Umwelt | Klimaschutz

„Verbote sind nicht nötig“

Drei Südtiroler Umweltverbände fordern ein Landes-Klimagesetz. Thomas Benedikter vom Heimatpflegeverband erklärt, warum das nötig ist.
Thomas Benedikter
Foto: Privat
  • SALTO: Herr Benedikter, der Heimatpflegeverband, Climate Action South Tyrol und der Dachverband für Natur- und Umweltschutz fordern ein Klimagesetz für Südtirol. Warum? Und worum handelt es sich dabei?

    Thomas Benedikter: Seit Juli 2023 hat Südtirol einen Klimaplan, der Maßnahmen festlegt, um die CO₂-Emissionen im Land bis zum Jahr 2040 auf null zu setzen. Es handelt sich dabei aber lediglich um einen Beschluss, eine politische Selbstverpflichtung der Landesregierung, der ständig abgeändert werden kann. Um die Maßnahmen und Ziele des Plans aber für das ganze Land und auch die Politik verbindlich zu machen und das Klima aktiv zu schützen, fordern wir gemeinsam mit 40 weiteren Verbänden, dass der Klimaschutz in einem eigenen Landesgesetz verankert wird. Dadurch wäre es möglich, vor allem dem Land und den Gemeinden, aber auch der Gesellschaft mehr Planungssicherheit und eine klare Orientierung zu geben. Durch eine gesetzliche Grundlage würde dem Klimaschutz als Ganzem mehr Gewicht und Bedeutung verliehen. So wie bis jetzt ist das Ganze zu wenig verpflichtend. Der Klimaplan muss konsequenter umgesetzt werden.

     

    „Wir müssen die Maßnahmen verschärfen, präzisieren und zusätzliche ergreifen.“

     

    Der Klimaplan ist also zu wenig?

    Ja, bereits der Inhalt des Plans ist nicht ausreichend. Er enthält beispielsweise eine Reihe an Maßnahmen, die gar keine richtigen Maßnahmen sind. Ich denke dabei an Arbeitsgruppen oder irgendwelche Konzepte, die bei der Erreichung der Ziele helfen sollen. Des Weiteren sieht der Plan keinen Pfad hin zur Klimaneutralität vor. Er legt zwar das Ziel fest, die CO₂-Emissionen der Provinz bis 2040 auf null zu setzen, gibt jedoch bis dahin keine quantifizierten Etappenziele oder verpflichtende Sektorenziele vor. Auch die Pflicht zur Korrektur durch die Landesregierung im Falle von Planabweichungen ist nicht vorgesehen. Man muss auch Beachten, dass die Landesregierung in gewissen Bereichen im Widerspruch zum Klimaplan handelt und Projekte fördert, die die Erreichung der Klimaziele behindern. Nehmen wir den Verkehr als Beispiel: Der Verkehr ist mit 44 Prozent der Hauptemissionsfaktor im Land. Nun bemüht man sich zu Recht um den Ausbau des ÖPNV und Verbesserungen für Radfahrer und Fußgänger, das ist aber zu wenig. Denn auf der anderen Seite wird durch die Förderung des Tourismus auch der Verkehr wieder gefördert. 

  • Zur Person

    Thomas Benedikter ist Wirtschaftswissenschaftler und Mitarbeiter für Klimaschutz beim Heimatpflegeverband Südtirol. Der 67-Jährige hat des Weiteren einen Bildungsauftrag an der Freien Universität Bozen und lebt in Eppan.

  • Müsste der Klimaplan vor seiner gesetzlichen Verankerung nochmals überarbeitet oder gar verschärft werden?

    Ja, wir müssen die Maßnahmen verschärfen, präzisieren und ergänzen, da wir aktuell vom Kurs Klimaneutralität 2040 abgekommen sind. Es gibt derzeit um die 600 Maßnahmenvorschläge vonseiten des Klimabürgerrats und des Stakeholderforums, die von der Verwaltung in den Klimaplan eingearbeitet werden müssen. Diese Inputs bieten bereits eine gute Grundlage, um das Dokument positiv weiterzuentwickeln. Der Plan müsste zudem in regelmäßigen Abständen jährlich überprüft und aktualisiert werden. Erst dann wäre eine seriöse Verfolgung der Ziele möglich. 

    Sie sagen, wir sind vom Kurs abgekommen. Ist das Ziel des Landesklimaplans, bis 2040 klimaneutral zu sein, zu optimistisch?

    Ich bin der Meinung, dass wir dieses Ziel nicht erreichen, wenn wir nur bei einem solchen Plan bleiben. Das von uns geforderte Gesetz wäre eine Voraussetzung, überhaupt konsequent in Richtung Klimaneutralität 2040 arbeiten zu können. Dieses Ziel zu erreichen ist generell schwer, zumal viele Entscheidungskompetenzen nicht bei den Provinzen oder Regionen, sondern auf staatlicher Ebene liegen. Ohne gesetzlichen Rahmen ist die Erreichung des Ziels aber nicht realistisch.

  • Thomas Benedikter: „Der Klimaschutz scheint derzeit etwas weniger Priorität im Land zu haben.“ Foto: Privat
  • Die sprechen von neuen Maßnahmen zur Zielerreichung. Würde es sich beim Landesklimagesetz um eines voller Verbote für die Bevölkerung handeln?

    Nein, Verbote sind im Rahmen des Gesetzes nicht nötig. Man sollte eher auf eine sogenannte Exit-Strategie setzen. Das bedeutet, ab einem bestimmten Zeitpunkt gewisse Dinge nicht mehr zuzulassen. So sollte es irgendwann gesetzlich nicht mehr möglich sein, Gasheizungen mit Gasheizungen zu ersetzen. Wenn ein Haus renoviert wird, sollte dann vorgeschrieben sein, anstelle der alten Verbrennerheizung eine klimafreundliche Alternative zu installieren, diese sollten dann auch dementsprechend gefördert werden. Solange aber kein rechtlicher Rahmen besteht, werden weiterhin viele CO₂-emittierende Heizungen eingebaut. Im Gesetz wäre somit viel mehr das Gebot der Klimaberücksichtigung enthalten, dem die Gesetzgebung und Planung des Landes allgemein unterstellt ist.

    Wie realistisch sehen die Umweltgruppen die Verabschiedung eines Klimagesetzes in Südtirol?

    Der Klimaschutz scheint derzeit etwas weniger Priorität im Land zu haben. Trotzdem werden wir die Forderung an den Landtag herantragen und mit diesem Vorstoß dazu beitragen, dass die Diskussion wieder in den Vordergrund rückt. Angesichts von Statements zu mehr Bemühungen für den Klimaschutz vonseiten der Landesregierung, des Landeshauptmann Arno Kompatscher und des Umweltlandesrats Peter Brunner sind wir zuversichtlich, mit unserem Anliegen nicht auf verschlossene Türen zu stoßen. Wir erhoffen uns, dass ein solches Gesetz noch in dieser Legislaturperiode, sprich bis 2028, verabschiedet wird. Zunächst werden wir aber noch etwas Überzeugungsarbeit leisten müssen.

     

    „In Italien gibt es ein solches nationales Gesetz noch nicht.“

     

    An welchen Ländern mit eigenem Klimagesetz sollte Südtirol sich orientieren?

    Vorbild für Südtirol können hauptsächlich deutsche Bundesländer sein, allen voran Baden-Württemberg. Das dortige Gesetz erachte ich als das Beste, da es durch Mechanismen wie Berichtspflicht, unabhängige Bewertung, Kurskorrekturen und Ähnliches einem klaren Kurs folgt. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass Baden-Württemberg durch die starke Industrie, wie Stahl- und Automobilproduktion sowie zahlreiche fossil betriebene Kraftwerke viel größeren Herausforderungen als Südtirol ausgesetzt ist. Trotzdem ist es ihnen gelungen 2013 ein wirksames Gesetz zu erarbeiten, das 2023 novelliert wurde. In Baden-Württemberg sinken die CO2-Emissionen, wen auch noch nicht genug. In Deutschland gibt es ein staatliches Gesetz, auf das sich die Bundesländer stützen können. In Italien gibt es ein solches nationales Gesetz noch nicht. Italien hat hier noch aufzuholen, zumal es in dieser Hinsicht eines der letzten in Europa ohne Gesetzesrahmen für den Klimaschutz ist.