Politik | Kommentar

Reden wir von Zeller

Der Fall Meran zeigt: Wer meint, dass die Erneuerung des Landes nur ein Auftrag für Arno Kompatscher ist, irrt. Gel, Herr Zeller?

Eine Bastion ist gefallen. Meran hat Farbe gewechselt. Von schwarz auf hellgrün. Dass dies möglich sein wird, hat sich noch vor zwei Wochen niemand getraut zu wetten. Pessimisten nicht. Optimisten auch nicht.

Paul Rösch, dem Bürgerlistler, ist mit den Grünen im Beiwagen ein persönlicher Erdrutschsieg gelungen. Zumindest in der Stichwahl. Von grünem Bürgermeister kann keine Rede sein, wenn man die Distanz in die Analyse miteinbezieht, auf die Rösch die Grünen während seines Wahlkampfes gehalten hat. Rösch ist bürgerlicher – hellgrün mit etwas hellschwarz untermischt. In Deutschland findet man in Baden-Württemberg diesen politischen Farbton.

Allerdings muss der in der Politik bislang unbeschriebene, auch unerfahrene Paul Rösch seine politische Couleur erst noch vervollständigen: Die Koalitionsbildung für die Stadtregierung wird noch einige Farbkleckse ergänzen – so sie denn gelingt. Die Grünen werden es Rösch dabei nicht einfach machen. Aber um Prognosen, um die Zukunft soll es hier nicht gehen.

Reden wir von Karl Zeller.
Von ihm zu reden, heißt, von der Vergangenheit zu reden. Das mutet eigenartig an, denn Zeller, Jahrgang '61, ist sieben Jahre jünger als Paul Rösch (1954). Der Mann, den Zeller zum Meraner Bürgermeister machen wollte, ist ebenfalls deutlich jünger: Gerhard Gruber ist Jahrgang 1960. Die Jungen haben gegen den Älteren verloren. Politische Erneuerung hat nichts mit biologischem Alter zu tun. 
Und Gerhard Gruber zu analysieren, wäre den Hebel zu analysieren, mit dem Zeller die Vergangenheit in der Zukunft fortsetzen wollte.

Grubers Niederlage ist Zellers Niederlage. 
Karl Zeller hat seine politische Karriere auf die alte Generation aufgebaut, um einige zu nennen: Viktoria Stadlmayer (*1917 †2004), Alfons Benedikter (*1918 †2010), Siegfried Unterberger (*1941), Luis Durnwalder (*1941). Zeller hat von den Alten gelernt. Das hat ihm den Senkrechtstart in die Politik einst möglich gemacht: 1990 wurde Zeller direkt zum stellvertretenden SVP-Bezirksobmann des Burggrafenamtes gewählt, 1994 als Parlamentarier. SVP-Bezirksobmann ist er seit 2007. SVP-Parlamentarier ist er immer noch, 2013 wechselte er von der Kammer in den Senat.
Dass er der bestverdienenste Rechtsanwalt in Südtirol ist und Gründer einer Patchwork-Großfamilie mit fünf Kindern und drei Frauen sei der Vollständigkeit halber ergänzt.
Es zeigt sich, nicht nur seine politische Karriere ist Zeller außerordentlich gut gelungen.

Zeller hat gelernt, das alte System in Südtirol Politik zu machen, d.h. autoritär, zum Wohle der Bürger an ihren Köpfen vorbei und am besten das eigene Netzwerk bedienen, um Seilschaften zu stärken.
Dafür wurden anfangs und noch in den 1990 Jahren beim Wählertum Ängste vor Rom geschürt, damit SVP gewählt wird. Als diese Gefahr längst gebannt, wurde mit härteren Bandagen gekämpft: SVP-Ortsobleute wurden vor Wahlen mit Telefonterror bedacht (man erinnere sich an die SVP-Obmann-Wahl 2004). Es wurden Kandidaten aufgestellt, um parteiinterne Gegner zu schwächen (1998 Seppl Lamprecht gegen Michl Laimer).

Spricht man von Zeller in der Gegenwart, ist zu sagen: Auch Gerhard Gruber hat diesesmal so wahlgekämpft. Rückwirkend Mieteinnahmen dem Fiskus zu deklarieren (bis 2013), einen vermeintlichen Amtsmissbrauch des politischen Gegners medial knapp vor dem Wahltag verbreiten zu lassen – und dann gegen alle Spielregeln der Fairness noch am Wahlsonntag einen Wahlaufruf per Sms zu verschicken, sind neue Beispiele der alten Methoden.

Zeller immer im Hintergrund. Er hat dem SVP-Bezirk nun viele Jahre die Daumenschrauben angelegt. Dabei hat er nie Hände geschüttelt. Er hat sein Gesicht nie den Menschenmengen gezeigt. Er hat sein Image als graue Eminenz gepflegt, als er noch grün hinter den Ohren war. Der Strippenzieher schlechthin. Er weiß sicher auch diesesmal von nichts.
Zeller hat das System SVP perfektioniert. Aber niemals erneuert.

Aus das Spiel.
Meran hat erneuert. Nicht nur die SVP verliert eine ihrer Bastionen. Das alte System hat verloren. 
Fazit: Erneuerung ist nicht die Aufgabe von Arno Kompatscher allein.