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Bist du nützlich?

Ich arbeite, also bin ich: Ein Credo, das tief in der DNA der westlichen Industrienationen eingeschrieben ist. Ist es an der Zeit, nach neuen Glaubenssätzen zu suchen?

„Der Verkauf der Ware Arbeitskraft wird im 21. Jahrhundert genauso aussichtsreich sein wie im 20. Jahrhundert der Verkauf von Postkutschen“: Ein Zitat aus dem Manifest gegen Arbeit der Gruppe KRISIS, das der Philosoph und Autor Patrick Spät in einem Gastbeitrag auf Zeit Online verwendet. Damit stimulierte er in den vergangenen Tagen eine interessante Diskussion über einen Fakt, vor dem wir immer noch gerne die Augen verschließen: Wir leben in einer Ära des Kapitalismus, in der die Produktivität der Arbeit dermaßen hoch ist, dass immer weniger Arbeitskräfte gebraucht werden.

„Die aktuelle Massenarbeitslosigkeit in Südeuropa – mit einer Jugendarbeitslosigkeit von teilweise über 50 Prozent – ist nur ein Vorgeschmack auf das große Fressen, das uns noch bevorsteht. Computer und Roboter ersetzen am laufenden Band Jobs. Die Fast-Food-Kette McDonald’s installiert in ihren weltweiten Filialen gerade Tausende Easy-Order-Automaten. ... In den USA übernehmen sogenannte E-Discovery-Programme  immer mehr Recherchearbeiten, wo vormals Rechtsanwälte in Aktenbergen und Gerichtsurteilen wühlten. Eine Studie der Universität Oxford kommt zu dem Schluss, dass bis 2030 rund 47 Prozent aller Arbeitsplätze in den USA der Automatisierung zum Opfer fallen können.“

Vorbereitet sind wir darauf in keinster Weise. Ganz im Gegenteil, meint Spät in seinem Buch "Und was machst du so? Fröhliche Streitschrift gegen den Arbeitsfetisch". Denn obwohl der Mensch im Grund nach Faulheit strebe, hätte sich der Arbeitsfetisch tief in die DNA der westlichen Industrienationen eingeschrieben. Und: Just in dem Moment, in dem sie uns ausgeht, hätte die Arbeitsreligion den Status einer Staatsreligion erlangt.

„Kein Wahlplakat, auf dem nicht mit mehr Jobs geworben wird. Der Ruf nach mehr Arbeit ähnelt dem Stockholm-Syndrom, bei dem die Opfer von Geiselnahmen nach und nach ein positives Verhältnis zu ihren Entführern aufbauen. Ständig hören wir das Gefasel von "Wachstum", "Wettbewerb" und "Standortsicherheit", um uns einzureden, dass wir "Gürtel enger schnallen" müssten, weil nur so "sichere Arbeitsplätze" möglich seien – alles andere sei "alternativlos". Eine Lohnerhöhung sei nicht drin, weil sonst die Firma pleitegehe. Wir dürften die Reichen nicht zu stark besteuern, weil sonst die Leistungsträger ins Ausland gingen. All diese Dinge werden Konsens – sogar bei den Lohnsklaven selbst.“

Wie aber heißen die Alternativen? „Lasst uns schrumpfen“, meint Spät.  „Lasst uns den Arbeitsfetisch abschütteln und nicht an unsere Kinder weitergeben.“ Denn es grenze an Folter, kleinen Kindern das Spielen und Entdecken zu verbieten, um sie stundenlang zum Arbeiten an den Schreibtisch zu fesseln.

„Um es mit einem Zitat von John Lennon zu sagen: "Als ich fünf war, hat meine Mutter mir immer gesagt, dass es das Wichtigste im Leben sei, glücklich zu sein. Als ich in die Schule kam, baten sie mich aufzuschreiben, was ich später einmal werden möchte. Ich schrieb auf: glücklich. Sie sagten mir, ich hätte die Frage nicht richtig verstanden, und ich antwortete ihnen, dass sie das Leben nicht richtig verstanden hätten."