also auf oberster politischer Ebene Bestimmungen, die eine Gleichstellung der Geschlechter gesetzlich verankern – eine geschlechtergerechte Sprache gehört ohne Zweifel dazu. Schließlich repräsentiert die Sprache die Wirklichkeit, in der wir leben. Das generische Maskulinum wird seit Jahrhunderten und leider auch heute noch als Norm angesehen. Das ist nicht gerecht, da es Frauen und Menschen, die sich nicht als weiblich oder männlich identifizieren, ausschließt“, so Morandini. 

    Der Beschlussantrag von JWA ähnelt einem in der vorigen Legislaturperiode abgeschmetterten Antrag der neuen Wohnbau- und Sicherheitslandesrätin Ulli Mair (Freiheitliche). Nun hat das Vorhaben von JWA möglicherweise bessere Chancen im Landtag: Bis auf die SVP befürwortet in der Regierungskoalition keine Fraktion eine gendergerechte Sprache. Allerdings werden Beschlussanträge von Oppositionsparteien aus Prinzip äußerst selten von der Mehrheit angenommen.