Politik | Der Fall Zeller

Zellers Entschuldigung

Nach der Amtsübergabe entschuldigt sich Katharina Zeller, die neue Bürgermeisterin Merans, für das symbolische Missverständnis, steht aber zu ihrer menschlichen Reaktion gegen Übergriffigkeit
Zeller Dal Medico Übergabe
Foto: DO/Salto
  • Die Amtsübernahme von Katharina Zeller, der neuen Bürgermeisterin von Meran, hat für Aufsehen gesorgt: Nachdem der ehemalige Bürgermeister Dario Dal Medico ihr die italienische Trikolore-Schärpe mit der Aussage „devi metterla!” anlegte, legte sie diese rasch wieder ab. Dies wird nun vielfach als Ablehnung von Staatssymbolen interpretiert. Zeller stellte in einem Interview mit Giampaolo Visetti (la Repubblica) bereits klar: „Ich habe mir die Schärpe nicht abgenommen, um der Trikolore gegenüber respektlos zu sein. Sie steht für Italien, mein Heimatland.“ Heute bezogen Zeller und Antonella Costanzo (Mutiges Merano Corraggiosa) in einer Pressekonferenz Stellung zum Vorfall: So sei dies ein Akt gewesen, „der sich gegen eine junge Frau richtete – in einem Moment großer Freude und Emotion – in dem sie keinen Druck verspüren wollte.

  • Ich habe mich gegen eine provozierende Geste gewehrt, mit der man mich wie ein kleines, unfähiges Mädchen darstellen wollte.

     

    Die 38-jährige Juristin wurde als erste Frau direkt in dieses Amt gewählt, mit einer klaren interethnischen Botschaft, unterstützt sowohl von deutsch- als auch italienischsprachigen Bürger:innen. Ihr Ziel sei es, die Sprachgruppen zu vereinen, nicht zu trennen. Umso mehr sieht sie den Vorfall als politische Inszenierung, wie sie Visetti erklärte: „Ich habe mich gegen eine provozierende Geste gewehrt, mit der man mich wie ein kleines, unfähiges Mädchen darstellen wollte.“ Auch in der heute gegebenen Pressekonferenz erklärt Zeller, dass Dal Medico ihr die Schärpe aufzwingen wollte, obwohl sie ihn mehrmals bat, ihr diese in die Hand zu legen. Dabei sprach er in einem Ton, den sie als übergriffig empfand. Sie habe sich in die Ecke gedrängt gefühlt und ihr spontaner Widerstand sei ein menschlicher, nervöser Ausdruck ihres rebellischen Charakters gewesen: „Ich glaube, er hat mich ganz bewusst provozieren wollen“, erklärte sie. Ihre Reaktion, so Zeller, führte jedoch zu einem Missverständnis für das sie sich entschuldigen möchte

    Zeller weist die Darstellung als Anti-Italienerin zurück: „Ich bin das Gegenteil dieser anti-historischen Nostalgie. Ich habe zehn Jahre lang in Rom gelebt und Verwaltungsrecht studiert und fühle mich europäisch, italienisch und südtirolerisch.“ Rückblickend räumt sie ein, emotional gehandelt zu haben: „Mit kühlem Kopf würde ich es nicht noch einmal tun.“ Doch sie betont auch: „Ich habe mit Entschlossenheit, aber auch mit Höflichkeit reagiert. Ich habe die Schärpe auf den Tisch gelegt – nicht aus Verachtung, sondern weil das Stadtwappen in Südtirol dieselbe symbolische Funktion erfüllt.

  • Politisch missverständlich aber menschlich

    In der Pressekonferenz verweist sie auf die Amtsübergabe des amtierenden Bürgermeisters von Rom, Roberto Gualtieri, die ohne derartige Symbole abgehalten wurde. Es handle sich dabei, wie auch bei der gestrigen Zeremonie, um einen rein symbolischen ersten Akt. Das eigentliche Zeremoniell ist dann die vorgesehene feierliche Übergabe mit dem Eid auf die Verfassung, dem Tragen der Trikolore-Schärpe und allem, was dazugehört. Symbole, die sie als Brückenbauerin für ein gemeinsames Morgen ehrt, so Zeller. So werde sie die Trikolore weiterhin ehren und tragen und entschuldigt sich für ihr Fehlverhalten als Politikerin. Rein menschlich betrachtet habe sie aber lediglich instinktiv auf eine Zwangssituation reagiert.

    Alessandro Urzì, Regionalkoordinator der Fratelli d’Italia für Trentino-Südtirol, betrachtet den Fall mit einem „Schleier von Bitterkeit" als abgeschlossen. Gegenüber Ansa.it erklärt er, dass mit der Entschuldigung Zellers „das Prinzip des Respekts gegenüber den Symbolen – wie der Trikolore – wiederhergestellt wurde."

Bild
Profil für Benutzer Herta Abram
Herta Abram Di., 20.05.2025 - 17:38

Die Ansage der rückwärtsgewandten Männergesellschaft ist immer noch: Wenn du zur Gruppe der "richtigen" Männer dazu gehörst, dann brauchst du dein Verhalten nicht reflektieren, brauchst kein Gespür haben für die Situation und dein Gegenüber, und wenn dein Ego gekränkt ist ( -weil dich Frau besiegt hat) gesteh es dir nie ein, (dazu bräuchte es nämlich Mut) sondern verhalt dich möglichst unreif, und verkauf dich dann theatralisch als Opfer!
Nochdazu:
Wir erleben ein Ringen zwischen patriarchal-autoritär-gewalttätigen und demokratisch-gleichheitsorientierten-partizipativen Gesellschaftsvorstellungen.
Dabei dürfen wir nicht unterschätzen, wie heftig die Beharrungskräfte sind.
Ich steh voll und ganz hinter Katharina Zeller!

Di., 20.05.2025 - 17:38 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Hartmuth Staffler
Hartmuth Staffler Di., 20.05.2025 - 17:40

Wenn sich jemand entschuldigen müsste, dann dieser ungehobelte Dal Medico, nicht aber Frau Zeller, die nichts Falsches getan hat. Frau Zeller hat Größe und Souveränität bewiesen, indem sie sich, obwohl ohne Schuld, entschuldigt hat. Vom nationalistischen Grobian Dal Medico kann man sich wohl keine Entschuldigung erwarten.

Di., 20.05.2025 - 17:40 Permalink
Bild
Profil für Benutzer △rtim post
△rtim post Di., 20.05.2025 - 19:22

Antwort auf von Hartmuth Staffler

Den Fehler hat hier Dal Medico gemacht. Die Zeller hat sich überrumpeln lassen. Wieso sie sich nun dafür sogar entschuldigt und in der Kommunikation so wenig professionell damit umgeht, ist mir nicht ganz verständlich.
In der medialen Kommunikation hätte sie zumindest den Sachverhalt verständlich darstellen können. Die meisten in Italien sind sich offensichtlich nicht darüber im Klaren, dass es in Südtirol zwei Varianten der Zeremonie gibt – entweder mit Schärpe oder mit Amtskette und Schlüssel.
Man könnte sich den Aufschrei vorstellen, wenn im umgekehrten Fall ein Bürgermeister regelwidrig die Amtskette über der Schärpe gegen seinen Willen verpasst bekommen hätte.

Di., 20.05.2025 - 19:22 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Stefan S
Stefan S Di., 20.05.2025 - 21:19

Antwort auf von △rtim post

"Die meisten in Italien sind sich offensichtlich nicht darüber im Klaren, dass es in Südtirol zwei Varianten der Zeremonie gibt"
Ja ganz richtig und eine Frau Zeller wird dies leider auch mit keiner noch so tollen, professionellen oder sonstiger Erklärung ändern können. Da fehlt dann auch der qualitative mediale Unterbau italienweit.
Die Erklärung/Entschuldigung ist aufrichtig und augenscheinlich auch authentisch. Menschlich nachvollziehbar von amtswegen suboptimal. Die Messe ist gesungen und das Lehrgeld bezahlt.

Di., 20.05.2025 - 21:19 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Hartmuth Staffler
Hartmuth Staffler Di., 20.05.2025 - 18:07

Frau Zeller hat mehr Rückgrat als viele Männer. Man kann politisch anderer Meinung sein, ich bin mit ihrer politischen Linie auch nicht hundertprozentig einverstanden, , aber als Frau muss man sie nicht nur respektieren, sondern bewundern. Ich kann mir lebhaft vorstellen, unter welchen ungeheuren Druck sie jetzt gesetzt worden ist. Das hat sie gut gemeistert.

Di., 20.05.2025 - 18:07 Permalink
Bild
Salto User
Aloisius von Gonzaga Di., 20.05.2025 - 19:09

"Ein menschlicher, nervöser Ausdruck ihres rebellischen Charakters" sei die Aktion also gewesen. Ein Bürgermeister sollte dazu imstande sein, seine Emotionen im Griff zu haben. Oder wird diese Eigenschaft nur von Männern verlangt, können sich Frauen mehr erlauben? Bei einem Mann wären manche vielleicht nicht so nachsichtig. Sie soll ihren Fehler klar eingestehen und keine Ausflüchte suchen. Sonst soll sie zurücktreten.

Di., 20.05.2025 - 19:09 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Hartmuth Staffler
Hartmuth Staffler Di., 20.05.2025 - 21:33

Frau Zeller ist Opfer einer nationalistischen Provokation mit klaren Elementen eines frauenfeindlichen und auch sexistischen Männlichkeitskultes geworden. Ihr gebührt, unabhängig von politischen Einstellungen, die volle Solidarität aller Menschen, die noch etwas von Menschenwürde und Respekt halten.

Di., 20.05.2025 - 21:33 Permalink
Bild
Salto User
Günther Alois … Mi., 21.05.2025 - 07:37

Ich frage mich ernsthaft warum,wieso und für was sich Frau K.Zeller entschuldigt hat? Sind wir schon im totalen SVP/ FRATELLI FASCHISMUS gelandet? Geat" s nou???

Mi., 21.05.2025 - 07:37 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Martin Piger
Martin Piger Mi., 21.05.2025 - 13:50

Ich glaube, sie hat sich entschuldigt, weil das jeder Südtiroler:in in solchen Situationen tun muss, wenn er/sie/es nicht total unter die Räder kommen will, ganz gleich, ob man nun im Recht ist oder nicht.
Die ganze Geschichte hat aber auch ihr Gutes. Sie bildet den Istzustand der italienischen Öffentlichkeit zu diesem Thema ab. Es mag durchaus die Mehrheit der Anständigen geben, die nicht an diesem nationalistischen Kesseltreiben mitmachen, aber man hört sie nicht. Vielleicht sind sie auch nur eine kleine Minderheit. Dieser Zustand ist für mich sehr beängstigend. Als Südtiroler darf man sich nur an gewisse Vergangenheiten erinnern, wenn sie weit weg sind und mit den heutigen strahlenden Umständen der "weltbesten Autonomie" nicht kollidieren.

Mi., 21.05.2025 - 13:50 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Evelin Grenier
Evelin Grenier Mi., 21.05.2025 - 14:22

Antwort auf von Martin Piger

Ich denke wir sollten hier unterscheiden. Der Privatbürger kann es sich leisten, ein Symbol abzulehnen, das für ihn ein Synonym für Gewalt darstellt.
Für einen Politiker ist die Situation jedoch etwas komplizierter.
Ich denke, sie hat als Mensch reagiert, sich aber als Politikerin entschuldigt.

Mi., 21.05.2025 - 14:22 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Martin Piger
Martin Piger Mi., 21.05.2025 - 23:08

Antwort auf von Evelin Grenier

Liebe Frau Grenier, Frau Zeller hat das Symbol nicht abgelehnt, sie hat ihm nur den Stellenwert zugewiesen, der in diesem Moment für sie stimmig war. Dabei ist sie durch die Gesetze gedeckt, hat sich also auch nicht gegen die Institutionen gewandt, wie ihr verschiedentlich vorgeworfen wird.

Mi., 21.05.2025 - 23:08 Permalink
Bild
Salto User
veronika dapra Mi., 21.05.2025 - 15:23

Antwort auf von Martin Piger

Ja, das sind genau meine Gefühle Herr Piger. Es ist erschreckend und beängstigend, auch von Seiten der Grünen - Nichts.
Habe sehr viele Kommentare gelesen und viele gespeichert, der Hass, der Neid uns gegenüber ist schockierend, bin überzeugt, dass ein solcher shitstorm einer Volksgruppe gegenüber im Rest Europas nicht geduldet würde. Hier wird er geradezu gefördert, in der Presse angefacht und am brodeln gehalten.

Mi., 21.05.2025 - 15:23 Permalink
Bild
Profil für Benutzer G. P.
G. P. Mi., 21.05.2025 - 15:43

Antwort auf von veronika dapra

Sie sprechen mir aus der Seele. Bin, ehrlich gesagt, sehr besorgt, was da noch alles auf uns zukommt. Und vor allem besorgt mich, dass praktisch nicht viel Gegenwehr kommt, von der SVP als Regierungspartie und stärkste Kraft im Lande erst recht nichts.

Mi., 21.05.2025 - 15:43 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Hartmuth Staffler
Hartmuth Staffler Mi., 21.05.2025 - 14:44

Die Amtsübergabe war ein inoffizieller Akt, für den es keine Regeln, sondern höchstens Gewohnheiten gibt. Dal Medico hat die Gelegenheit ausgenützt für einen nationalistischen und sexistischen Übergriff auf seine Nachfolgerin, ein klares Zeichen dafür, dass er die Niederlage nicht verdaut hat. Frau Zeller hat sich, obwohl vollkommen überflüssig, für ihr Verhalten entschuldigt, wohl auch, weil sie von der eigenen Partei, die es sich mit den faschistischen Koalitionspartnern nicht verderben will, dazu unter massiven Druck gesetzt wurde. Die schlimme Stellungnahme des Landeshauptmannes, der nicht den Anstand (für ihn ein Fremdwort) aufgebracht hat, Frau Zeller ohne wenn und aber zu verteidigen, sagt eigentlich alles.

Mi., 21.05.2025 - 14:44 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Hartmuth Staffler
Hartmuth Staffler Mi., 21.05.2025 - 17:19

Frau Zeller muss sich entscheiden, ob sie den italienischen
Staat, der unser Land aufgrund eines imperialistischen Angriffskrieges übernommen hat, vertreten will, oder die Bürger der Gemeinde Meran, die sie gewählt haben.

Mi., 21.05.2025 - 17:19 Permalink