US Wahl 2024
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Politik | US-Wahl 24

Der Autokrat im Weißen Haus

Im Wahlkampf haben Trumps Widersacher seinen autoritären Charakter beklagt und ihn gar als Faschisten bezeichnet. Wieviel davon war nur großmäuliges Wahlkampfgetöse?
  • Nach durchwachter Wahlnacht, hektischem TV- und Computerzapping durch die US-Staaten und Countys, grelle Tabellen und Auszählungsprozente, begleitet von aufgeregten Dauerkommentaren, rüstete ich mich erschöpft und niedergeschlagen für die Siegesrede Donald Trumps. Doch siehe da, es kam anders als befürchtet. 
    Vom Jubel der Fans begleitet, zog Trump mit vollzähliger Familie und Dutzenden Freunden, Beratern und Wahlkampfleitern auf die große Bühne. Ohne das für ihn typische Gestikulieren, mit einem milden Lächeln, vielleicht auch ein bisschen müde – und meinte echt verdutzt: „Da schaut her, ist das nicht crazy?“ Natürlich fehlten die üblichen Superlative nicht: „ das ist die größte politische Bewegung aller Zeiten“ und „wir werden dieses Land, das Heilung braucht, wieder in Ordnung bringen“,  dann sogar staatsmännisch „wir werden das Land jetzt wieder einen, das werden wir.“ 
    So hat man Donald Trump noch nicht gesehen: ohne triumphale Geste, ohne ein beleidigendes Wort für seine Widersacher, zwar ein „goldenes Zeitalter Amerikas“ verheißend, aber in Wirklichkeit einfach ruhig und zufrieden. Auch wie er der Reihe nach seine Mitkämpfer hochleben ließ, umarmte und sogar Melania küssen durfte, die erstaunlich natürlich erfreut wirkte. 

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  • „So hat man Donald Trump noch nicht gesehen: ohne triumphale Geste, ohne ein beleidigendes Wort für seine Widersacher“.

     

    Und spätestens als er überrascht freudig betonte, dass er sogar den „popular vote“ – also die Gesamtheit der Stimmen - mit Abstand gewonnen hat, war nicht zu überhören, dass er in dem Moment sein narzisstisches Ego im Erfolg badete, sich geliebt fühlte, ja seinen Fans sogar mehrmals „love“ zurief. Trump vom kläffenden Pitbull zum patriarchalischen Godfather? Und für wie lange? 

  • Trumps zukünftige Machtfülle

    Obwohl das amerikanische Wahlsystem mit den Wahlleuten und dem damit verbundenen Übergewicht der ruralen Kleinstaaten absolut reformbedürftig ist, wird die US-Demokratie immer als besonders ausgewogen gelobt. Das als „checks and balances“ bekannte System soll durch die Kompetenztrennung und gegenseitige Kontrolle von Kongress (Repräsentantenhaus und Senat), dem Präsidenten und dem Obersten Gerichtshof ein Gleichgewicht der Verfassungsorgane garantieren. Allerdings werden die neun Richter*innen des Supreme Court – nach entsprechenden Hearings im Senat – vom Präsidenten ernannt und zwar auf Lebenszeit. 

  • US-Gerichtshof: Neben dem Senat, dem Repräsentantenhaus haben die Republikaner jetzt auch hier eine Mehrheit. Foto: justia.com
  • Von den derzeitigen Höchstrichter*innen wurden 3 von George W. Bush jr., 3 von Donald Trump in seiner ersten Amtszeit, 2 von Barak Obama und eine von Joe Biden ernannt. Also stehen 6 den Republikanern nahe und 3 den Demokraten.
    Zudem hat der Donald Trump beim Wahlgang am 5. November auch die Mehrheit im mächtigen Senat errungen und wird mit 90-prozentiger Sicherheit auch die Mehrheit im neu gewählten Repräsentantenhaus erreichen. Also hat der neugewählte Präsident sowohl beide Kammern des Kongresses als auch das Höchstgericht auf seiner Seite. Das gibt ihm sowohl bei der Gesetzgebung aber vor allem auch bei der Besetzung staatlicher Richter und Beamtenposten praktisch freie Hand – zumindest während der ersten beiden Jahre, bis zu den Midterm-Zwischenwahlen. 

  • Gefahr für die Demokratie?

    Im Wahlkampf haben Trumps Widersacher, darunter zahlreiche ehemalige Mitarbeiter, Minister und höchstrangige Militärs, dessen mangelnde Kompetenz und Regierungs-Fitness sowie seinen autoritären Charakter beklagt und ihn gar als Faschisten bezeichnet. 
    Es gibt also durchaus Grund zur Befürchtung, dass Trump seine angekündigten Vorhaben umsetzen will. 
    So zum Beispiel eine Amnestie für die wegen ihres Sturms auf das Kapitol im Januar 2021 mit 5 Toten zu langen Haftstrafen verurteilten Rechtsextremisten. Oder die massenhafte Konzentration in Lagern und anschließende Deportation von illegalen Einwanderern. Dazu hat der für die Machtübergabe im Weißen Haus zuständige Bürochef unterdessen erklärt, man werde mal mit den Illegalen, die straffällig geworden seien beginnen. Ebenso angekündigt hat Trump die gerichtliche Verfolgung sämtlicher politischen Gegner, selbst jener aus der Republikanischen Partei, die ihn öffentlich bekämpft hätten. 

  • Sturm auf das Kapitol: Wird Trump die Täter jetzt amnestieren? Foto: Wikipedia
  • Auch Bundesbeamte, selbst Richter und FBI-Beamte bezeichnete Trump als zu verfolgende Mitglieder des „inneren Feindes“ und des „deep state“, die mindestens gefeuert gehörten. Kriminalitätsbekämpfung, Steuergesetze und Umweltpolitik seien dann die nächsten Prioritäten. 
    Wieviel davon war nur großmäuliges Wahlkampfgetöse und was davon wird umgesetzt werden?Dass am 20. Jänner 2025 zumindest ein autokratischer Wind blasen wird, scheint jedenfalls sicher.