Politik | Gastbeitrag

„Vergessen wir nie: Es geht um Kinder!“

Schule ist ein Spiegelbild der Gesellschaft – vielleicht würde es manchmal eher nützen, der Gesellschaft einen Spiegel vorzuhalten. Ein Kommentar von Bildungslandesrat Philipp Achammer.
Achammer
Foto: Seehauserfoto
  • In den vergangenen Tagen sind immer wieder mögliche Vorschläge lanciert worden, welche scheinbar eine „Lösung“ für eine Sprachproblematik darstellen könnten, dabei schien alles möglich und relativ zu sein. Ich sehe mich aus diesem Grunde veranlasst klarzustellen, welche Maßnahmen aus dem bildungspolitischen Auftrag, den ich übernommen habe, aber auch aus einer gesellschaftspolitischen Verantwortung heraus denkbar sind und welche nicht:

     

    • Ich finde es alles andere als angemessen, dass auf dem Rücken der Kinder heftige politisch-ideologische Debatten ausgetragen werde, die dort ganz sicher nicht hingehören. Warum diskutieren wir nicht etwa gleichermaßen über die fehlende Durchmischung in einigen Stadtvierteln, über gelingende und nicht gelingende Wege der Integration oder über die Notwendigkeit der Begleitung von prekären Familiensituationen? Vielleicht mag es schlicht daran liegen, dass sich die primär Betroffenen, also die Kinder, in diesem Falle gut für eine Debatte hergeben, weil sie schweigen. Bedenklich genug. Schule ist ein Spiegelbild der Gesellschaft – vielleicht würde es manchmal eher nützen, der Gesellschaft einen Spiegel vorzuhalten?
  • Foto: Hannes Prousch
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    „Ich finde es alles andere als angemessen, dass auf dem Rücken der Kinder heftige politisch-ideologische Debatten ausgetragen werde, die dort ganz sicher nicht hingehören“

     

    • Kindergärten und Schulen sollten Kinder und Jugendliche in ihren so wesentlichen und auch so sensiblen Entwicklungsjahren begleiten und auf ein möglichst friedliches und respektvolles Zusammenleben in der Gesellschaft vorbereiten. Dies ist unser aller Erwartungshaltung. Dies erfordert, dass wir nicht nur irgendetwas ausprobieren, sondern die besten, bereits erprobten Konzepte behutsam und rücksichtsvoll anwenden. 
      Zahlreiche, ja zu viele politische Reaktionen folgten jedoch dem Prinzip „wir hier und dort die anderen“, indem „ein Problem durch das Abschieben von Kindern gelöst wird“. Solche Vorstellungen sind mit unserem Bildungsleitbild nicht vereinbar. Völlig separierte Klassen oder die Einsetzung einer paritätischen Kommission, um Kinder während des Kindergarten- und Schuljahres auszuschließen, werde ich deswegen weiter nicht unterstützen. Im Übrigen sind journalistische Kommentare, welche das Ende der deutschen Schule prophezeien und unsere Kinder ohne Datengrundlage als schlecht ausgebildet bezeichnen, alles andere als zuträglich.
  • Foto: Pexels/Thirdman
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    „Im Übrigen sind journalistische Kommentare, welche das Ende der deutschen Schule prophezeien und unsere Kinder ohne Datengrundlage als schlecht ausgebildet bezeichnen, alles andere als zuträglich.“

     

     

    • Auch wenn es immer und immer wieder erläutert worden ist: Es scheint einigen verborgen geblieben zu sein, dass unsere Lehrpersonen bereits jetzt (!) innerhalb einer Klasse in Gruppen und je nach Sprachstand und Kenntnis Kinder fördern. Und dass insbesondere Schulen mit einem starken Migrationsanteil und komplexen Voraussetzungen nahezu 150 zusätzliche Stellen zur Sprachförderung, zur Arbeit in kleineren Lerngruppen und zur Begleitung der Lehrpersonen zugewiesen werden. Streiten wir doch um die besten und gelingendsten pädagogischen Konzepte, nicht um politisch zurechtgezimmerte! 
      Es ist darüber hinaus sinnvoll, dass wir alle möglichen Maßnahmen zur Vorbereitung, Begleitung und Unterstützung der Schule – etwa durch flankierende Sprach- und Elternkurse an Nachmittagen und vor Schuleintritt – verstärken, auch durch eine verbesserte Beratung und Orientierung im Hinblick auf die Schuleinschreibung. Gerade die Eltern sind in die Pflicht zu nehmen - Kinder dürfen auf ihrem Bildungsweg im Erlernen der Bildungssprache nicht allein gelassen werden!
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    „Streiten wir doch um die besten und gelingendsten pädagogischen Konzepte, nicht um politisch zurechtgezimmerte!“ 

     

    • Die Kritiker scheinen sich einig, dass in den vergangenen zehn Jahren eine Entwicklung „verschlafen“ worden sei. Dieselben möchte ich an einige umgesetzte und umzusetzende Maßnahmen erinnern, welche scheinbar sehr schnell in Vergessenheit geraten sind, etwa die Pflicht zum Erlernen einer Landessprache für Drittstaatsangehörige laut Landesintegrationsgesetz, die Einführung eines verpflichtenden Ethikunterricht im Falle der Befreiung vom Religionsunterricht sowie das verpflichtende Kindergartenjahr, welche auf den Weg gebracht wurden, die Professionalisierungsmaßnahmen für Lehrpersonen in diversen Lehrgängen, die Zusammenarbeit mit Universitäten, die Arbeit der Sprachenzentren, die Pflicht zu Beratungsgesprächen vor Schuleintritt mit Elternvereinbarungen und nicht zuletzt die kräftige Erhöhung von Stellen für Sprachförderung und Schulsozialpädagogik. 
      Wenn die Erwartungshaltung aber ist, dass wir eine einfache „Lösung“ für eine komplexe Herausforderung aus dem Hut zaubern, dann muss ich enttäuschen: Die wird es in der heutigen Zeit nicht mehr geben!
  • Foto: suedtirolfoto.com
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    „Die Kritiker scheinen sich einig, dass in den vergangenen zehn Jahren eine Entwicklung „verschlafen“ worden sei.“

     

    • Seien wir uns schlussendlich stets bewusst: Jede Entscheidung, die wir in Kindergärten und Schulen treffen, wird sich unmittelbar auch auf unseren Umgang miteinander als Gesellschaft auswirken. Deshalb einmal mehr: Ja zu Klarheit und Verbindlichkeit - Nein zu Abgrenzung und Trennung! 

     

    Ich danke all jenen Führungskräften, pädagogischen Fachkräften und Lehrpersonen, die sich in den vergangenen Wochen nicht im Scheinwerferlicht melden mussten, um zu beweisen, dass sie Tag für Tag professionell Bemerkenswertes leisten, auch in noch so herausfordernden Situationen.

     

    „Ja zu Klarheit und Verbindlichkeit - Nein zu Abgrenzung und Trennung!“ 

     

    Immer wieder wurde mir in den vergangenen Wochen der Ratschlag erteilt, man müsse jetzt eine harte Hand zeigen, weil es die politische Stimmungslage erfordern würde. Abgesehen davon, dass man hoffentlich nach Überzeugungen und nicht nach Stimmungslagen regieren sollte, erteile ich diesen Ratschlägen eine entschiedene Absage: Denn Kinder sind keine Zielscheibe von politischen Stimmungen!

     

    Philipp Achammer
    Landesrat für Deutsche Bildung