Gesellschaft | Meran

Keine Statuten-Änderung wegen Ganser

Daniele Ganser kommt nach Meran – und keiner will ihn verbieten. Einerseits weil es aussichtslos wäre, andererseits weil man nicht auch noch Werbung für ihn machen will.
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Foto: Salto.bz
  • Für einen Historiker – ein Berufsbild, das man eher mit verstaubten Archiven in Verbindung bringt – schafft es der Schweizer Daniele Ganser in schöner Regelmäßigkeit und überall dort, wo er auftritt, für Wirbel zu sorgen bzw. Diskussionen anzuheizen und sogar Demonstranten auf die Straße zu bringen. Die Ursachen dafür reichen bis Mitte der 2000er Jahre zurück, als er seine Theorien zum Einsturz eines Nebengebäudes (WTC 7) des World Trade Centers veröffentlichte. Von den Historiker-Kollegen abgelehnt werden aber nicht nur seine Hypothesen zu 9/11, sondern auch zum russischen Einmarsch in die Ukraine. Die Universität St. Gallen, bei welcher Ganser von 2012 bis 2017 gemeinsam mit Rolf Wüstenhagen eine Lehrveranstaltung zur Geschichte und Zukunft von Energiesystemen hielt, hat 2018 seinen Lehrauftrag nicht mehr verlängerte. Ganser machte seither vor allem durch seine Veranstaltungen und YouTube-Auftritte von sich Reden sowie mit seiner Corona kritischen Haltung. 

  • Meraner Kurhaus: Heute gastiert Daniele Ganser erneut im Kurhaus von Meran. Foto: Oswald Stimpfl
  • Als er im September des vergangenen Jahres auch im Meraner Kurhaus einen Vortrag mit dem Titel „Warum haben wir Krieg in Europa? Zusammenhänge und Hintergründe“ halten wollte, regte sich auch hierzulande Widerstand, allen voran bei den Meraner Grünen, die zwar kein Auftrittsverbot verlangten, dafür aber eine „scharfe Abgrenzung“ seitens der Stadtregierung. Auch die Meraner Stadtregierung hat sich mit Gansers Veranstaltung befasst, genauer gesagt Vize-Bürgermeisterin Katharina Zeller (SVP), die als Stadträtin unter anderem für Kulturfragen zuständig ist und gemeinsam mit Bürgermeister Dario Dal Medico (La Civica per Merano – Alleanza per Merano) im Verwaltungsrat der Kurverwaltung Meran sitzt. Das Kurhaus, in dem der Schweizer Historiker seinen Vortrag halten sollte, wird mit öffentlichen Geldern finanziert und im Auftrag der Gemeinde vom Stadttheater- und Kurhausverein geführt. SALTO hat seinerzeit Vizebürgermeisterin Zeller um eine Stellungnahme gebeten und die Antwort erhalten: „Uns wäre es lieber, wenn gewisse Inhalte keine Bühne bekommen“. Die studierte Juristin und Rechtsanwältin erklärte jedoch gleichzeitig, dass es rechtlich schwierig sei, eine Veranstaltung im Kurhaus abzusagen. 

  • Katharina Zeller: Laut Meraner Vize-Bürgermeisterin wurde die angedachte Statuten-Änderung nicht vorgenommen. Foto: SVP

    Zeller betonte jedoch, dass man diese Sache zum Anlass nehmen wolle, eine Statuten-Änderung anzudenken bzw. die Statuten dahingehend anzupassen, dass Kriterien für die Inhalte von Veranstaltungen eingeführt werden sollten. Gestrichen wurde jedoch umgehend die Ankündigung zu Gansers Vortrag auf der Webseite merano-suedtirol.com – es sollte nicht der Eindruck entstehen, dass die Stadtregierung hinter diesem Event steht. 

    Nun tritt Ganser heute (27. November) wiederum im Meraner Kurhaus auf, und zwar geht es dieses Mal laut Ankündigung um nichts weniger als den Weltfrieden. Unter dem Slogan „Mehr Waffen werden keinen Frieden schaffen!“ spricht sich der Schweizer Historiker gegen Waffenlieferungen an die Ukraine aus und vertritt die These, dass dem Westen eine erhebliche Mitschuld am Kriegsgeschehen zukommt. Veranstaltet wird der Auftritt übrigens vom Verein „Sozialunion WIR NOI Associazione Sociale“, der im Zuge der impfkritischen Bewegung 2021 aus der Taufe gehoben wurde. Doch warum erneut der Auftritt im Kurhaus? Wie Vizebürgermeisterin Zeller auf Nachfrage mitteilt, habe man die angedachte Statuten-Änderung nicht vorgenommen. Eine Veranstaltung zu verbieten, auch wenn die Inhalte umstritten sind, sei nicht möglich, erst recht nicht, wenn bereits in Deutschland, das in dieser Hinsicht besonders rigide vorgeht, ein Auftritt Gansers rechtlich nicht verhindert werden konnte – was in Deutschland nicht geht, geht in Italien erst recht nicht. Verzichtet hat man dieses Mal auch auf kritische Pressemitteilungen und Äußerungen in den Medien – wohl hauptsächlich um Ganser keine Bühne zu bieten und ihm nicht noch mehr Zulauf zu verschaffen als ohnehin schon.

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Stereo Typ Mi., 27.11.2024 - 19:34

"Eine Veranstaltung zu verbieten, auch wenn die Inhalte umstritten sind, sei nicht möglich ..."
Leben wir noch in einer Gesellschaft, in der ein Diskurs möglich ist, oder verbieten wir einfach unliebsame "Inhalte"? Immer noch nichts gelernt, weder aus der Trump-Wahl noch aus der FPÖ-Wahl, BSW usw.
Natürlich muss Ganser eine Bühne geboten werden, sofern er sich innerhalb des Verfassungsbogens bewegt. Ist doch ihre Sache, wenn Leute da hingehen wollen. Andere Meinungen und Perspektiven zu hören, ist immer gut. Im engen Meinungskorridor von SVP und Grünen möchte ich mich jedenfalls auch nicht wiederfinden.

Mi., 27.11.2024 - 19:34 Permalink
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Klemens Riegler Mi., 27.11.2024 - 22:24

Ein anderer Gedanken dazu: Wie viele Menschen würden in den Kursaal strömen, und dafür auch noch Eintritt zahlen? ... wenn der Bühnenstar das Gegenteil von Ganser behaupten würde? ... also eher eine vernünftige Mehrheitsmeinung vertreten würde?

Mi., 27.11.2024 - 22:24 Permalink
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Salto User
Oliver Hopfgartner Do., 28.11.2024 - 09:25

Es ist schockierend, mit welcher Nonchalance heute gefordert wird, gewisse Veranstaltungen zu verbieten bzw. gewisse Leute zu canceln.

Es mag sein, dass Ganser mit seinen ständigen Fragen aneckt, z.B wenn er nach den Umständen des Zusammenbruchs von WTC7 fragt oder die Frage stellt, wie die Nato-Osterweiterungen aus russischer Sicht empfunden werden.

Doch um auf den Gedanken zu kommen, solche Veranstaltungen zu verbieten, muss man schon ein sehr eigenwilliges Verständnis von Meinungs- und Pressefreiheit haben.

Ich denke das hängt ein bisschen damit zusammen, wie Social Media unseren Umgang mit Meinungen beeinflusst haben: Früher ist man einfach weggegangen, wenn jemand im Gasthaus Sachen erzählt hat, die einem selbst nicht gefallen oder vielleicht sogar bei einer fragwürdigen Predigt des Pfarrers aufgestanden und gegangen. Heute hingegen klickt man nicht genehme Sichtweisen einfach mit einem Klick oder Touch auf den "Blockieren"-Button weg und baut sich so seine Filterblase, die einem immer wieder die eigene Weltsicht bestätigt.
Wir sind es also immer weniger gewohnt, mit der Konfrontation mit für uns unangenehmen oder nicht nachvollziehbaren Sichtweisen umzugehen. Daher würde ich nicht so weit gehen, von totalitären Tendenzen zu sprechen, wobei ich finde, dass man da schon aufpassen muss. Die Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut und mein Eindruck ist, dass immer weniger Menschen selbstsicher genug sind, um mit anderen Meinungen normal umzugehen. Ein normaler Umgang wäre es beispielsweise, sich selbst abzugrenzen, indem man sachliche Argumente bringt, warum man die Hypothesen der Gegenseite für nicht zutreffend oder nicht angemessen hält. Das ist aber natürlich schwieriger als die Forderung eines Verbots durch Behörden...

Do., 28.11.2024 - 09:25 Permalink
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Peter Gasser Do., 28.11.2024 - 09:40

Antwort auf von Oliver Hopfgartner

Zitat: „Es mag sein, dass Ganser mit seinen ständigen Fragen aneckt...“:
wie schon oben von Herrn Klotz geschrieben: es geht nicht um „ständige Fragen“ oder andere Meinungen, es geht um Unwahrheiten, Verschwörungstheorien... Wer öffentlich lügt und manipuliert und mit diesen Lügen eine gut geölte Geldmaschine fährt, soll nicht von öffentlichem (Steuer-)Geld profitieren.

Falschbehauptungen fallen nicht unter die Meinungsfreiheit.

... dass ihm Menschen zuhören und dafür auch noch saftig bezahlen, zeigt nur, wie sehr... wie wenig ... - ja, das ist jetzt nicht leicht zu formulieren - wie sehr Menschen die Wirklichkeit scheuen und sich lieber von einem Flötenspieler die Ohren verschließen lassen.
Oder wie sehr manche noch immer dem Konzept des „starken Mannes“ (Putin, Orban, Trump, Xi...) folgen, und sich gern auf dessen Seite schlagen... - Ganser bedient sein Ego auf der Bühne und ölt damit nur kräftig seine Geldmaschine, anderes interessiert solche Typen nicht.

Do., 28.11.2024 - 09:40 Permalink
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Peter Gasser Do., 28.11.2024 - 10:17

Antwort auf von Manfred Gasser

Zitat: „Das Kurhaus ist sicher nicht gratis, oder ?“ ... gratis nicht, aber in Bau, Umbau, Führung öffentlich gefördert.
Niemand hat „Angst“ vor einem dermaßen durchsichtigen Ganser - aber beim Geldabschöpfen mit Verschwörungstheorien und Unwahrheiten auch noch durch die Allgemeinheit „fördern“ muss meiner Meinung nach nicht sein.

Do., 28.11.2024 - 10:17 Permalink
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Oliver Hopfgartner Do., 28.11.2024 - 10:16

Antwort auf von Peter Gasser

Wenn er lügt ind Falschbehauptungen aufstellr, kannst du das gerichtlich überprüfen lassen und z.B. eine Klage auf Unterlassung machen, vielleicht auch Verleumdung, je nachdem welche seiner Statements du konkret problematisch findest. Das ist aber definitiv nicht Aufgabe einer Kulturstadträtin oder eines Gemeinderats.

Stell dir vor ich wäre Stadtrat und würde eine Veranstaltung der Klimakleber verbieten. Die stellen vielleicht auch falschbehauptungen auf, wenn sie z.B. behaupten, ein Arbeiter auf dem Weg heim zu seinen Kindern würde ihre Zukunft ruinieren.

Die Gefahr eines politischen Missbrauchs ist viel zu hoch, wenn wir an der Meinungs- und Versammlungsfreiheit sägen. Mir ist die liberale Gesellschaftsordnung wichtiger als die Befindlichkeit von dünnhäutigen Aktivisten. Die Wahrheit ist doch, dass 80% der Bevölkerung nicht mal wissen wer Daniele Ganser ist.

Do., 28.11.2024 - 10:16 Permalink
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Peter Gasser Do., 28.11.2024 - 10:24

Antwort auf von Oliver Hopfgartner

Zitat: „Meinungs- und Versammlungsfreiheit“:
Daniele Ganser ist ein privates Unternehmen, eine gut geölte Geldbesorgungsmaschine, das hat doch absolut nichts mit „Meinungs- und Versammlungsfreiheit“ zu tun.

2 Bemerkungen:
- Der stellt sich doch nicht auf einen öffentlichen Platz und demonstriert gegen etwas.
- Unwahrheiten, Fake News sind NICHT „Meinung“ oder gar „Meinungsfreiheit“: dieses Verwechseln/Gleichsetzen von „Meinung“ und „Fakten“ tut schon bald weh...

Do., 28.11.2024 - 10:24 Permalink
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Oliver Hopfgartner Do., 28.11.2024 - 11:16

Antwort auf von Peter Gasser

Auch ein Unternehmer hat das Recht eine Räumlichkeit zu mieten, Eintritt festzulegen und auf eigenes unternehmerisches Risiko zu planen.
Sicher ist das dann eine Versammlung.

Wenn ich einen Saal miete, Vortragende für eine medizinische Fortbildung einlade und dann Werbung bei Ärzten mache, ist das auch eine Versammlung.

Jeder Vortrag ist eine Versammlung, unabhängig davon ob eintritt gezahlt werden muss oder nicht.

Wo kämen wir denn hin, wenn Politiker festlegen dürften, wer in Südtirol Veranstaltungen organisieren darf und wer nicht?

Was Meinungen und Fakten angeht: was hat Ganser gestern in Meran eigentlich konkret gesagt? Denn aktuell diskutieren wir ja nur über deine MEINUNG darüber, dass Ganser angeblich so schlimm sei. Daher bitte ich dich eine Sachgrundlage zu schaffen, indem du konkrete Ganser-Zitate vom gestrigen Abend lieferst, die nachweislich falsche Fakten und nicht Meinungen sind.

Falls du das nicht kannst, hast du keine wirklichen Argumente, denn ein normaler Mensch kann nicht ernsthaft gegen Versammlungsfreiheit argumentieren wollen.

Do., 28.11.2024 - 11:16 Permalink
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Oliver Hopfgartner Do., 28.11.2024 - 10:26

Antwort auf von Stereo Typ

So blöd es klingt, mir ist das symapthischer als die gängige Praxis mancher deutscher Minister*innen, jeden #Schwachsinn anzuzeigen.

Helmuth Kohl sagte einst, dass ein Mentor von ihm mal sagte, ein Politiker in einer Spitzenposition sei den Meinungen ausgesetzt wie ein wetterhahn dem Wind. Niemand habe ihn gezwungen, CDU-Chef und Kanzler zu werden, also könne er auch gut mit den Karikaturen des Spiegels (heute wäre das sicher Bodyshaming) und bissigen Aussagen leben.
Heute herrscht eine unfassbare Dünnhäutigkeit.

Do., 28.11.2024 - 10:26 Permalink
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Oliver Hopfgartner Do., 28.11.2024 - 11:04

Antwort auf von Peter Gasser

Was erlaubte Kritik und was Hass ist, hängt heute leider oft nicht vom Inhalt ab, sondern von den involvierten Personen. Das ist das Problem.
Denn wenn es rein um Inhalte ginge, müsste es von uns gleich bewertet werden, wenn ein Parlamentarier als Schwachkopf oder als Nazi-Schlampe bezeichnet wird.

Ich bin also nicht derjenige, der mit zweierlei Maß misst.

Hass und Hetze so umzudefinieren, wie es einem gerade passt, ist jedenfalls kein langfristig gesellschaftstragendes Modell.

Do., 28.11.2024 - 11:04 Permalink