Umwelt | Überleben

Stummer Bienenstock

Viele Imker sind besorgt: Die Bienen schwächeln, verschwinden zusehends. Kaum jemand schenkt Gehör, wenn auf Schäden durch Pestizide hingewiesen wird.
Bienen
Foto: Pixabay

“Südtirol, und vor allem das Etschtal bis ins untere Vinschgau sind ein Bienen-Paradies. Denn alle Pflanzen, die die Tierchen brauchen, findet man dort”, schwärmt Ernst Pichler (Name von der Redaktion geändert). Pichler ist Imker. Als solcher liegt im das Wohl der Bienen besonders am Herzen, nicht zuletzt, weil er von ihren Erträgen leben will. Doch er ist besorgt. Als erfahrener Bienenhalter bemerkt er sofort, wenn mit einem seiner Völker etwas nicht stimmt. “Es gibt heute insgesamt viel weniger starke Bienenvölker als früher”, so die Beobachtung Pichlers.

Bienenschäden und -sterben sind mittlerweile an der Tagesordnung. “Auch wenn die Situation aktuell besser dargestellt wird als früher, ist dem nicht so.” Es bräuchte insgesamt weniger Pflanzenschutzmitteleinsatz. Denn in diesem sieht Pichler eine Ursache für das “unerklärte” Bienensterben, von dem immer wieder und verstärkt auch in Südtirol die Rede ist. Und dort, im Bienen-Paradies Etschtal, inmitten des Bollwerks der Südtiroler Apfelindustrie, wo die Obstbäume in Reih’ und Glied stehen, ist die Belastung durch Spritzmittel besonders hoch. Mit seinen Befürchtungen steht Imker Pichler nicht alleine da. Immer mehr Studien belegen die negativen bis tödlichen Auswirkungen, die Pestizide und andere Spritzmittel auf die Bienen haben.

Beim Südtiroler Bauernbund (SBB) will man davon nichts wissen. Die Zusammenarbeit zwischen Imkern und Obstbauern sei “eng” und funktioniere “gut”. Gemeinsam wisse man, wie Bienenschäden zu vermeiden seien, schreibt der SBB Mitte April. Doch ist die “Win-Win-Situation” für beide Seiten, Imker wie Obstbauern, wirklich so real, wie man im Bauernbund weismachen will?

 

Schwache Bienen-Lobby

 

Auf Druck aus den Reihen der Südtiroler Imker wurde 2014 ein gezieltes Monitoring-Programm am Land- und Forstwirtschaftlichem Versuchzentrum Laimburg gestartet. Dort war man bereits in den Jahren zuvor auf “Einzelfälle von ‘Bienenvergiftungen’ durch Fehlanwendungen bienengefährlicher Mittel” aufmerksam geworden. Dazu seien “massive Flugbienenverluste sowie schleppende Volksentwicklung” gekommen, heißt es aus der Laimburg. Ursache? So gut wie nicht bekannt. Denn viele Imker bemerken zwar das Fehlen der Flugbienen, melden dies jedoch nicht beim Imkerbund. Dort können sie auf wenig bis gar keine Hilfe zählen. “Werden Bienenschäden gemeldet, gibt es weder eine Entschädigung noch eine Garantie, dass etwas unternommen wird, damit zukünftige Schäden nicht passieren”, erzählt Ernst Pichler. Eine Versicherung wie etwa gegen Feuer, Diebstahl und Vandalenakte gibt es für Schäden durch Spritzmittel nicht. “Das einzige was man bekommt ist ein Achselzucken. Viele Imker haben bereits resigniert.” Die jahrelange Untätigkeit des Imkerbunds habe dazu geführt, dass nur ein Bruchteil der Imker Schäden an ihren Bienenvölkern zur Meldung bringen.

Im Rahmen des auf drei Jahre angelegten Projekts APISTOX will man an der Laimburg nun gezielt Bienenvölker in Obstbauanlagen, in denen von einem intensiven Einsatz von bienengefährlichen Pflanzenschutzmitteln ausgegangen wird, beobachten. “Erste interessante Ergebnisse liegen bereits vor”, meldete die Laimburg im Herbst 2014. “Eine gesicherte Aussage über die Ursachen der an den Bienenvölkern beobachteten Schadphänomenen kann jedoch frühestens nach Abschluss des Projekts gemacht werden.” Für Klarheit heißt es also: Bitte bis 2016 warten.

 

Gift auf Empfehlung

 

Für andere sind die Ursachen jedoch bereits seit geraumer Zeit klar. “Sicher, viele Bienen sterben durch Krankheitserreger wie die Varroamilbe”, bestätigen erfahrene Imker. Hier seien aber sie, die Imker selbst, gefordert, Krankheiten in ihren Völkern in den Griff zu kriegen. Nichts machen können sie hingegen, wenn Bienenschäden erst nach dem Winter auftreten. “Im Frühling sollten sich die Bienenvölker stark vermehren, ja regelrecht explodieren. Doch das passiert seit Jahren schon nicht mehr”, berichtet Imker Pichler. Und daran seien ganz eindeutig bienengefährliche Mittel Schuld, die in erster Linie im Apfelanbau verwendet werden. Zwar gibt es klare Bestimmungen, wann ein Obstbauer welche Pestizide beziehungsweise Insektizide ausbringen darf. Doch scheint es in mehrerer Hinsicht krasse Defizite zu geben.

“Oft handeln die Bauern unwissentlich zum Nachteil der Bienen. Also sie schaden den Bienen nicht vorsätzlich, sondern weil etwa die Beratung lückenhaft ist.” Der Austausch zwischen Obst- und Bienenlobby, auf den man im Bauernbund so stolz ist, sei praktisch inexistent. “Wir Imker sind kaum in den Bauernbund integriert”, so einer der Vorwürfe. Die Folge: Im Leitfaden “Apfel 2015” des Beratungsrings der Südtiroler Obst- und Weinbauern sind zahlreiche Wirkstoffe aufgelistet, die bienengefährlich sind. Mehr als zehn Mittel, die auf Empfehlung des Beratungsrings über das gesamte Jahr verteilt in mehreren Spritzungen ausgebracht werden, enthalten solche Stoffe. Bis Ende Mai etwa wird in gewissen Zohnen unterm Strich fünf Mal gegen den Besenwuchs, auch bekannt als Apfeltriebsucht, gespritzt. Zur Anwendung kommen dabei unter anderem auch die Mittel Trebon Up mit dem Wirkstoff Ethofenprox sowie Dursban 75 WG. Dieses enthält den Wirkstoff Chlorpyrifos. “Trebon wurde jahrelang schon zum Austrieb eingesetzt. Gleichzeitig sind vielerorts die Winterbienen von einen Tag auf den anderen verschwunden”, weiß Ernst Pichler zu berichten. Auch Dursban steht unter Verdacht, für einen großen Teil der Bienenausfälle verantwortlich zu sein. “Den ersten Crash wegen Chlorpyrifos hat es 2007 gegeben.” Seither haben einige wenige engagierte Imker immer wieder versucht, vor den verheerenden Folgen zu warnen. Vergeblich wie es scheint. “Das tut alles nix”, beteuern Obstlandwirtschaft und Vertreter der Politik. Wie realitätsfremd diese Aussage ist, zeigt ein hoch aktueller Vorfall.

 

Chlorpyrifos, Schrecken der Tierwelt

 

Denn Alarm schlagen mittlerweile nicht nur die Imker, sondern auch der Landesfischereiverband Südtirol. In einer Aussendung wird am 21. Mai über das anfänglich unerklärliche Fischsterben im Plauser Graben berichtet. Da anfangs keine Erklärung für die Ursache des Sterbens ausgemacht werden konnte, wurden die toten Fische in Laboren untersucht. Der erste Verdacht der Fischer bestätigte sich:

“Sowohl im Fischgewebe als auch im Wasser des Grabens selbst wurde eine stark erhöhte Konzentration von Chlorpyrifos-ethyl festgestellt, welches beispielsweise Hauptbestandteil des Pestizids Dursban im Südtiroler Obstbau flächendeckend zur Bekämpfung der Vektoren des Besenwuchses eingesetzt wird.”

Von den Ausflüchten der Obstwirtschaft und der Südtiroler Politik – Landwirtschaftslandesrat Arnold Schuler spricht von einem “Einzelfall” – will man nichts wissen. Trotz der Beteuerungen, wie hoch die Sicherheitsstandards bei der Ausbringung von Pestiziden seien, konnte eine hohe Dosis des Gifts in das Gewässer gelangen. Dabei sind unter anderem auch geschützte Fischarten getötet worden.

 

Gemeinsam achtsam

 

Wenn also davon ausgegangen werden kann, dass der hoch konzentrierte Chlorpyrifos-Wirkstoff für das Plauser Fischsterben verantwortlich war, wie wahrscheinlich ist dann die Annahme, dass kleine Insekten wie die Biene massiv durch den direkten Kontakt mit demselben Mittel geschädigt wird? Zwar gibt es klare Bestimmungen, zu welchem Blütenstand welches Mittel in den Obstwiesen ausgebracht werden darf. So sind gewisse Pestizide nur vor der Obstblüte erlaubt, also bevor die Bienen auf die Wiesen fliegen. Doch nicht immer hält man sich daran. Kontrollen sind schwer bis unmöglich. Dazu kommt, dass die Blüte von Jahr zu Jahr unterschiedlich und zunehmend früher einsetzt. Daher ein Vorschlag der Imker: “Die Zeitspanne für das Spritzverbot muss großzügig gehalten werden.”

Auch sonst sieht man Lösungen, um Bienenschäden durch Pestizide vermieden werden können. “Die Grundvoraussetzung ist wie gesagt, dass außerhalb des Bienenflugs gespritzt werden sollte. Dabei sind Faktoren wie Jahres- und Tageszeit, aber auch die Wetterlage zu berücksichtigen. Aber das wird eh bereits gemacht. Darüber hinaus gehören gewisse Mittel einfach verboten”, meint Ernst Pichler. Mit der Pharmaindustrie und der Bauernlobby steht man jedoch mächtigen Interessengruppen gegenüber. “Dabei geht es in erster Linie nicht um die Imker, sondern um das Wohlergehen der Biene”, präzisiert Pichler. “Die Biene ist ein Allgemeingut. Wie wichtig sie für uns alle ist, wird leider oft verdrängt.”

Doch will man nicht den Obstbauern den Schwarzen Peter zuschieben. Vielmehr gehe es darum, gemeinsam einen achtsamen Umgang mit der Natur zu wagen. “Ein weiterer Weg könnte sein, nicht erst beim Inkrafttreten des Spritzverbots keine Pestizide auszubringen. Sondern einfach mal Vorsorge zu tragen und gewisse Mittel nicht mehr zu verwenden. Denn es geht viel mit ‘weniger’ und ‘anders’.” “Anders” bedeute dabei nicht gleich “Bio”- oder “Öko”-Obstbau, sondern einfach mehr Bewusstsein und gegenseitigen Respekt. Denn schließlich ist man aufeinander angewiesen, gestern wie heute und wahrscheinlich erst recht in Zukunft.

Es sind hauptsächlich die Flugbienen, die verrecken, die, die das Futter in den Stock bringen. Ganz schlimm ist dabei Spinosad, das gegen die neue Essigfliege im Weinbau eingesetzt und von den Beratungsringen wärmstens empfohlen wird.

Di., 26.05.2015 - 07:40 Permalink

e' triste come una situazione di così grave rischio per le api e per l'ambiente, visto il loro fondamentale ruolo nella riproduzione vegetale, sia sottovalutata! Forse bisognerebbe informare maggiormente la collettività su quanto "si avvelena" con le coltivazioni di mele in particolare! Forse si dovrebbe sovvenzionare un'agricoltura biologica aiutando i contadini alla conversione dei loro campi.

Di., 26.05.2015 - 20:31 Permalink

Europaweit gibt es Meldungen über das Bienensterben, im Ö1 war kürzlich diesbezüglich eine Reihe liebevoller Variationen des Kinderliedes "Summ, summ, summ, Bienchen!...ei, wir tun dir nichts zuleide...." zu hören. Von wegen "nichts zuleide": alle "Pflanzenschutzmittel" wie auch alle anderen synthetischen Stoffe die ausgebracht werden, gehen alle in den Lebensmittelkreislauf ein und enden beileibe nicht bei den Bienen. Wie die Onkologin Gentilini vor kurzem in Bozen in ihrem Vortrag über die Pestizide berichtete, finden sich alle verbreiteten Umweltstoffe auch im menschlichen Organismus wieder, messbar z.B. in den Nabelschnüren der Babies, fließen naturgemäß ins weitere Wachstum ein und führen teilweise zu gesundheitlichen Schäden. Dass das bzw.die langfristigen Folgen davon die Pharmakonzerne bagatellisieren, kann ich mir noch erklären, schon weniger, dass ihnen das „unser“ Beratungsring abkauft. Aber dass sich unsre exzellent ausgerüsteten Landeslaboratorien nicht darum kümmern, wie mir scheint, das sehe ich als Hinweis darauf, dass die Lobbies das Kommando haben. Müsste es nicht Ethik eines ehrlichen Bauernstandes sein, dass ein landesweites Monitoring vorgenommen wird, was in den Böden, im Wasser und in der Luft enthalten ist und von den Lebewesen ungefiltert aufgenommen werden muss?

Di., 26.05.2015 - 21:57 Permalink