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Politik | Fritto misto

Make Assholes Great Again

Südtiroler Rechte bejubeln Trumps Wahlsieg: Ein Contest der Peinlichkeiten.
  • Man hatte den ausgespuckten Kaffee am vergangenen Mittwochmorgen noch gar nicht aufgewischt, da folgte schon die nächste Unappetitlichkeit: Als wäre es nicht schon schlimm genug, dass Trump wieder ins Weiße Haus einzieht, mussten Exponenten der Südtiroler Rechten noch die Ekelkirsche auf der Torte des Grauens liefern. Euphorisch, ausgelassen, ja im besten Falle naiv beklatschten die üblichen Verdächtigen den Triumph des Orangen: Anna Scarafoni von den Fratelli freute sich am Morgen nach den US-Wahlen auf Facebook über einen „magnifico risveglio“. 

  • Anna Scarafoni: Die Landtagsabgeordnete von FdI freute sich am Morgen nach den US-Wahlen auf Facebook über einen „magnifico risveglio“. Foto: Südtirol Blinddates

    Freiheitlichen-Obmann Roland Stauder, in der jüngeren Vergangenheit bereits öfter mit übersprudelnden Wortmeldungen zum Siegeszug der europäischen Rechtspopulisten auffällig geworden (den Erfolg des Rassemblement National nannte er eine „Sternstunde der Demokratie“), ließ sich zu der Gaga-Aussage hinreißen, er setze „große Hoffnungen in die Fähigkeit und Entschlossenheit des neuen Präsidenten, internationale Krisen zu beenden“. Fähigkeit? Ich meine, wir reden von Trump: Einem Mann, der sein Klo mit vertraulichen Dokumenten verstopft hat. Im Landtag fühlte sich an jenem Mittwoch Bernhard Zimmerhofer von der Südtiroler Freiheit apropos gar nichts bemüßigt, die Anwesenden über seinen Gemütszustand zu informieren: Er habe eine lange Wahlnacht hinter sich, verlautbarte er mit gewichtiger Miene; ganz so, als hätte er höchstpersönlich den Einzug ins Weiße Haus geschafft (nun ja gar keine so abwegige Vorstellung mehr): Trumps Sieg sei eine „Chance für Europa“. Den Vogel verlässlich abgeschossen hat aber wieder einmal Otto Mahlknecht von den Freiheitlichen: Mit rotem MAGA-Käppi bewehrt, comme il faut für einen eingefleischten Trumpianer, reckte er auf Instagram glückselig den Daumen hoch und ließ wissen, das sei ein „sensationeller, großartiger Sieg, vor allem für die Demokratie“. 

     

  • Donald Trump: Vor Kurzem erneut zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt. Foto: upi
  • Nun kann man mir freilich Kleinlichkeit und Missgunst vorwerfen: Nur weil ich mit Trump nicht happy bin, milde ausgedrückt, darf sich kein anderer über seinen Erfolg freuen? Nur weil ich mit seiner Politik nicht d’accord gehe, freundlich formuliert, werden Politiker*innen abgewatscht, die da weniger Bedenken haben? Nun, so einfach ist es nicht. Hier geht es um mehr als eine bloße Geschmackssache. Halten wir fest: Mit Trump kehrt ein Individuum ins Zentrum der Macht zurück, dessen Vergehen keine lässlichen Jugendsünden sind. Wegen der Verschleierung von Schweigegeldzahlungen an eine Porno-Darstellerin wurde er verurteilt, andere Strafverfahren laufen noch (und er wird alles daran legen, sie jetzt einstellen zu lassen): Wegen seiner Rolle beim Sturm auf das Kapitol, (5 Tote, zahlreiche Verletzte), den er wohl als Staatsstreich angelegt hatte, weil er unrechtmäßig eine große Anzahl an geheimen Dokumenten an sich genommen hat, weil er 2020 versucht hat, das Wahlergebnis in Georgia mit nicht fundierten Betrugsvorwürfen zu kippen. Daneben haben wir noch Trumps zivilrechtliche Verurteilung wegen sexuellen Missbrauchs, zahlreiche Vorwürfe der Vergewaltigung und der sexuellen Übergriffe, die Verurteilung seines Immobilienkonzerns wegen Steuerbetrugs, seine menschenverachtenden Aussagen und Androhungen gegenüber Frauen, Immigranten, der LGBTQ-Community, Menschen mit Beeinträchtigung, Journalisten, etc., seine zutiefst anti-demokratische Haltung und autoritären Tendenzen, seine gefährliche Nähe zu Diktatoren, sein dubioses Techtelmechtel mit Tech-Milliardär Elon Musk und und und. Kein Wunder, dass Vertreter des rechten Spektrums, die ihren moralischen Kompass noch bei der Hand haben, nicht darüber jubeln, dass diese Figur zurück ist, sondern auffallend still bleiben – und gut daran tun: Schließlich ist seine Biografie mit den von ihnen traditionell vertretenen christlichen Werten von Familie, Rechtschaffenheit, Redlichkeit nicht vereinbar. Dass Patrioten sich über den Erfolg von Patrioten freuen, ist nachvollziehbar. Dass dies aber ganz ohne einen Hauch von Kritik an einem mehr als nur zweifelhaften Protagonisten passiert, ist unverzeihlich. Die Schadenfreude über die Niederlage für die als so bedrohlich empfundene „Woke- und Cancel-Culture“ ist offenbar größer als die Bereitschaft zur Einsicht, welch dramatische Folgen Trumps Sieg für die Menschenrechte, die Umwelt, das Zusammenleben haben wird – nicht nur in den Vereinigten Staaten. Eine Kurzsichtigkeit und Naivität, mit der man eigentlich nicht auch noch hausieren gehen sollte.

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Stereo Typ Di., 12.11.2024 - 20:07

Trump wurde gewählt, weil man Artikel wie diesen eigentlich nicht mehr lesen kann.
Was hat Kamala Harris ihm denn so weit voraus? Und ja, man kann und darf sich über Trumps Wahlsieg freuen. Niemand geht damit "hausieren".

Di., 12.11.2024 - 20:07 Permalink
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Stereo Typ Mi., 13.11.2024 - 09:16

Antwort auf von Manfred Klotz

Wo hat sie denn moralische Überlegenheit bewiesen und wie sieht diese aus? Gibt es überhaupt eine moralische "Überlegenheit" oder ist das ein Widerspruch in sich? Welches Überlegenheitsgefühl ist denn "moralisch"? Wie Sie richtig sagen, konnte Harris ihre Kompetenzen nicht unter Beweis stellen, weil sie zu wenig Zeit dafür hatte. Man kann das aber nicht Trump anlasten. Die Kompetenzen Trumps waren bekannt und die Mehrheit der Wähler hat sie den (nicht bekannten) Kompetenzen Harris' vorgezogen.

Mi., 13.11.2024 - 09:16 Permalink
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Martin Daniel Di., 12.11.2024 - 20:43

Mit Vielem d'accord, zur „Woke- und Cancel-Culture“ jedoch ein Zusatz:
Dieser Kulturkampfschauplatz hat mit dazu beigetragen, viele ganz normale Mittelschichtswähler trotz Trump nicht Kamala wählen zu lassen. Die ZEIT hatte ausführliche Interviews geführt, aus denen z.B. hervorging, dass ein Paar aus Ohio mit beidseitiger Migrationsgeschichte sich die Nase zuhaltend Trump wählt, weil die Frau sich nach Aburteilungen nicht mehr traut, offen ihre Meinung zu sagen.
Der Chefredakteur der REPUBBLICA, einem Medium, von dem man ebenfalls nicht behaupten kann, dass es im Dunstkreis des Rechtspopulismus irrlichtert, führt unter den Gründen des Wahlausgangs auch drei Kulturkampf-Aspekte an:
1. Die Pro Gaza-Campus-Proteste einer militanten Minderheit, die ein Gefühl der Unsicherheit an den, den Demokraten nahestehenden Elite-Unis verursachten, hätten dazu geführt, dass 43% der sonst demokratisch wählenden jüdischen Bevölkerung in New York Trump gewählt haben.
2. Der Versuch, die Kolumbus-Statue in New York im Namen der Minderheitenrechte (Natives) zu entfernen wird exemplarisch für die Ekzesse der Woke-Bewegung angeführt, deren Intersektionalitätstheorie zu einem Verlust an Freiheit führte, indem die Gesellschaft in Unterdrückte und Unterdrücker eingeteilt würde, letztere (unabhängig von ihrem konkreten Tun) dargestellt von weißen heterosexuellen Männern .
3. Die Polemik um die Transgender-Toiletten an einer Schule in Ohio, nachdem diese Trans-Frauen erlaubt hatte, die Frauen-Toiletten zu benutzen und das Ganze vor Gericht landete mit dem Ergebnis, den Bundesstaat zum Epizentrum des Clashs über die Grundwerte der Familie zu machen.
Ich teile die Meinung, dass die Vehemenz, ja teilweise Intoleranz der Woke-Bewegung viele gemäßigte Wähler zu Trump gedrängt hat bzw. zu Hause bleiben ließ, obwohl Harris selbst versucht hat, sich von typischen identitätspolitischen Themen fernzuhalten. Aber bei den Vorwahlen vor 4 Jahren hat sich sich dahingehend als besonders eifrig hervorgetan und grundsätzlich wird diese moralisierend-belehrend-aburteilende Geste den Demokraten zugeschrieben. Ich glaube, Trumps Wahl ist zu einem guten Teil dem Backlash darauf geschuldet. Das sollte m.E. auch uns Europäern zu denken geben. Die Mehrheit der Wähler von AfD, FPÖ oder JWA sind nicht Faschos, nehmen aber all die zum Schluss des Beitrags erwähnten Risiken und Nebenwirkungen in Kauf, weil die identitätspolitische Kränkung, die ihnen aufgrund ihres So-Seins-wie-sie-sind (weiß, über 50, hetero, cis, ohne körperliche Beeinträchtigung, nicht muslimisch oder übergewichtig (-> fat studies)) widerfährt, ihre Lebenseinstellung und/oder -leistung in Frage stellt oder gar angeprangert. Da müssen sich linke, liberale, progressive Parteien künftig taktisch klüger zeigen, wenn sie wieder mehrheitfähig werden wollen.

Di., 12.11.2024 - 20:43 Permalink
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Thomas Strobl Di., 12.11.2024 - 23:59

Antwort auf von Martin Daniel

Lieber Martino, wenn dir Trump im Schutz der Wahlkabine tatsächlich als das kleinere Übel erscheint, dann hast du ein Problem und bist du ein Problem und beider Ursache ist nicht die Linke in all ihren teils grotesken Ausblühungen. Und wenn wir die woken Heißluft-Trompet*innen als repräsentativ für den Mainstream der Linken missverstehen, zumal der US-"Linken", stricken wir bereitwillig an Trumps Narrativ mit und gleichzeitig an der billigen Selbst-Entlastungslegende der "Notgemeinschaft neuerdings zum Trumpismus Bekehrter" (die es übrigens bis in die zugigsten Alpentäler hinein gibt). Den zivilgesellschaftlichen und ethisch-moralischen Absturz ins Bodenlose, den diese Wahl so schmerzhaft verdeutlicht, kann die Linke mit "klügerem Taktieren" sicher nicht auffangen. Unsere Zeit stellt uns vor komplexe Probleme und eine Linke, die sich ernst nimmt, kann darauf nur mit herausfordernden Lösungsansätzen reagieren. Der "Souverän" hat zu entscheiden, ob er sich auf diesen anspruchsvollen Weg macht oder sich lieber von banalen Hass-Erzählungen einspeicheln lässt, dem neuen Opium für das Volk. Diese Verantwortung soll er sich von niemandem nehmen lassen und auch niemandem leichtfertig zuschieben.

Di., 12.11.2024 - 23:59 Permalink
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Martin Daniel Mi., 13.11.2024 - 08:40

Antwort auf von Thomas Strobl

Lieber Tom, mein Kommentar will eine politische Analyse und weder Wunschkonzert noch autobiographisches Bekenntnis sein. Natürlich hätte ich Harris die Stimme gegeben, versuche aber zu verstehen, warum sie - Stand heute - 9 Millionen Stimmen (!) weniger erhalten hat als "Sleepy" Joe Biden vor 4 Jahren. Nachdem Trump so klar auf allen Ebenen gewonnen hat, ist da was ordentlich in Bewegung und das zu ergründen, finde ich lohnenswert.
Keineswegs war es meine Intention, "die woken Heißluft-Trompet*innen als repräsentativ für den Mainstream der Linken" darzustellen, daher spreche ich u.a. von einer "militanten Minderheit" und davon, dass diese "Geste den Demokraten zugeschrieben" wird, also nicht Teil oder Kern des Programms der Demokraten ist/war, sondern in einem dualistischen Parteiensystem von vielen Wählern einer der beiden Seiten zugeordnet wird (weil sie sich vielleicht nicht in der Theorie mit "Left ist not Woke", "Unwoke is not right" auseinandergesetzt hatten). Und es ist festzuhalten, dass mehrere Rektorinnen von Elite-Unis, die traditionell demokratisch angehaucht sind, bei der Kongressanhörung nicht im Stande waren, die antisemitischen Umtriebe bei den ProPal-Protesten auf ihren Campussen zu verurteilen bzw. zu unterbinden, was letztlich zu deren Rücktritt geführt hat. Auch das hat es den Republikanern leichter gemacht.

Mi., 13.11.2024 - 08:40 Permalink
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Peter Gasser Mi., 13.11.2024 - 08:59

Antwort auf von Martin Daniel

Zitat: “Natürlich hätte ich Harris die Stimme gegeben, versuche aber zu verstehen, warum sie - Stand heute - 9 Millionen Stimmen (!) weniger erhalten hat als "Sleepy" Joe Biden vor 4 Jahren”:

2 Hinweise aus der bisherigen Wähleranalyse:
- weiße Männer haben Harrys nicht gewählt, da *farbig* (und weiblich);
- Latino-Männer haben Harris (zu etwa 80%) nicht gewählt, da diese (Machos) *keine Frau* wählen.

Amerika ist offensichtlich noch immer in “rassischen” und patriarchalen Stricken verfangen.

(Zugegeben: als Harris sich vor der Wahl wie eine abgehobene Diva auf der Titelseite der Vogue abdrucken ließ, konnte man über soviel wahltaktische Dummheit nur den Kopf schütteln).

Mi., 13.11.2024 - 08:59 Permalink
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Salto User
Peter Be Mi., 13.11.2024 - 01:57

Antwort auf von Martin Daniel

Danke für diesen Artikel!

@Martin Daniel: Bitte definiere "woke", nur da hört man schon die unterschiedlichsten Definitionsversuche.
Außerdem ist "woke" in den allermeisten Fällen eine Fremdzuschreibung, vor allem aus der Rechten.
Ich sehe diesen Kommentar recht kritisch.
Zu 1.: woher haben sie diese Zahl? Habe kurz recherchiert, und anscheinend haben im Vergleich zu anderen Wahlen nicht relevant mehr Menschen jüdischen Glaubens Trump gewählt. Was auch Sinn ergibt, wenn man sich das Umfeld Trumps genauer anschaut, welches sich deutlicher denn je antisemitisch äußert (zB.: https://www.freitag.de/autoren/jonathan-guggenberger/antisemiten-auf-an…).
2. Total wirre Aussage. Wer verliert hier an Freiheit? Man kann einiges an Intersektionalität kritisieren, allerdings simplifizieren sie hier dann doch einiges. Würde es den Menschen um ernsthafte Auseinandersetzung und Kritik an Intersektionalität gehen, welches innerhalb feministischer Theorie ohnehin eher ein Nischenthema ist und von vielen Progressiven kritisiert wird, wäre unsere Gesellschaft doch schon längst an einem ganz anderen Punkt angelangt, als Trump zu wählen.
3. Dem widerspreche ich ebenfalls. Was genau ist diese "Woke-Bewegung"?
Ich finde, man kann die Analyse von Nancy Fraser nach der Wahl 2016 auch für diese Wahl gebrauchen: Diese war laut ihr eine Niederlage des "progressiven Neoliberalismus", einem Bündnis neuer sozialer Bewegungen (Antirassismus, Feminismus,..) mit dem Neoliberalismus, gegen den reaktionären Populismus Trumps (heute wohl doch eher Faschismus).
Beispielsweise hat damals Bernie Sanders versucht, Themen von sozialen Bewegungen (zB. Black Lives Matter) aufzugreifen und gleichzeitig aber die "rigged economy" zu kritisieren, und war damit bei Wähler*Innen überaus erfolgreich und scheiterte lediglich an einer nicht so demokratischen Demokratischen Partei.
Jahrzehnte entfesselter neoliberaler Politik haben unglaublich viele Menschen seit den 70ern in den USA in die Armut getrieben, und eine, wie Sie oder Rechte es gerne sagen, "woke", ich würde sagen, emanzipatorische Linke, welche sich ernsthaft für die Gleichheit und Freiheit aller Menschen einsetzt, nötiger denn je.
Es gibt unzählige Studien darüber, wie Ökonomie und Faschismus zusammenhängen, Isabella M. Weber beschäftigt sich damit ausführlich und ihre Analysen sind gerade jetzt unglaublich wichtig.
Kurz: So kritisch ich Parteipolitik auch sehe, gegen den Rechtsruck hilft nur soziale Politik, welche dem Neoliberalismus eine Absage erteilt und jegliche Formen der Diskriminierung niemals aus den Augen verlieren darf (somit "woke" sein muss)

Mi., 13.11.2024 - 01:57 Permalink
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Martin Daniel Mi., 13.11.2024 - 10:32

Antwort auf von Peter Be

Zu den 3 aufgezählten Punkten: Ich zitiere Maurizio Molinari, den Chefredakteur der Repubblica ("Viaggio a Trumplandia: le ferite d’America che spiegano il risultato delle elezioni" vom 6.11. - https://www.repubblica.it/esteri/2024/11/06/news/ragioni_vittoria_trump… - hinter Paywall) und verwende dementsprechend den Konkjunktiv, um die indirekte Rede hervorzuheben. Die 43% sowie die Woke-Argumente stammen von ihm.
Zu 1. Das Verhalten der Menschen ist nicht linear vorhersehbar. So haben Trump und sein Team die Latinos wiederholt wüst abgewertet und trotzdem Stimmen v.a. bei jungen Männern dazugewinnen können. Ein frz. Paar, das den Holocaust überlebt hat, sagte in einem ZEIT-Interview im Juni, sie fühlten sie mittlerweile bei Le Pen sicherer als bei Melenchons Linken (wählten aber Macron).
Zu 3. könnten wir hier tagelang schreiben. Einige Punkte sind für mich jedoch klar:
Der Begriff Woke ist keineswegs eine reine "rechte" Zuschreibung oder abwertende Benennung, ist es aber mit der Zeit u.a. auch geworden. Aktivisten bezeichnen sich durchaus selbst als woke, im Sinne von wachsam, achtsam für die Rechte und Sensibilitäten von bisher als diskriminiert erachteten Minderheiten.
Ich empfinde Bernie Sanders eher als Altlinken, der im Unterschied zu den woken Identitätspolitikern eine universalistische Herangehensweise im Kampf für Gleichberechtigung und Chancengleichheit bevorzugt. Das heißt, sein Einsatz gilt allen Benachteiligten, also weißen arbeitslosen Männern im Rustbelt genauso wie schwarzen Frauen. Wie die Civil-Rights-Bewegung der 60er-Jahre fordert der Universalismus gleiche Rechte für alle, während die woke Identitätspolitik eine politische und gesellschaftliche Positiv-Diskriminierung, also Bevorzugung, fordert, um die bisherigen Benachteiligungen zu kompensieren. Das bedeutet u.a., dass Angehörigen von Minderheitengruppen überproportionale mediale Aufmerksamkeit geschenkt werden und deren Bedürfnisse besonderes politisches Gewicht verliehen werden soll. Menschen werden Gruppen zugeordnet, denen wiederum ein bestimmter Opferstatus beigemessen wird. Letztlich werden alle in Unterdrücker oder Unterdrückte eingeteilt. Wer als eine den Unterdrückern zugeteilte Person Inhalt oder Methode des Aktivismus' nicht teilt, der macht sich erst recht schuldig. Nach dem Motto: Wer nicht mit uns ist, ist gegen uns.
Wenn sich mehrere Opferkategorien summieren, also überschneiden, greift die Intersektionalität: Schwarze Frauen haben es schwerer als weiße Frauen etc. Das Problem dabei ist, dass mit allgemeinen Kategorien gearbeitet wird und die Betroffenen, ob sie wollen oder nicht, in eine oder mehrere Schubladen gesteckt werden. Wer sich mit "seiner" Opferkategorie nicht identifiziert, hat das entweder (noch) nicht richtig erfasst oder gibt sich als nützliches Instrument der Unterdrücker her, um für sich persönliche Vorteile gegenüber der Zugehörigkeitsgruppe herauszuschlagen.
Die Positiv-Diskriminierung führt ihrerseits zu neuer Diskriminierung. So haben in den USA die Quoten für Schwarze an den Unis zu einer Benachteiligung der asiatischstämmigen Bevölkerung geführt, die sich unterproportional berücksichtigt sieht.
Auch der klassische Feminismus sieht seine woke Nachfolgeversion kritisch, teils toben heftige Konflikte. Letzere ist eng mit der Queer-Theory verwoben, die den Geschlechterunterschied als sozio-kulturell konstruiert betrachtet. Dieser ist zu dekonstruieren und die persönliche Geschlechtsidentität aufgrund der persönlichen Empfindung des Einzelnen neu zu definieren. Entsprechend soll dafür eine einfache Erklärung ausreichen, was u.a. dazu führte, dass männliche Gefängnisinsassen in Kalifornien sich als weiblich deklarierten und die Versetzung in Frauengefängnisse beantragten - und erhielten. Die dort resultierenden Übergriffe haben die "klassischen" Feministinnen auf den Plan gerufen. J.K. Rowling ist eine der bekanntesten Gegnerinnen dieses identitätspolitischen Genderansatzes. Auch Alice Schwarzer liefert sich bspw. Gefechte mit dessen Anhängerinnen. Beiden wird dafür u.a. Transphobie vorgeworfen.
Woke ist also nicht ein Sammelbegriff für heutigen Feminismus, Antirassismus, Einsatz für wirtschaftlich-soziale Gerechtigkeit u.ä., sondern bezeichnet einen eigenen, theoretisch unterfütterten Aktivismus (sog. dritte postmoderne Welle), der allerorts und jederzeit mit der Lupe fieberhaft nach zumindest gefühlten Diskriminierungen und Mikroaggressionen sucht, um seine Opfer-Täter-Schablone jeder Lebenssituation überzustülpen. Dies alles begleitet von einer moralischen Aggressivität, die Leute in der Öffentlichkeit fertigmacht und mitunter Karrieren zerstört, auch bevor oder ohne dass der Rechtsstaat seinen Lauf nehmen könnte. Das bringt dann gar einige dazu, ihre (politischen) Ämter und Positionen (an Unis, in Medien, in Unternehmen) nicht aufs Spiel zu setzen und bestimmte Dinge nicht anzusprechen. Das ist u.a. auch mit Einschränkung der Freiheit gemeint.

Mi., 13.11.2024 - 10:32 Permalink
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Cicero Mi., 13.11.2024 - 07:44

Antwort auf von Martin Daniel

Der größte Fehler aus meiner Sicht ist, dass linke Parteien meinen neben ihrem wirtschafspolitisch linkem Profil dazu noch liberal und progressiv sein zu müssen. Das verfängt nicht bzw. ist in den klassischen linken Wählergruppen nicht mehrheitsfähig. Das (vermeintlich) Liberale und Progressive, das von einigen Bubbles mittlerweile bis zum Exzess praktiziert wird (z.B. an den beiden Küsten der USA), mag in eben diesen Bubbles verfangen, einen immer größeren Teil von Wählern, die wirtschaftspolitisch vielleicht links ticken, holt das aber immer weniger ab.

Mi., 13.11.2024 - 07:44 Permalink
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Profil für Benutzer Hartmuth Staffler
Hartmuth Staffler Mi., 13.11.2024 - 08:05

Der extreme Neoliberalismus, für den Trump steht, führt zu einer Entsolidarisierung der Gesellschaft. Nicht das Allgemeinwohl steht an erster Stelle, sondern der persönliche Erfolg, den man auf Kosten der Anderen erreichen will. Trumps Appell an die niedersten Instinkte der Menschen hatte in den USA Erfolg, er scheint auch einige Südtiroler (nicht nur Politiker) benebelt zu haben.

Mi., 13.11.2024 - 08:05 Permalink
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David Gebhardi Mi., 13.11.2024 - 08:23

Der größte Fehler, den wir aktuell machen, ist, nicht anzuerkennen, dass die traditionellen Kategorien wie „Links“ und „Rechts“ in ihren bisherigen Werten an Bedeutung verloren haben. Diese starre Denkweise und das Festhalten an "Links" und "Rechts" schafft ein Sprungbrett für aufkommende Parteien wie die AfD, die FPÖ etc. und oder hierzulande die JWA, die von dieser Lücke profitieren und an Einfluss gewinnen.

Das Signal, das wir in diesen schwierigen Zeiten insbesondere an die Jugend aussenden, ist ein Bild, dass ein Empörkommling – charakterisiert durch Vorstrafen, machohafte Eigenschaften, Arroganz, Unaufrichtigkeit und Willkür – jedes Spiel gewinnen kann und dabei auch noch als Vorbild erscheint. Diese Entwicklung zerstört das Vertrauen in (meine) demokratische Grundwerte und die politische Integrität.

Wenn wir diesen Kurs beibehalten, werden die Konsequenzen unausweichlich sein – und wir werden lernen müssen, damit zu leben. Es liegt an uns, rechtzeitig ein Umdenken einzuleiten und neue Wege zu finden, um wieder Vertrauen in politische Institutionen und echte Werte zu stärken.

Mi., 13.11.2024 - 08:23 Permalink
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Peter Gasser Mi., 13.11.2024 - 09:12

Der Alptraum beginnt:

Donald Trump
- ernennt Elon Musk zum Berater für Regierungsausgaben,
- Lee Zeldin soll neuer Chef der US-Umweltschutzbehörde EPA werden. Mit Naturschutz hatte der Jurist nie viel am Hut, dafür ist er Donald Trump ergeben. Jetzt soll Zeldin die Behörde umbauen: im Sinne der Öl- und Gasindustrie.
- der Fox-Moderator Pete Hegseth soll US-Verteidigungsminister werden.

.

Im Juni 2022 erklärte Pete Hegseth in einer Live-Fernsehsendung, sein Diplom „zurück an den Absender“ zu schicken, weil er der Meinung sei, Universitäten wie Harvard vergifteten die Köpfe der Kinder mit Kritischer Theorie:
keine freien Universitäten und kein kritisches Denken seien also förderlich für das Regieren ultra-rechter Kumpels.

Mi., 13.11.2024 - 09:12 Permalink
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Elisabeth Pedevilla Mi., 13.11.2024 - 09:32

Die Mehrheit der amerikanischen Wählenden hat lieber einen Straftäter und Vergewaltiger im weißen Haus, als eine Frau. Das sagt viel über die amerikanische Gesellschaft aus.

Mi., 13.11.2024 - 09:32 Permalink
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Milo Tschurtsch Mi., 13.11.2024 - 09:52

Naja schon ein Alptraum, wie viele !! Assholes es in den USA gibt, denn man kann es drehen und wenden wie man will und sich an der Person Trumps abarbeiten, es sind immer die Wähler die Politiker wie ihn ermöglichen. Ohne Wähler wäre Trump ein Nichts. Die übergroße Zustimmung zu seiner Person und zu seinem Programm ist natürlich für eine bestimmte Blase ein Alptraum.
Dabei geht es nicht nur um den Kulturschauplatz (woke- cancel culture) sondern auch um und vor allem um handfeste wirtschaftliche Themen.
Während in Europa linke Agenden wie das "Selbstbestimmungsgesetz" (biologische Männer können sich zu Frauen erklären und dadurch handfeste Vorteile erlangen) durchgebracht werden und z.b. bei den olympischen Spielen religions- und frauenverhöhnende Szenen ( Frauen werden durch sog. "drag-queens" in nuttigem Aufzug präsentiert) gezeigt werden, wo Feministinnen (Alice Schwarzer) das Grauen kommt und wo dies der ganzen Welt sozusagen als französische und europäische Kunst und Kultur präsentiert wird, es andererseits aber zu einem "degrowht" der Wirtschaft in Deutschland und anderswo kommt , verbunden mit Geldentwertung und Rezession vor allem für den Mittelstand, hat das amerikanische Volk die Reißleine gezogen und den Willen bekundet diesem Treiben ein Ende zu setzen.
Der Journalist Max Mannhart bringt die Gründe auf den Punkt:
"Diese Wahl war eine Richtungsentscheidung für den ganzen Westen. Amerika hat entschieden. Für Marktwirtschaft, zumindest im Inneren; für Redefreiheit; gegen die grassierende Migrationskrise; und nicht zuletzt für Israel. Es hat einen Grund, warum die USA seit 250 Jahren eine Demokratie sind – das oft belächelte, veraltet anmutende, traditionalistische System ist am Ende eben doch stabil und immer zur Korrektur fähig. In Europa tarnt man mit seiner Trump-Obsession oft nur einen tief sitzenden Amerikahass. Trump steht für alles, was dieses Land in ihren Augen schlecht macht: Ihr ganzer Hass kulminierte in Trumps McDonald’s-Moment. Der fette, dumme, rechte Amerikaner. Und wir werden in den nächsten Stunden wieder eine Hysterie erleben und eine Herabwürdigung der amerikanischen Nation – eine große Wiederholung von 2016. Die Republikaner machten mit einem Gedanken Wahlkampf: Wenn Amerikas Demokratie fällt, kann ihr niemand zur Hilfe kommen. Amerika kommt sich selbst zur Hilfe."

Und weiter:
"Nicht nur wirtschaftlich und technologisch, auch was die extrem gefährliche Aufrüstung des Iran und Chinas Pläne zur Annexion von Taiwan angeht: Es geht bei dieser Wahl um mehr als bei fast allen Wahlen zuvor. Die nächsten vier Jahre werden für den Lauf der Welt und die Zeitgeschichte entscheidend sein."
Den Demokraten bisher repräsentiert von einem offensichtlich kranken Präsidenten der erst kürzlich durch eine Nachfolgerin ersetzt wurde, wird zum jetzigen Zeitpunkt in dieser Hinsicht nichts zugetraut.

Mi., 13.11.2024 - 09:52 Permalink
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Hugo Wenzl Mi., 13.11.2024 - 10:28

Ich sehe das Ganze insofern nicht ganz so düster, als dass dieser senile 78-jährige Mister Trump nur die verars...en wird, die ihn gewählt haben. Trump sind alle seine Wähler:innen sch...ßegal, im ging es letztendlich nur um 2 Dinge: a) als Narzisst es seinen Gegnern nochmals zu zeigen und b) seinen Kopf als verurteilter Straftäter (1 Prozess mit Schuldspruch abgeschlossen, 4 ausstehend) aus dem Strick zu ziehen. Beides ist ihm gelungen.
Er ist demokratisch gewählt, und die Prozesse werden wohl alle auf sein Drängen hin eingestellt. Der Rest interessiert ihn nicht. Ergo Liebe Trump-Wähler und -Anhänger: Die Verarsc..en und Dummköpfe seid letzten Endes nur ihr selber!

Mi., 13.11.2024 - 10:28 Permalink