Gesellschaft | Im Netz

"Haben Sie eigentlich eine Freundin?"

Die Frage erreicht Philipp Achammer während einer Online-Fragerunde zur Bildung. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Doch ganz ungeniert hat jemand Missbrauch betrieben.

“Was hast du dir nur dabei gedacht?” Als ihre Kollegen die Lehrerin Claudia F. (Name von der Redaktion geändert) mit dieser Frage am Montag, den 12. Jänner, in der Schule empfangen, versteht sie erst einmal nicht, worum es geht. Auf Nachfrage stellt sich heraus, dass wohl einige am Wochenende salto.bz gelesen hatten. Und dabei im Bericht über den Live-Chat, in dem Bildungslandesrat Philipp Achammer Fragen über das neue Bildungsgesetz beantwortete, Claudia F.s Namen entdeckt hatten.

Was ihre Kollegen in Aufruhr versetzt hat, ist die Frage, die Claudia F. im Laufe des Abends gestellt hatte. Oder gestellt zu haben schien. Denn wie sich sogleich herausstellt, ist es nicht sie gewesen, die nach dem Beziehungsstand Achammers gefragt hatte – eine Frage, die nun aber auch gar nichts mit dem Bildungsgesetz zu tun hat: “Haben Sie eigentlich eine Freundin?” “Da hat sich jemand einen bösen Scherz erlaubt und meinen Namen missbraucht”, klagt die junge Lehrerin am Telefon an. Einen Scherz, der den Scherzkeks teuer zu stehen kommen könnte.


Über die IP-Adresse zum Schuldigen

Nachdem sie von dem Vorfall erfahren hat, meldet sich Claudia F. umgehend bei Philipp Achammer. Als er nicht gleich auf die E-Mail antwortet, setzt sie sich mit der SIAG, dem Web-Administrator der Provinz – über deren Seite der Live Chat lief – in Verbindung. “Die Dame am Telefon hat mir schnell geholfen”, erzählt die junge Lehrerin, “und Verständnis gezeigt. Denn wäre das einem Mann passiert, wäre wohl nur gelacht worden. Bei einer Frau hingegen heißt es gleich: ‘Hat die keinen?’.” Der Eintrag mit der entsprechenden Frage wird sofort aus der öffentlich einsehbaren Online-Debatte genommen. Die IP-Adresse des Verfassers ist bald ausgemacht, der Eintrag ist von einem Mobiltelefon aus verschickt worden.

Über diese Maske konnten die Chat-Teilnehmer ihre Fragen an Landesrat Achammer stellen. Bei freier Namenswahl und ohne Registrierung.

Für alles Weitere wäre nun die Postpolizei zuständig. Doch ohne Anzeige tritt diese nicht in Aktion, um die Person hinter der IP-Adresse auszuforschen. Und obwohl Claudia F. eine Anzeige anfangs in Erwägung zieht, sieht sie schließlich doch davon ab. “Der persönliche Schaden, den ich erlitten habe, ist nicht schlimm genug, als dass ich Aussicht auf eine erfolgreiche Klage hätte”, erläutert sie ihre Entscheidung. Darüber hinaus hätten alle Personen, die an der Durchführung des Live-Chats beteiligt gewesen waren, vor dem Staatsanwalt als Zeugen aussagen müssen. Wäre es anschließend zu keinem Verfahren gekommen, wären alle Kosten auf sie zurückgefallen.


“Es kann jedem passieren, aber ich hätte nie damit gerechnet”

“Die Sache ist mir sehr unangenehm, ja, peinlich”, gesteht die junge Lehrerin. Und doch will sie nicht schweigen. “Es ist richtig, dass die Leute wissen, dass man sich im Netz nicht jeden Blödsinn erlauben kann, sondern dass jeder Spuren hinterlässt, durch die man auch recht schnell ausfindig gemacht werden kann.” Entsteht durch solche vermeintlichen Scherze der betroffenen Person ein gewichtiger persönlicher Schaden, und kommt es daraufhin zu einem strafrechtlichen oder gar zivilrechtlichen Verfahren, kann der Scherzkeks auf enorme Summen und Schadenersatz geklagt werden. Darüber hat Claudia F. auch mit ihren Schülern gesprochen. Ihr Rat? “Am besten alles, was einem online passiert – sei es Mobbing oder anderweitige Missbräuche – mit Screenshots oder sonst wie dokumentieren.” Einen Appell richtet sie auch an die Politiker, die in Zukunft für mehr Sicherheit bei Aktionen wie Online-Live-Chats sorgen könnten, “etwa durch eine verpflichtende Registrierung im Vornherein oder auch durch die Überlegung, ob wirklich alle – und eben auch unpassende – Fragen veröffentlicht werden sollten.”

Denn gerade wenn man es sich vielleicht am wenigsten erwartet – wie etwa während eines Live-Chats mit dem Landesrat – ist der Missbrauch oft am schnellsten passiert. Drei Monate hat Claudia F. nun noch Zeit, um eventuell doch Anzeige zu erstatten. Erklären kann sie sich das, was passiert ist, trotzdem nicht recht. “Vielleicht wollte jemand Landesrat Achammer politisch schaden, oder ihn blöd dastehen lassen”, so eine ihrer Vermutungen. Warum dann aber ausgerechnet Claudia F.s Namen verwenden? “Es kann natürlich auch sein, dass es jemand war, der mich kennt. Allerdings hätte ich mir nie erwartet, dass so etwas unter Lehrern passiert.”